Verfassungsministerin Karoline Edtstadler (ÖVP) und Vizekanzler Werner Kogler (Grüne) sprechen mit Kritikerinnen und Kritikern über die lange geplante, aber nie umgesetzte Abschaffung des Amtsgeheimnisses.

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Wien – Die aktuellsten Auswüchse der türkisen Chataffäre verschaffen dem Thema Transparenz neuen Aufwind. Allen voran die von der Bundesregierung längst paktierte Abschaffung des Amtsgeheimnisses wird wieder diskutiert: Denn obwohl das Informationsfreiheitsgesetz unter Einbeziehung von Ländern und Gemeinden ausgearbeitet und in Begutachtung geschickt wurde, hat es die Koalition seit eineinhalb Jahren nicht beschlossen. Das dürfte sich auch in absehbarer Zeit nicht ändern.

Denn der Grund ist eine innerparteiliche Blockade bei der ÖVP, wie deren Generalsekretär Christian Stocker indirekt in der ORF-Sendung "Im Zentrum" bestätigte: "Sie wissen, dass wir auf Bundesebene nicht bremsen", erklärte der Abgeordnete den Mitdiskutierenden. Auf anderer Ebene also schon: Länder und Gemeinden fürchten einen überbordenden Verwaltungsaufwand, wenn zwischen dem geplanten Recht auf Information und dem Datenschutz abgewogen werden muss. Ihr Gewicht in der Volkspartei verhindert den Beschluss des Gesetzes.

"Ja, aber" zur Transparenz

Das verdeutlichte auch Kanzler und ÖVP-Chef Karl Nehammer beim Parteitag im Mai: Da sagte er in Hinblick auf die Informationsfreiheit Ja zur Transparenz, "aber auch Ja zu einer funktionierenden Verwaltung, die bürgernah ist und nicht durch Querulanten lahmgelegt werden kann". Immerhin sei die Volkspartei die Partei der Bürgermeisterinnen und Bürgermeister.

Das "Ja, aber" zur Transparenz pflegen auch die Kommunen. Gemeindebundpräsident Alfred Riedl (ÖVP) richtete der Regierung vor seinen Kolleginnen und Kollegen bei einer Versammlung im Sommer aus: "Die Bürokratie, die da im Raum steht, ist unerträglich! Lasst uns in Ruhe mit Bürokratieaufwand und mit Interpretation!"

Wenige bekannte Lösungsvorschläge

Den inhaltlichen Einwänden stehen allerdings recht wenige öffentlich bekannte Lösungsvorschläge gegenüber. Zwar haben Verfassungsministerin Karoline Edtstadler (ÖVP) und Vizekanzler Werner Kogler (Grüne) im September neue Gespräche mit den Kritikerinnen und Kritikern gestartet, die laut Teilnehmenden streckenweise durchaus konstruktiv verlaufen seien. Weitere Gespräche, etwa mit NGOs, werden derzeit avisiert. Im Anschluss an den letzten Termin wollen Kogler und Edtstadler "schauen, wie man mit den Anmerkungen umgeht", heißt es aus dem Büro der Ministerin.

Dass die Koalition das Informationsfreiheitsgesetz noch in diesem Jahr auf den Weg schickt, schließt man dort jedenfalls nicht aus. Einen solchen Zeitrahmen hatte die stellvertretende Klubobfrau der Grünen, Meri Disoski, am Sonntag bei "Im Zentrum" gefordert: "Schauen wir, dass wir das heuer noch durchbringen." Es wäre freilich nicht die erste grüne Deadline für das Gesetz, die konsequenzlos verstreicht: Schon vor mehr als zwei Jahren forderte der kleine Koalitionspartner, dass das Amtsgeheimnis ab 1. Jänner 2021 abgeschafft sein solle. (Sebastian Fellner, 7.11.2022)