Suswa ist eine staubige Kleinstadt, etwa 100 Kilometer westlich von Nairobi. In dem Straßendorf reihen sich Bretterbuden aneinander, in denen es Fleisch, Smartphones und Bier zu kaufen gibt. Das einzige mehrstöckige Haus ist gleichzeitig so etwas wie das Gemeindezentrum: Hotel, Restaurant, Treffpunkt.

Der überdimensionale Bahnhof in Suswa. Gebaut hat ihn ein chinesisches Konsortium – aber wofür?
Foto: Philipp Mattheis

Nicht weit davon aber erhebt sich ein Gebäude aus der Steppe, das so auch in China stehen könnte: Suswa hat seit 2021 einen überdimensionierten Bahnhof. Gebaut hat ihn ein chinesisches Firmenkonsortium, nachdem die chinesische Exim-Bank der kenianischen Regierung einen Milliardenkredit dafür gegeben hatte. Umgerechnet 3,8 Milliarden Euro kostete die Zugstrecke – und Kenia ging davon aus, dass sich das Projekt selbst abbezahlen würde. 2014 begann der Bau.

Die Zugstrecke von der Hafenstadt Mombasa ins Landesinnere ist das größte Seidenstraßenprojekt in Afrika. Dem Plan nach soll es die Hafenstadt Mombasa mit der kenianischen Hauptstadt und von dort aus Kampala in Uganda, Juba im Südsudan, Addis Abeba in Äthiopien und Kisangani im Kongo verbinden.

Wo bleibt der Vorteil?

Für die afrikanischen Binnenstaaten ohne Meerzugang, die dann via Kenia am Welthandel angeschlossen wären, wäre das ein großer Gewinn. Nur ist davon bisher nichts zu merken. Schuldenfallendiplomatie nennt man das, was aufgrund chinesischer Kredite auch schon in Sri Lanka passierte: Mit Milliarden aus Peking wurde ein Hafen im Süden des Landes gebaut. Als die Regierung in Colombo 2016 in Zahlungsschwierigkeiten geriet, "pachtete" China kurzerhand den Hafen – für 99 Jahre.

Derzeit steckt die Regierung in Nairobi in ähnlichen Schwierigkeiten: Die Schuldenquote ist mit 70 Prozent für ein Schwellenland sehr hoch. China ist der größte Gläubiger. Und durch die globale Rezession und die gestiegenen Spritpreise steckt das Land in einer Wirtschaftskrise – und somit auch in Zahlungsschwierigkeiten. Und die Bahnstrecke, die "Standard Gauge Railyway" (SGR), macht entgegen der Erwartungen Verlust.

Ökonom James Shikwati. "Unser Hauptproblem war, dass es keine Straßen, Häfen und Eisenbahnen gibt."
Foto: Philipp Mattheis

Trotzdem sehen viele in Kenia das chinesische Engagement unkritisch: Es gibt nicht wenige Ökonomen, die sagen, das größte Problem Afrikas sei die fehlende Infrastruktur. Einer von ihnen ist James Shikwati. "Unser Hauptproblem war, dass es keine Straßen, Häfen und Eisenbahnen gibt. Sogar unsere Flughäfen sind so gebaut, dass sie nach Europa führen", sagt der Wirtschaftsexperte in seinem Büro in Nairobi. Wenn die Chinesen das nun erledigen, sei das doch eine gute Sache.

Zudem lieferten die Chinesen schnell und unkompliziert, sagt Shikwati. "Der Westen hat dieses extravagante Wertesystem, das alles verkompliziert." Er erzählt von einer Straße, die mit Geld der EU gebaut werden sollte, aber zwei Jahre lang nicht fertiggestellt wurde, weil dort eine Rattenpopulation lebte.

Chinas geostrategische Interessen

Man weiß nicht genau, ob er das ernst meint oder nicht. Trotzdem: Es gibt geostrategische Interessen Chinas in Afrika: Dabei geht es weniger um die Rohstoffe selbst, davon hat der ostafrikanische Staat nicht viele. Kenia aber ist das Schlüsselland, wenn es darum geht, wichtige Rohstoffe aus dem Kongo nach China zu transportieren. Mombasa ist der wichtigste Hafen der Region und wird heute von einer chinesischen Firma geführt.

Die andere Seite der Medaille: Korruption. Niemand weiß genau, wie viele Millionen in den Taschen korrupter Politiker versickert sind. Im Dezember 2018 tauchten Nachrichten auf, wonach sich Peking den Hafen von Mombasa als Pfand habe zusichern lassen – für den 3,6-Milliarden-Dollar-Kredit für den Bau der Zugstrecke nach Nairobi. Verwunderlich wäre es nicht, schließlich ist genau das ja mit dem Hafen von Hambantota in Sri Lanka passiert.

Die kenianische und die chinesische Regierung verneinten dies beide, und auch Forscher der amerikanischen John-Hopkins-Universität kamen zu dem Schluss, dass das Gerücht auf einen Lesefehler des Prüfers zurückzuführen sei. Bis heute ist nicht hundertprozentig klar, was wirklich passierte – und vor allem wie Peking reagieren wird, sollte Kenia tatsächlich nicht mehr zahlen.

Viel Infrastruktur für sehr wenig Bedarf – zumindest bisher.
Foto: Philipp Mattheis

In Suswa kann kaum jemand Gutes über die Chinesen berichten: "Die Chinesen haben keinen guten Eindruck hinterlassen", sagt Moses Mutadua, ein Dorfbewohner. Der 47-Jährige hat noch die ausgehöhlten Ohrläppchen der Massai, die immer noch größere Ringe in die Haut zwängen. Ansonsten ist er westlich gekleidet. "Sie behandelten Leute und Material schlecht. Wenn wir ihnen zum Beispiel einen Jeep vermieteten, war der danach oft beschädigt. Alles sollte immer ohne Vertrag und mit Barzahlungen geschehen, sodass man später rechtlich nichts in der Hand hatte. Als sie gingen, nahmen sie wieder alles mit. Sogar die errichteten Wasserleitungen montierten sie wieder ab."

Keine guten Erfahrungen vor Ort

Als Gegenbeispiel nennt Mutadua eine italienische Firma, die vor einigen Jahren eine Straße baute: "Die interessierten sich dafür, was wir hier brauchen können, und brachten das mit."

Auch die Arbeitsbedingungen seien schlecht gewesen, sagen andere Dorfbewohner: lange Arbeitszeiten für wenig Geld. Ob der Grund dafür, dass die Eisenbahnlinie nicht weitergebaut wurde, Korruption, maliziöse Schuldenfallendiplomatie oder einfach Fehlplanung war, weiß niemand in Kenia. Jedenfalls nutzt den Zug kaum jemand: Er kommt auch nur dreimal die Woche, einmal am Tag. (Philipp Mattheis, 7.11.2022)