Nach fast zwei Wochen auf See hatten die italienischen Behörden der Humanity One (alternative Schreibweise: Humanity 1) und der Geo Barents am Samstag zwar die Erlaubnis erteilt, den Hafen von Catania in Sizilien anzulaufen; dort konnten Frauen, Kinder, Kranke und unbegleitete Jugendliche aus humanitären Gründen das Schiff verlassen, aber "gesunde Männer" mussten auf Weisung des Innenministeriums an Bord bleiben.

Die Humanity 1 im Hafen von Catania. Von Bord darf jetzt niemand mehr.
Foto: REUTERS/Antonio Parrinello

Italiens Innenminister Matteo Piantedosi besteht darauf, dass die geretteten Flüchtlinge von denjenigen Staaten aufgenommen werden, unter deren Flagge die jeweiligen Schiffe fahren. Im Fall der Humanity One wäre dies Deutschland, bei der Geo Barents Norwegen.

Derweil warteten vor der Küste Siziliens nach wie vor zwei weitere private Rettungsschiffe mit Hunderten von Flüchtlingen darauf, den Hafen von Catania anlaufen zu dürfen (siehe STANDARD-Bericht vom 6. November). Den beiden Schiffen gehen allmählich der Treibstoff und die Nahrungsmittel aus.

Die Crew des deutschen Schiffs wurde angewiesen, den Hafen von Catania mit den verbleibenden 35 Geretteten wieder zu verlassen. Kapitän Joachim Ebeling weigert sich, dies zu tun: "Es ist meine Pflicht, die Rettungsaktion abzuschließen – und das wird erst der Fall sein, wenn alle Überlebenden in Catania in Sicherheit sein werden", erklärte der deutsche Kapitän. Mit dem "selektiven An-Land-Lassen" der Flüchtlinge verletze Italien sowohl internationales als auch italienisches Recht.

Die italienischen Behörden antworteten auf die Weigerung von Ebeling mit der Androhung einer Strafzahlung von 50.000 Euro. Drei Flüchtlinge auf der Humanity One sprangen am Montag in ihrer Verzweiflung vom Schiff ins Hafenbecken.

Verwaltungsgericht von Rom ist zuständig

Über den Ausgang des Nervenkriegs wird wohl das Verwaltungsgericht von Rom entscheiden müssen, das von der deutschen Hilfsorganisation SOS Humanity angerufen wurde. Innenminister Piantedosi lässt derweil keinen Zweifel daran, dass er nicht einsieht, warum Italien Flüchtlinge aufnehmen soll, die von ausländischen Schiffen in internationalen Gewässern und ohne Absprache mit den italienischen Behörden gerettet werden.

Das Seilziehen im Hafen von Catania und vor der Küste Siziliens ruft Erinnerungen an die "Politik der geschlossenen Häfen" des damaligen Innenministers Matteo Salvini in den Jahren 2018 und 2019 wach. Piantedosi war damals Salvinis Stabschef im Ministerium. Und tatsächlich wiederholt sich nun die Geschichte.

Allerdings, wie schon am Sonntag berichtet: Wirklich geschlossen waren und sind die italienischen Häfen nicht: Seit dem Amtsantritt der Regierung Meloni vor zwei Wochen hat Italien bereits über 9.000 Migranten aufgenommen, die es mit ihren Schiffen selbst nach Italien geschafft haben oder die von der italienischen Küstenwache gerettet worden sind. Also etwa durchschnittlich rund 650 pro Tag. Die Schikanen betreffen nur die privaten, ausländischen Rettungsschiffe. (Dominik Straub aus Rom, 7.11.2022)