Zum wiederholten Male haben sich die Roten dafür ausgesprochen, Staatsbürgerschaften leichter zugänglich zu machen. In Österreich können sich erschreckend viele Menschen nicht am politischen Diskurs beteiligen, nichts befürworten, nichts ablehnen, nichts mitbestimmen. Sie sind Fremdkörper und sollen – jedenfalls nach ÖVP und FPÖ – auch Fremdkörper bleiben, ohne deren Arbeitskraft so vieles zusammenbrechen würde: Lebensmittelhandel, Reinigung von Büros und Krankenhäusern, Pflege, Catering, Zustellung.

Der Wiener Bürgermeister Michael Ludwig beweist mit seiner Forderung nach leichter zugänglichen Staatsbürgerschaften Mut.
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In Ausübung der benötigten Arbeitshandlungen sind die Fremdkörper erwünscht. Aber sollten diese arbeitenden Fremdkörper auch noch Wünsche und Ziele entwickeln, dann hat man offenbar ein Problem. Serviciert uns unauffällig, wascht uns, ohne den Pelz nass zu machen, aber fordert um Himmels willen keine gleichen Rechte (bei gut verteilten Pflichten).

Staatsbürgerschaft ist aber Grundstein von tiefer Verwurzelung, Chance auf Teilhabe und Gleichwertigkeit. Nicht zuletzt ist der Ausschluss eines Teils der Bevölkerung von Wahlen nicht gut für die demokratische Entwicklung. Das haben einige Länder schon erkannt. In Österreich dauert alles ein bisschen länger. Michael Ludwig hat mit dieser Forderung Mut bewiesen. Etwas derart Unpopuläres, aber Richtiges und Wichtiges zu fordern zeugt von Haltung. Haltung ist, was diesem Land immer wieder schmerzlich fehlt. (Julya Rabinowich, 7.11.2022)