Ende Oktober blockierten Aktivistinnen und Aktivisten der Gruppen Scientist Rebellion, Extinction Rebellion und Letzte Generation die Karlsstraße in München.

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Berlin – Ungeachtet der stark zugenommenen Kritik an ihren Aktionen hat die Klimaprotestgruppe Letzte Generation eine Ausweitung ihrer radikalen Proteste in Deutschland angekündigt. "Wir werden unseren Protest in alle Bereiche tragen, die von der Klimakatastrophe betroffen sein werden", sagte die Aktivistin Carla Rochel am Sonntag dem Sender RTL.

Die deutschen Unionsparteien treten für eine Verschärfung des Strafrechts für Klimaaktivisten ein. Das stößt in der Ampelkoalition jedoch auf Ablehnung. Rochel sagte in der Sendung "Stern-TV am Sonntag", ihre Bewegung befinde sich nicht in einem "Beliebtheitswettbewerb": Es gehe den Aktivistinnen und Aktivisten "nicht darum, gemocht zu werden – sondern darum, dass der Gesellschaft bewusst wird, dass wir in eine Klimakatastrophe rasen". Die 20-Jährige schloss auf Nachfrage auch Blockadeaktionen an deutschen Flughäfen nicht aus. In Amsterdam hatten Klimaaktivisten am Samstag den Flughafen Schiphol teilweise lahmgelegt.

Notärztin entlastete Klimaaktivisten

Die Letzte Generation hatte zuletzt unter anderem mit Blockaden des Straßenverkehrs und Attacken auf Gemälde für Aufsehen gesorgt. Der politische Streit über die Aktionen hat sich verschärft, seit in der vergangenen Woche in Berlin eine Radfahrerin von einem Betonmischer überrollt worden war und ein Spezialfahrzeug wegen einer Blockade der Klimaaktivisten verspätet am Unfallort eintraf. Nach Einschätzung der behandelnden Notärztin hatte es, wie die "Süddeutsche Zeitung" am Freitag unter Berufung auf einen Einsatzvermerk berichtete, allerdings keine Auswirkungen auf die Rettung der verletzten Frau, dass das Spezialfahrzeug nicht zur Verfügung stand. Ein Sprecher der Feuerwehr räumte zudem ein, dass auch die Bildung einer Rettungsgasse problematisch gewesen sei.

Als das Spezialgerät ankam, war die Radfahrerin jedenfalls schon aus der Lage unter dem Betonmischer befreit worden. Während das sehr große Spezialfahrzeug der Feuerwehr, der "Rüstwagen", der den Betonmischer hätte anheben können, noch im Stau steckte, habe die Notärztin bereits entschieden, auf das Anheben des Betonmischers zu verzichten. Die Radfahrerin erlag ihren Verletzungen später im Krankenhaus. Die Polizei ermittelt gegen zwei 63 und 59 Jahre alte Aktivisten wegen unterlassener Hilfeleistung beziehungsweise Behinderung hilfeleistender Personen.

Die "Bild am Sonntag" hatte berichtet, dass die Unionsfraktion in dieser Woche einen Gesetzesantrag für Strafrechtsverschärfungen einbringen wolle. Straßenblockierern, die die Durchfahrt von Polizei, Feuerwehr und Rettungsdiensten behindern, soll demnach künftig eine Mindestfreiheitsstrafe drohen, außerdem sollen Aktivisten bei Wiederholungsgefahr vorbeugend in Haft genommen werden können. Für die Beschädigung von Kulturgütern fordert die Union demnach eine Mindestfreiheitsstrafe anstatt der bisher geltenden Geldstrafe.

Kritik an Vorhaben der Union

Klimaprotest dürfe "kein Freibrief für Straftaten sein", sagte CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt. Es brauche "deutlich härtere Strafen für Klima-Chaoten, um einer weiteren Radikalisierung in Teilen dieser Klimabewegung entgegenzuwirken und Nachahmer abzuschrecken".

Regierungsvertreter wandten sich gegen diese Forderung. FDP-Generalsekretär Bijan Djir-Sarai sagte dem "Tagesspiegel" vom Montag, die "immer weiter fortschreitende Radikalisierung von Teilen der Klimabewegung" bereite ihm "große Sorgen". Es stünden aber genügend rechtliche Instrumente zur Verfügung, "wenn die Grenzen des friedlichen Protests überschritten werden".

Ähnlich äußerte sich die rechtspolitische Sprecherin der SPD-Bundestagsfraktion, Sonja Eichwede. Sie befürchtet eine "weitere Radikalisierung" der Aktivisten. Das Strafrecht biete aber zahlreiche Möglichkeiten, um dagegen vorzugehen. Die Forderung der Union nach strafrechtlichen Verschärfungen nannte sie "populistisch". (APA, 7.11.2022)