Eine Rekonstruktion des prähistorischen Tirolers.
Foto: Südtiroler Archäologiemuseum/Ochsenreiter

Jetzt ist schon wieder etwas passiert in der Ötzi-Forschung: Die bestuntersuchte Leiche der Welt wurde neu bewertet. Dabei müssen ursprüngliche Annahmen zur Konservierung der Südtiroler Gletschermumie verworfen werden, schreibt ein Forschungsteam unter Beteiligung der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW).

Der 5300 Jahre alte "Mann aus dem Eis", wie die offizielle Bezeichnung laut Beschluss der Südtiroler Landesregierung lautet, wurde demnach nicht permanent gefriergetrocknet. Stattdessen taute er in den ersten 1500 Jahren nach dem tödlichen Pfeiltreffer immer wieder auf und wurde wieder vereist. Seine Konservierungsumstände sind damit nicht so speziell wie lange angenommen. Das kratzt kaum am Image des coolen Tirolers, aber es erhöht die Wahrscheinlichkeit weiterer spektakulärer Funde aus dem nicht ganz so ewigen Eis.

Zudem rührten einige Schäden an den beiliegenden Artefakten nicht wie bisher vermutet von einem Kampf her. Die Objekte waren vielmehr dem dauerhaften Druck des Eises nicht gewachsen.

Tätowierter "Frozen Fritz"

Die Erkenntnisse ergänzen eine Fülle an Informationen über die Eismumie. Ötzi wurde in seiner fünften Lebensdekade getötet und hatte kurz zuvor Steinbock- und Hirschfleisch verzehrt. Gesundheitlich sorgten Arthritis, Wurmparasiten und von Zecken übertragene Borrelien für Probleme. Mit dem Fortschritt der Untersuchungsmethoden ließ sich auch das Genom der Eismumie analysieren. Es weist nicht nur auf Laktoseintoleranz hin, sondern auch auf Ötzis Vorfahren. Diese migrierten in der Jungsteinzeit von Osten nach Europa.

Studienobjekt Nummer eins: Ötzi.
Foto: Südtiroler Archäologiemuseum/EURAC/Samadelli/Staschitz

Noch 31 Jahre nach seiner Entdeckung ist der prähistorische Tiroler Eismann ein Faszinosum, nicht nur für Fachleute. Brad Pitt ließ sich die Silhouette des "Frozen Fritz" sogar unter die Haut stechen. Womöglich war er sich der Metaebene bewusst: Ötzi zählt zu den ältesten Tätowierten der Menschheitsgeschichte.

Für Aufregung sorgt zudem ein gewisses Naheverhältnis zu einer Persönlichkeit, gegen die aktuell die österreichische WKStA ermittelt (Unschuldsvermutung!). Immerhin will Immobilieninvestor René Benko den Eismann in einem futuristischen Komplex am Bozner Hausberg unterbringen. Ob Ötzi daher bald aus einer Glaskuppel auf die klimawandelveränderte Landschaft blickt und sich angesichts von Hitzewellen über wohltemperierte minus sechs Grad Celsius freuen kann, wird sich in den kommenden Jahren zeigen. (Julia Sica, 8.11.2022)