Der Weg zur Staatsbürgerschaft führt unter anderem über einen Test zur Geschichte des Landes.

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Sparsam, was die Zahl der Delegierten angeht – aber üppig in den Ansagen. So lässt sich die sogenannte Wiener Konferenz der SPÖ-Landesgruppe vom Wochenende zusammenfassen. Während bei regulären Parteitagen rund 1.000 Delegierte zusammenkommen, waren es bei der neu eingeführten Miniversion am Samstag lediglich 400. Deren Beschlüsse in Form einer Charta bergen allerdings politische Sprengkraft: Die Wiener SPÖ sprach sich dafür aus, den Zugang zur österreichischen Staatsbürgerschaft zu erleichtern.

Frage: Was fordert die SPÖ genau?

Antwort: Konkret geht es um zwei Hebel: die vorgeschriebenen finanziellen Mittel und die erforderliche Aufenthaltsdauer. Wer die österreichische Staatsbürgerschaft möchte, muss nach Abzug aller Fixkosten derzeit monatlich über 933 Euro verfügen. Michael Ludwig, Wiener Bürgermeister und SP-Chef, sieht hier Reformbedarf. Denn die 933 Euro seien insbesondere für Berufsgruppen, die alles am Laufen hielten – etwa Pflegekräfte oder Reinigungspersonal – unerfüllbar.

Monatlich 933 übrig zu haben, seien insbesondere für Berufsgruppen, die alles am Laufen hielten – etwa Pflegekräfte oder Reinigungspersonal – unerfüllbar, sagt Bürgermeister Ludwig (SPÖ).
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Letztere Gruppe habe zu 90 Prozent keine österreichische Staatsbürgerschaft, bei Hilfsarbeitern seien es 80 bis 90 Prozent. Eine konkrete Zahl für eine passende Einkommensgrenze wollte Ludwig nicht nennen.

Bei der Wartefrist auf die Staatsbürgerschaft kann sich der Stadtchef eine Verkürzung von zehn auf fünf Jahre vorstellen. Zudem ist in der Charta vorgesehen, dass in Österreich geborene Kinder automatisch die Staatsbürgerschaft erhalten, wenn sich ein Elternteil seit fünf Jahren legal im Land aufhält.

Frage: Was ist der Hintergrund der Rufe nach Lockerungen?

Antwort: Experten zufolge ist es äußerst schwierig, die österreichische Staatsbürgerschaft zu ergattern. Laut dem Migrant Integration Policy Index ist der Zugang unter 56 verglichenen Staaten gar nur noch in den Arabischen Emiraten und Saudi-Arabien restriktiver. Aus der Sicht von Fachleuten können überstrenge Regeln ein Hemmschuh für die Integration sein und Fachkräfte abschrecken.

Hinzu kommt das demokratiepolitische Problem, dass ein rigides Staatsbürgerschaftsrecht große Teile der Bevölkerung von Wahlen ausschließt. In Wien durfte bei der Bundespräsidentenwahl rund ein Drittel der Wohnbevölkerung oder mehr als eine halbe Million Menschen nicht mitstimmen.

Frage: Verlangt die Wiener SPÖ auch beim Wahlrecht Lockerungen?

Antwort: Nicht rütteln will Ludwig daran, dass die Staatsbürgerschaft Voraussetzung für die Teilnahme an Bundes- und Landtagswahlen ist. Denkbar ist für ihn allerdings, das Wahlrecht auf Bezirksebene auch Drittstaatsangehörigen zu gewähren – analog zu der Regel, die bereits für EU-Bürger gilt.

Die Jugendorganisationen würden hier noch weitergehen: Sie hatten im Vorfeld generell für eine Entkopplung von Staatsbürgerschaft und Wahlrecht plädiert.

Frage: Wie steht die Bundes-SPÖ zu den Wiener Vorschlägen?

Antwort: Parteichefin Pamela Rendi-Wagner wollte sich nicht äußern. Bundesgeschäftsführer Christian Deutsch ließ wissen, dass die SPÖ für ein "modernes, zeitgemäßes Staatsbürgerschaftsrecht" sei.

Bundesparteichefin Pamela Rendi-Wagner verwies bezüglich der Forderungen aus Wien auf Bundesgeschäftsführer Christian Deutsch.
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Die Ergebnisse der Wiener Konferenz würden sich "im Wesentlichen" mit jenem Modell für ein neues Staatsbürgerschaftsrecht decken, das die Bundespartei 2021 beschlossen habe. Wichtiger Unterschied zu den Wiener Forderungen: Die Bundespartei fordert eine Verkürzung der Wartefrist auf sechs Jahre.

Frage: Wie kommen die roten Forderungen an?

Antwort: Im Bund, der für gesetzliche Änderungen zuständig wäre, fiel die Reaktion ablehnend aus. Integrationsministerin Susanne Raab (ÖVP) erklärte, man werde die Regeln nicht aufweichen. Die Staatsbürgerschaft sei ein hohes Gut und stehe am Ende des Integrationsprozesses, nicht am Anfang. ÖVP-Generalsekretär Christian Stocker bezeichnete "lasche Staatsbürgerschaftsregeln" als Pullfaktor für Flüchtende. Und Wiens FPÖ-Chef Dominik Nepp sprach von einer "Provokation der Sonderklasse". (Stefanie Rachbauer, 6.11.2022)