Die Meta-Brillen sind für Mark Zuckerberg ein großes Thema. Die Investoren sind weniger angetan.

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Tausende Jobs sollen beim vormals als Facebook bekannten Tech-Konzern Meta laut einem Bericht des "Wall Street Journal" dem Rotstift zum Opfer fallen. Bewahrheitet sich dies, so wären die Kündigungen ein weiteres Anzeichen dafür, dass in Mark Zuckerbergs Social-Media-Welt längst nicht mehr alles so rosig läuft wie einst. Eine Reaktion des Unternehmens steht derzeit noch aus, Offizielles wird für Mittwoch erwartet. Aufmerksame Beobachter dürften von dieser Entwicklung aber ohnehin nicht sonderlich überrascht sein.

So hatte Zuckerberg selbst derartige Schritte bereits Ende Oktober in einem Telefonat mit Analysten angedeutet, standesgemäß fasste er diese Aussagen auch in einem Facebook-Posting zusammen. "Im Jahr 2023 werden wir unsere Investitionen auf eine kleine Anzahl von Wachstumssegmenten fokussieren. Manche Teams werden also stark wachsen, andere werden gleich groß bleiben oder gar schrumpfen", kann man dort lesen. In Summe werde Meta Ende 2023 gleich groß oder eben "geringfügig kleiner" sein als heute. Derzeit beschäftigt der Konzern rund 87.000 Personen.

Gewinn bricht um die Hälfte ein

Überraschend wären Stellenstreichungen auch angesichts der aktuellen wirtschaftlichen Performance nicht, wie der jüngste Quartalsbericht zeigt. So machte Meta im vergangenen Quartal zwar noch immer einen Gewinn von 4,4 Milliarden Dollar – das entspricht aber einem Einbruch von rund 50 Prozent gegenüber dem gleichen Quartal des Vorjahres.

Es ist außerdem das schlechteste Ergebnis seit 2019 und der vierte Rückgang in Folge. Neben dem Gewinn schrumpfte auch der Umsatz erneut, diesmal um rund vier Prozent auf 27,71 Milliarden Dollar.

Meta-Aktie: Minus 73 Prozent seit Jahresbeginn

Den Investoren schmeckt das nicht, die Aktie legte in den vergangenen Wochen eine regelrechte Talfahrt hin: Am Montag, 7.11.2022, war eine Meta-Aktie rund 96 Dollar wert, das entspricht einem Minus von rund 71 Prozent seit Jahresbeginn. Auf diesem Niveau war der Wert der Aktie zuletzt im Jahr 2015 gelegen, seitdem war es fast durchgehend bergauf gegangen.

Allein mit der Bekanntgabe der Quartalsergebnisse waren innerhalb eines Tages rund 260 Milliarden Dollar an Börsenwert vernichtet. Konsequenterweise bedeutet dies auch, dass Meta nicht mehr zu den 20 wertvollsten Unternehmen der Welt gehört. Und auch Zuckerberg hat seit Jahresbeginn rund 70 Prozent seines Reichtums verloren.

Metas große Problemfelder

Doch was läuft hier eigentlich schief? Bei näherer Betrachtung zeigt sich, dass manche von Metas Problemen außerhalb des eigenen Einflussbereichs liegen und auch andere Konzerne mit ähnlichem Geschäftsmodell betreffen, andere wiederum scheinen hausgemacht zu sein. Adressiert werden die einzelnen Problemfelder auf unterschiedliche Weise, wie Zuckerberg in seinem Facebook-Posting erläutert.

So leidet der Umsatz von Metas werbefinanzierten Apps unter anderem unter dem Tracking-Schutz, den Apple im vergangenen Jahr eingeführt hat. Die eingeschränkten Möglichkeiten zum gezielten Ansprechen bestimmter Nutzergruppen mindern die Attraktivität des Modells für potenzielle Werbepartner. Hinzu kommt, dass diese aufgrund der wirtschaftlichen Gesamtlage generell zurückhaltender mit ihren Werbeausgaben sind.

Und dann gibt es noch die neue Konkurrenz, namentlich Tiktok. Die chinesische App verzeichnete vergangenes Jahr weltweit 656 Millionen User, aktuell wird ein Nutzerwachstum um 15 Prozent erwartet. Die App ist vor allem bei jungen Menschen beliebt – während dies zwar auch für Metas Instagram gilt, das Social Network Facebook bei Jungen in den vergangenen Jahren aber immer weiter an Attraktivität verlor.

Die teure Metaversum-Wette

Nun lassen sich makroökonomische Rahmenbedingungen schwer selbst beeinflussen, und auch auf das Verhalten anderer Unternehmen kann Meta maximal reagieren – besonders irritiert reagieren die Investoren aber auf Zuckerbergs Pläne zum Einrichten eines "Metaversums": eines virtuellen Raums, der unter anderem durch Virtual- und Augmented-Reality-Brillen betreten wird und in dem Menschen laut den Plänen des CEOs künftig gemeinsam plaudern, shoppen, spielen und arbeiten werden.

Das Problem dabei: Das Metaversum ist derzeit noch Zukunftsmusik, bestehende Plattformen und Geräte sind noch nicht ausgereift, Nutzer und Umsätze sind derzeit noch Mangelware. Auf der anderen Seite der Bilanz stehen gewaltige Kosten: Seit 2019 pumpte Meta rund 36 Milliarden Dollar in die Reality-Labs-Abteilung, in der VR-Anwendungen und Headsets entwickelt werden.

Diese Entwicklungen verleiteten Ende Oktober Brad Gerstner, CEO und Gründer der Investmentfirma Altimeter Capital, einen offenen Brief an Zuckerberg zu schreiben. Die Forderung des Investors: Meta solle die Metaversum-Investitionen reduzieren.

Die Antwort: Mehr Geld fürs Metaversum

Zuckerberg lässt sich davon nicht beeindrucken, wie er in dem besagten Posting zeigt. Denn aus diesem geht hervor, dass die Metaversum-Sparte zu jenen ausgewählten Abteilungen gehört, in die künftig weiter investiert wird, während man andernorts den Gürtel enger schnallt.

"Wir erwarten, dass die Ausgaben in Reality Labs 2023 nochmals deutlich steigen werden", schreibt Zuckerberg. Ein großer Kostentreiber werde die neue Consumerversion der VR-Brille Meta Quest sein, ein anderer sind die Kosten für frisch aufgenommenes Personal. Auch langfristig will man die Investitionen in Reality Labs intensivieren, in den werbefinanzierten Apps generiertes Kapital soll in diese Zukunftsvision fließen.

Reels als Antwort auf Tiktok

Auf der anderen Seite sieht Zuckerberg bei den Apps jenseits des Metaversums die Grenzen der Möglichkeiten noch nicht erreicht. Auch das schreibt er in seinem Posting. So soll künstliche Intelligenz verstärkt eingesetzt werden, um das Recommendation-System zu verbessern, insbesondere bei den Reels – also jenen kurzen Videoclips, die Meta als Antwort auf Tiktok eingeführt hat.

Täglich werden laut Zuckerberg auf Facebook und Instagram bereits 140 Milliarden Reels angesehen, das sind 50 Prozent mehr als sechs Monate zuvor. Von Tiktok möchte man sich unter anderem differenzieren, indem die via KI ausgewählten Inhalte fremder Menschen mit jenen von Freundinnen und Freunde kombiniert werden.

Geld verdienen mit Messenger und Whatsapp

Mit der daraus generierten erhöhten Verweilzeit will Zuckerberg künftig über die Reels auch mehr Umsatz generieren. Doch dabei soll es nicht bleiben: Auch über die Messenger-Apps soll künftig mehr Umsatz hereinkommen.

So wurden "Click-to-Messaging Ads" eingeführt, die es Unternehmen ermöglichen, von auf Facebook oder Instagram platzierten Anzeigen aus einen Chat mit den Kunden via Messenger, Instagram Direct oder Whatsapp zu starten. In Indien wurde der Service "Jio Mart" auf Whatsapp gestartet, der ein Shoppen innerhalb von Whatsapp ermöglicht.

Investoren vor der Entscheidung

Nun mag es gewissen Nutzerinnen und Nutzern nicht schmecken, dass weitere Bereiche ihres digitalen Lebens von Werbung und Onlineshopping durchdrängt werden – für Aktionäre hingegen sind das eher gute Ankündigungen. Nicht zufrieden dürften sie jedoch mit der Ansage sein, dass die Ausgaben in das Metaversum nicht wie gewünscht reduziert, sondern ganz im Gegenteil noch erhöht werden.

Dabei stehen sie zusätzlich vor dem Problem, dass sie Zuckerberg nicht einfach so als CEO absetzen können, da dieser mehr Stimmrechte hat – ein System, das bewusst etabliert wurde, um dem Management freies Handeln zu ermöglichen, auch wenn die Investoren dagegen wettern. Im Endeffekt bleibt ihnen also nur eine Konsequenz, wenn ihnen der Kurs nicht schmeckt: verkaufen.

Keine Kristallkugel

Das Problem bei einer derartigen Entscheidung ist natürlich auch: Es besteht eine gewisse Chance, dass Zuckerberg am Ende recht behält und sein Plan aufgeht. Immerhin ist es in einem Produktlebenszyklus normal, dass manche Produkte – im konkreten Fall: facebook.com – mit der Zeit an Attraktivität verlieren, während sich andere – Instagram und Whatsapp – noch halten und in die Entwicklung neuer Lösungen erst einmal investiert werden muss, bevor diese einen Gewinn abwerfen. Zu dieser letztgenannten Kategorie gehört das Metaversum.

Ob sich die Investments in das Metaversum am Ende aber wirklich noch rentieren, wird die Zukunft noch zeigen müssen. Der Weg dahin ist jedenfalls ein steiniger – so sind die Lösungen etwa auf technologischer Ebene noch nicht ausgereift, und die potenzielle Kundschaft ist noch äußerst zögerlich. Wenn nun auch die Aktionäre ihr Kapital abziehen, dann ist das ein weiteres schlechtes Zeichen. Ein Siegeszug des Metaversums steht also noch in weiter Ferne oder wirkt gar gänzlich unrealistisch. Andererseits: Was kann man in solch turbulenten Zeiten schon mit hundertprozentiger Gewissheit prognostizieren? (Stefan Mey, 7.11.2022)