Behörden haben am Sonntag 144 der insgesamt 179 Menschen von Bord des Schiffes gehen lassen.

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Rom – Den Rettungsschiffen Humanity 1 und Ocean Viking droht jeweils eine Geldstrafe in Höhe von 50.000 Euro, wenn sie nicht sofort den Hafen der sizilianischen Stadt Catania verlassen. Die deutsche Organisation SOS Humanity, Betreiberin der Humanity 1, habe ein dementsprechendes E-Mail der italienischen Behörden erhalten, wie der Sprecher der italienischen Linkspartei Europa Verde, Angelo Bonelli, am Montag mitteilte.

SOS Humanity will italienischen Staat verklagen

Zwischen der deutschen Hilfsorganisation SOS Humanity und der italienischen Regierung bahnt sich ein Streit vor Gericht an. Die Anwälte der NGO wollen eine Klage beim regionalen Verwaltungsgericht von Catania gegen die Anordnung der Behörden an Kapitän Joachim Ebeling einreichen, den Hafen mit den 35 Geretteten an Bord zu verlassen.

Zuvor hatten die Behörden am Sonntag 144 der 179 Menschen von Bord der am Samstagabend in Catania gelandeten Humanity 1 gehen lassen, vor allem Frauen und Minderjährige.

Kapitän will auf Schiff bleiben, bis alle von Bord gehen

Der Beschluss der italienischen Regierung verstoße gegen das Menschenrecht und sei vor Gericht anfechtbar, erklärte die NGO. Der Kapitän hatte per E-Mail angekündigt, dass er "in Catania bei den Überlebenden bleiben wird, bis sie alle von Bord gehen". "Ich kann den Hafen von Catania nicht verlassen. Wir müssen hier eine Lösung finden. Es wäre gegen das Gesetz, mit den Überlebenden wegzufahren, wie mir mein Anwalt erklärte. Die an Bord verbliebenen Schiffbrüchigen befinden sich in einem Zustand der Depression und Apathie, wir sind zutiefst besorgt über ihre psychische Gesundheit. Es ist schwierig, ihnen zu erklären, was hier geschieht, und ich selbst kann es nicht verstehen, weil es gegen das Gesetz verstößt", erklärte Ebeling vor Journalisten.

In Catania landete am Sonntag auch das Rettungsschiff Geo Barents. Zunächst durften laut Behördenangaben 357 Menschen das Schiff verlassen, vor allem Frauen und Minderjährige. An Bord blieben 215 Personen. Was mit ihnen geschehen soll, ist zunächst unklar.

Zwei Schiffe warten auf Landung

Weiter auf eine Landung warten unterdessen noch zwei andere Rettungsschiffe: die deutsche Rise Above und die norwegische Ocean Viking. Nach der Evakuierung von vier Menschen wegen Gesundheitsproblemen in der Nacht auf Montag befinden sich noch 89 Personen an Bord der Rise Above, die von der deutschen NGO Mission Lifeline betrieben wird und sich wenige Seemeilen von Catania entfernt befindet. Unweit von Sizilien ist auch die Ocean Viking mit 234 im Mittelmeer geretteten Migranten an Bord. Francesco Creazzo, Sprecher von Sos Mediterranee, Betreiberin der Ocean Viking, forderte einen Landehafen für das Schiff.

Das Vorgehen der neuen italienischen Rechtsregierung von Giorgia Meloni, die keine aus dem Mittelmeer geretteten Migranten und Migrantinnen mehr aufnehmen will und die Flaggenstaaten der Schiffe in der Pflicht sieht, sorgt für scharfe Kritik. "In diesem Moment findet im Hafen von Catania eine selektive Ausschiffung statt. Schiffbrüchige, die durch Kälte, Müdigkeit, Trauma und Folter bereits erschöpft sind, werden nach dem Willen der Regierung von Giorgia Meloni als Objekte betrachtet. Eine Schande!", schrieb der Abgeordnete der italienischen links-grünen Liste, Aboubakar Soumahoro, der sich im Hafen von Catania aufhielt, auf Twitter. Etwa 30 Aktivisten, darunter einige linke Parlamentarier, forderten am Hafenkai die Ausschiffung aller geretteten Migranten.

Salvini sieht Deutschland in der Pflicht

Der italienische Verkehrsminister und Vizepremier Matteo Salvini rief Deutschland auf, die Migranten aufzunehmen, die sich an Bord ihrer Rettungsschiffe befinden. "Es handelt sich um organisierte Reisen. Diejenigen, die sich an Bord dieser Schiffe befinden, zahlen rund 3.000 Dollar für die Reise. Wir müssen nicht nur gegen den Menschenhandel vorgehen, sondern auch gegen den Waffen- und Drogenhandel, der damit zusammenhängt", sagte Salvini in einem Interview mit dem Radiosender Rtl 102.5 am Montag.

Italien dürfe mit der Migrationsproblematik nicht allein gelassen werden. "Wir erleben eine schwierige Zeit für viele Familien. Wir können nicht zulassen, dass 100.000 Menschen in einem einzigen Jahr illegal in Italien landen. Wenn es sich um ausländische Schiffe handelt, sehen die Vorschriften vor, dass das deutsche Schiff einen deutschen Hafen anläuft", so Salvini.

EU Kommission ermutigt Behörden zu Zusammenarbeit

Die Europäische Kommission bekräftigte indes durch eine Sprecherin, dass es eine "moralische und rechtliche Verpflichtung zur Rettung von Menschen auf dem Meer gemäß internationalem Recht" gebe. Sie begrüßte die Anlandung der beiden Rettungsschiffe in Italien. Auf die Frage, ob es im Einklang mit den Gesetzen und den Leitlinien der Kommission stehe, eine "selektive" Ausschiffung zu genehmigen, antwortete die Sprecherin, dass nach internationalem Recht "die Zeit, die die Menschen auf See verbringen, auf ein Minimum reduziert werden muss". "Jeder Fall ist anders, aber wir ermutigen alle Behörden zur Zusammenarbeit, um die Ausschiffung zu erleichtern", so die Sprecherin.(APA, red, 7.11.2022)