Stolpern über ihre Nähe zur Politik: "Presse"-Chefredakteur und Herausgeber Rainer Nowak (links) und ORF-2-Chefredakteur Matthias Schrom. Die Styria und der ORF prüfen nach bekanntgewordenen Chats mit Thomas Schmid bzw. Heinz-Christian Strache, ob Nowak und Schrom in ihre Funktionen zurückkehren können.

Es waren zwar unterschiedliche Chats, aber die Konsequenzen sind ähnlich: Rainer Nowak stellt seine Funktionen als Chefredakteur und Herausgeber der Tageszeitung Die Presse bis auf weiteres ruhend. Er bleibt aber Geschäftsführer des Mediums. Das teilte die Styria Media Group AG am Montag um 10 Uhr mit. Fast zeitgleich gab auch der ORF bekannt, dass ORF-News-TV-Chefredakteur Matthias Schrom "ab sofort" seinen Urlaub antreten werde.

Die Ibiza-Affäre hat nun auch die österreichische Medienbranche voll erfasst: Die Ermittlungen der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) bringen jetzt auch eine Auszeit für zwei Chefredakteure, die über ihre Nähe zur Politik stolpern. Sowohl die Styria als auch der ORF kündigen eine Prüfung der Causen an.

Dass Nowak in seine Funktionen zurückkehrt, scheint unwahrscheinlich. Bei der Redakteursversammlung der Presse soll die Empörung groß gewesen sein. Tenor: Wie kommt die Redaktion dazu, dass das auf sie abfärbt. Nowak war nicht anwesend. Die Styria betraut vorerst Florian Asamer, stellvertretender Chefredakteur der Presse, mit der Redaktionsleitung. Auf dem offiziellen Twitter-Account der Presse tat der Redaktionsausschuss jedenfalls seinen Unmut kund und sprach von "schweren Irritationen".

Tipps für Schmid

Der Grund sind Chatverläufe, die sich auf dem Handy des damaligen Generalsekretärs im Finanzministerium und auch späteren Öbag-Chefs Thomas Schmid finden. Wie DER STANDARD berichtete, dokumentieren die Protokolle, wie sich Nowak etwa Hoffnungen auf die ORF-Führung gemacht hatte und sich für seine Ambitionen Hilfe von Schmid erwartete. Schmid wiederum ärgerte sich über kritische Presse-Berichte. Nowak hat Schmid auch einen Tipp gegeben, wie er auf eine Anfrage aus der Presse reagieren solle.

Sollte Nowak die Funktionen als Chefredakteur und Herausgeber aufgeben – wer würde künftig die Redaktion führen? Intern wird etwa Christian Ultsch genannt, der die Presse am Sonntag und das Außenpolitikressort leitet; ebenso Oliver Pink, Ressortleiter Inland. Schon bevor am Sonntag Hubert Patterers Leitartikel erschien, kursierte auch der Chefredakteur der Kleinen Zeitung, ebenfalls Styria, als Möglichkeit in der Presse-Redaktion. Der Kommentar mit der ersten Ankündigung, Nowak werde sich "seiner Verantwortung stellen", wird in der Presse von manchen als Bewerbungsschreiben interpretiert – was Patterer auf Anfrage entrüstet zurückweist.

Schrom mit Strache

Im Bericht der WKStA zu Rainer Nowak finden sich auch Chatprotokolle Heinz-Christian Straches – und darunter auch eine Kommunikation vom 14. Februar 2019 mit ORF-News-TV-Chefredakteur Matthias Schrom. Kurz vor Mitternacht beschwert sich Strache über die ZiB 24 dieses Tages bei Schrom. "Das ist natürlich unmöglich", schreibt Schrom dem FPÖ-Chef und Vizekanzler zurück. Aber: "Du weißt, ich bin ja nur für ORF 2 zuständig. ORF 1 (das noch viel linker ist) gehört ja Lisa Totzauer (und Wolfgang Geier)." Thema sind auch blaue Personalwünsche und Inhalte von ORF 2, über deren Redaktion Schrom schreibt: "Es ist schon bei uns genug zu tun und jeden Tag mühsam, aber langsam wird’s, und die, die glauben, die SPÖ retten zu müssen, werden weniger."

ORF-Generaldirektor Roland Weißmann ersucht den ORF-Ethikrat, den Sachverhalt zu prüfen. Die Optik der Chats sei "verheerend". Noch weiter geht der ORF-Redakteursrat. Derartiges Verhalten sei "völlig inakzeptabel" und verursache einen "massiven Schaden" für den ORF. Der Redaktionsrat fordert die Geschäftsführung auf, "deutliche Konsequenzen zu ziehen".

Kein "Blauer"

Warum sich Schrom Strache gegenüber derart geäußert hat, erklären manche in Reihen des ORF mit Opportunismus. Zu dem Zeitpunkt im Februar 2019, als er so eilfertig und fraternisierend Strache gegenüber formulierte, musste der Chefredakteur damit rechnen, dass die rechtskonservative Regierung aus ÖVP und FPÖ eher länger regieren würde. Ein "Blauer" sei er sicher nicht, sagt eine Person aus dem ORF-Kosmos zum STANDARD, die Schrom seit Jahren kennt.

Bei der Redaktionssitzung am Montag sei Schrom geknickt aufgetreten. Mehrmals habe er betont, wie leid ihm alles tue. "Er wirkte wie ein kleiner Bub, dem man draufgekommen ist", sagt jemand, der dabei war.

ORF im Dilemma

Schroms Beurlaubung könnte sich bald in einen Abgang verwandeln. Denn schon am Donnerstag steht eine Redaktionsversammlung an. Dann dürfte eine – für den ORF-Chef nicht bindende – Vertrauensabstimmung über Schrom abgehalten werden. Außer Schrom kommt dem zuvor und tritt aus eigenen Stücken ab. Am Montag wirkt er so, als ob er auf seinem Posten beharrt, er fühle sich zu jung für die Arbeitslosigkeit, hieß es.

Solle er das nicht tun, befände sich der ORF im Dilemma: Entzieht ihm die Redaktion das Vertrauen, fühlten sich diejenigen Kritiker bestätigt, die seit Jahren das Vorurteil von einem "Rotfunk" wie eine Monstranz vor sich hertragen. Sollte Schrom bleiben, würde der Eindruck verstärkt, im öffentlich-rechtlichen Sender würde Regierungskumpanei folgenlos bleiben. Von einer "Lose-lose-Situation" für den ORF spricht eine Mitarbeiterin.

Schrom und Strache wollten sich dem STANDARD gegenüber nicht äußern. (Harald Fidler, Oliver Das Gupta, Oliver Mark, 7.11.2022)