Heuer wurden bisher drei Mitarbeiter in Kindergärten nach Vorwürfen zu sexuellen Übergriffen in den Innendienst versetzt.

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In den Wiener Kindergärten sind zuletzt zwei Fälle von Missbrauchsverdacht bekannt geworden. Anders als bisher hat die zuständige Magistratsabteilung 10 die Fälle vergangene Woche selbst öffentlich gemacht, ohne nähere Details zu nennen. Informiert wurden alle Eltern sowie Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der beiden Kindergärten zeitnah, nachdem die MA 10 selbst von den Vorwürfen erfahren hatte.

In einer Causa soll der Übergriff in einer Betreuungseinrichtung passiert sein und ein Kindergartenkind betreffen. Einem zweiten Pädagogen werden ebenfalls Missbrauchshandlungen vorgeworfen. Diese sollen aber im privaten Umfeld stattgefunden haben, betroffen ist ein minderjähriges Kind. Die beiden Mitarbeiter sind laut MA 10 vom Kinderdienst in den Innendienst abgezogen worden.

Die neue Öffentlichkeitsstrategie hängt auch mit der verheerenden Kritik an der bisherigen Praxis zusammen. So hatten Eltern eines Kindergartenkindes in einer Einrichtung in Wien-Penzing bereits im März 2021 schwere Missbrauchsvorwürfe gegen einen Pädagogen erhoben. Die Leitung reagierte, der Pädagoge wurde in den Innendienst versetzt, die Staatsanwaltschaft nahm Ermittlungen auf. Doch die anderen Mütter und Väter erfuhren erst im Mai 2022 davon – also mehr als ein Jahr später.

Kritischer Bericht

Ein Bericht der Kinder- und Jugendanwaltschaft (KJA) bestätigte im Juli, dass es vonseiten des Kindergartens nur "Halb- und Nicht informationen" an die Eltern gab. Auch Bildungsstadtrat Christoph Wiederkehr von den Neos kritisierte die Vorgänge heftig. Die zuständige MA-10-Chefin Daniela Cochlar wurde nach Auffassungsunterschieden über das Krisenmanagement abgesetzt.

Wie groß aber ist das Thema von Missbrauchsverdachtsfällen in Wiens Kindergärten? Auf Anfrage des STANDARD nannte das Bildungsressort konkrete Zahlen: Insgesamt gab es im Jahr 2021 fünf Verdachtsfälle von sexuellen Übergriffen an Kindern seitens Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den Einrichtungen. Oder konkreter: Gegen fünf Personen gab es im Vorjahr Missbrauchsvorwürfe.

Heuer wurden bislang drei Verdachtsfälle gemeldet – wobei eben ein Fall das private Umfeld des Pädagogen betrifft. In allen Fällen gilt die Unschuldsvermutung. Das Stadtratsbüro verwies auch darauf, dass insgesamt mehr als 8.800 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bei der MA 10 beschäftigt sind.

Bislang keine arbeitsrechtlichen Konsequenzen

Sieben der betroffenen acht Mitarbeiter wurden aufgrund der Verdachtsfälle aus dem Kinderdienst genommen. 2022 erfolgte in einem Fall kein Abzug aus dem Kinderdienst, wie das Büro Wiederkehr bestätigte. Diese Entscheidung sei "nach Rücksprache mit der zuständigen Behörde" erfolgt.

Arbeitsrechtliche Konsequenzen wie Kündigung, Entlassung oder Disziplinarverfahren wurden bis dato aber in keinem dieser Fälle gesetzt. Das kann daran liegen, dass – wie im Fall Penzing aus dem Vorjahr – noch die Staatsanwaltschaft ermittelt. Oder auch daran, dass Ermittlungen eingestellt wurden oder es zu keinen Verurteilungen kam.

Kinderschutzkonzept wird adaptiert

Als Konsequenz auf den Fall in Penzing wurde eine Weiterentwicklung des Kinderschutzkonzepts angekündigt. Betreiber müssen künftig verpflichtend ein Schutzkonzept erstellen sowie regelmäßige Schulungen anbieten und ermöglichen. Für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ist ein Reporting Tool geplant: Damit sollen – auch anonym – Missstände und Probleme gemeldet werden können. (David Krutzler, 6.11.2022)