Im Gastkommentar treten der österreichische Außenminister Alexander Schallenberg und die OSZE-Beauftragte für Medienfreiheit, Teresa Ribeiro, dafür ein, die Sicherheit von Journalistinnen und Journalisten zu schützen.

Trauerfeier für den in der Ukraine getöteten französischen Journalisten Frédéric Leclerc-Imhoff.
Foto: Imago Images / Federico Pestellini

Wenn unabhängige Journalistinnen und Journalisten über den russischen Angriffskrieg in der Ukraine berichten, zeigen sie dessen brutale Realität. Sie zeigen die Barbarei, die Grausamkeit und die humanitären Tragödien, die ihn unweigerlich begleiten. Sie sorgen dafür, dass detaillierte und faktenbasierte Berichterstattung über die Entwicklungen vor Ort die Zuseherschaft erreicht, und tragen dazu bei, Beweise für Kriegsverbrechen zu sammeln, die für künftige Prozesse benötigt werden.

Dafür zahlen sie oft einen hohen – manchmal sogar den höchsten – Preis. Am 19. September wurde die 54-jährige ukrainische Journalistin Zhanna Kyseliowa aus ihrem Haus in der Stadt Kachowka entführt. Am 30. Mai wurde der 32-jährige französische Journalist Frédéric Leclerc-Imhoff getötet, als er mit einem humanitären Transport von flüchtenden Zivilistinnen und Zivilisten unterwegs war. Zwei Wochen zuvor wurde Oleksii Worontsow, ein Ingenieur des öffentlichen Fernsehsenders UA: Cherson, entführt. Mitte März wurden der Fox-News-Kameramann Pierre Zakrzewski und seine ukrainische Kollegin und Journalistin Oleksandra Kuwschynowa getötet, als ihr Fahrzeug unter Beschuss geriet. Etwa zur gleichen Zeit wurde der ukrainische Fotojournalist Maks Levin als vermisst gemeldet und später in der Nähe von Kiew tot aufgefunden.

Weltweit unter Druck

Seit Russland im Februar seinen Angriffskrieg auf die Ukraine begonnen hat, wurden mindestens acht Journalistinnen und Journalisten und andere Medienschaffende bei der Ausübung ihrer Tätigkeit getötet. Viele weitere wurden verwundet, entführt und misshandelt.

Krieg ist eine Extremsituation. Aber auch bei der Berichterstattung aus einem friedlichen Umfeld können Journalistinnen und Journalisten nicht darauf zählen, dass ihre Sicherheit gewährleistet ist. Viele Journalistinnen und Journalisten üben ihre Arbeit in ständiger Angst vor Drohungen und Angriffen aus. Lassen Sie sich als Leserinnen und Leser nicht täuschen: Die akute Bedrohung von Medienschaffenden ist kein Problem, das sich weit entfernt von unseren Breiten abspielt. Weltweit, auch in der Region der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE), ist die Sicherheit von Medienschaffenden einem ständigen und wachsenden Druck ausgesetzt.

"Wenn Journalistinnen und Journalisten bedroht sind, ist es auch unsere Gesellschaft als Ganzes."

Journalistinnen und Journalisten sind online und offline einer Flut von Gefahren ausgesetzt: Bedrohungen, Überwachungen, Einschüchterungen, körperlichen Bedrohungen sowie Inhaftierungen. Besorgniserregend ist, dass weibliche Journalisten zunehmend zur Zielscheibe werden – sowohl in ihrer Eigenschaft als Journalistinnen als auch als Opfer sexueller und geschlechtsspezifischer Gewalt, insbesondere im Internet.

Wenn Journalistinnen und Journalisten bedroht sind, ist es auch unsere Gesellschaft als Ganzes. Wenn diejenigen, die Fakten liefern, um die Bürgerinnen und Bürger zu informieren, angegriffen werden, steht das Fundament freier Gesellschaften auf dem Spiel. Freie, unabhängige und pluralistische Medien sind für die Demokratie ebenso notwendig wie Wahlen, Parlamente und unabhängige Richterinnen und Richter.

Mehr Aufmerksamkeit, mehr Unterstützung

Die Pandemie hat gezeigt, wie wichtig verlässliche Informationen sind. Jede wichtige Regierungspolitik braucht in einer Demokratie zumindest ein gewisses Maß an öffentlicher Unterstützung. Gleichzeitig schürte die Pandemie ein tiefes Misstrauen gegenüber Journalistinnen und Journalisten. Demonstrantinnen und Demonstranten, Online-Trolle und opportunistische politische Akteure schürten Gewalt gegen die verhassten "Mainstream-Medien" oder das, was sie als Urheber von "Fake-News" wahrnahmen.

Wir müssen diesen Trend umkehren. Das Schicksal unserer Demokratien hängt davon ab, dass Journalistinnen und Journalisten sich frei äußern und sicher arbeiten können. Dies zu gewährleisten ist keine leichte Aufgabe, und Regierungen und internationale Organisationen können dies nicht allein leisten. Ein umfassender gesellschaftlicher Wandel erfordert konzertierte Anstrengungen auf allen gesellschaftlichen Ebenen. Auch wenn dies zweifellos schwer zu realisieren ist, müssen wir damit beginnen, mehr Aufmerksamkeit auf das Thema zu lenken und die Unterstützung für die Initiativen, die diese wichtige Arbeit vorantreiben, verstärken.

Unzählige Interventionen

Vor zehn Jahren haben die Vereinten Nationen den Aktionsplan für die Sicherheit von Journalisten und zur Frage der Straflosigkeit gebilligt, die erste weltweit konzertierte Aktion zur Schaffung eines freien und sicheren Umfelds für Medienschaffende. Es ist an der Zeit, neue und aufkommende Herausforderungen zu diskutieren und neue Impulse zu geben – wie jüngst bei einer hochrangigen Konferenz in Wien. Deren Ziel war es, das internationale Engagement für die Sicherheit von Journalistinnen und Journalisten zu bekräftigen und eine Plattform zu schaffen, um die Ziele des Plans voranzutreiben.

Vor 25 Jahren hat die OSZE das Mandat des Beauftragten für die Freiheit der Medien (Representative on Freedom of the Media, RFoM) eingerichtet. Die Teilnehmerstaaten erkannten die Notwendigkeit einer unabhängigen Kontrollinstanz, die sie bei der Verwirklichung einer echten Medienfreiheit überwacht und unterstützt. Seither hat der RFoM den wichtigen Beitrag der Medienfreiheit zur Sicherheit entschlossen verteidigt. Unzählige Interventionen wurden gesetzt, wo Journalistinnen und Journalisten wegen ihrer Arbeit angegriffen wurden, der Medienpluralismus eingeschränkt, die investigative Berichterstattung behindert oder die Meinungsfreiheit kriminalisiert wurde. Viele Gesetze wurden verbessert, und es wurden zahlreiche Schutzmechanismen eingerichtet.

Angriffe dokumentieren

Solche Bemühungen werden in den kommenden Jahren mehr denn je erforderlich sein. Um den wachsenden Bedrohungen der Medienfreiheit und der Sicherheit von Journalistinnen und Journalisten zu begegnen, müssen die Vertreterinnen und Vertreter von Staaten und internationalen Organisationen ihre Kräfte bündeln und die Ergebnisse der hochrangigen Konferenz in Wien umsetzen. Wir müssen unsere Gesetze zum Schutz von Journalistinnen und Journalisten überarbeiten und Angreiferinnen und Angreifer vor Gericht bringen. Wir brauchen auch eine systematischere Berichterstattung über Angriffe auf Journalistinnen und Journalisten, um Medienfreiheit zu gewährleisten. Nur wenn wir Journalistinnen und Journalisten schützen, können wir die Pressefreiheit – und unsere Demokratien – schützen. (Alexander Schallenberg, Teresa Ribeiro, Übersetzung: Andreas Hubig, Copyright: Project Syndicate, 7.11.2022)