Auch der Name der steirischen Landeshauptstadt stammt aus dem Slawischen. Graz heißt "zur kleinen Burg".

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"Die slawische Steiermark klingt heute, wenn das österreichische Bundesland gemeint ist, etwas befremdend, fast provokant", formulierte es der Grazer Sprachwissenschafter Manfred Trummer vor Jahren in einem Symposiumsvortrag an der Grazer Universität. An seinem Befund aus dem Jahr 1996 hat sich im Grunde bis heute wenig verändert.

Und dennoch: Das slawische Erbe, wie es in den Namen der Familien und der Geografie des Bundeslandes weitergetragen wird, ist nach wie vor ein Grundelement der steirischen DNA. Wenn auch mittlerweile in der öffentlichen Wahrnehmung allein der "steirische Brauch" vorherrscht.

Bis 1918 sei die Steiermark noch "ein teilslawisches Land und Graz eine teilslawische Hauptstadt" gewesen. Dann aber, "nach der Abtrennung der slowenischen Untersteiermark, zog man einen Schlussstrich unter alles Slawische, konnotierte es negativ mit ‚fremd‘ und ‚feindlich‘ und verdrängte jeden Bezug zur Steiermark", notierte Trummer.

Diese Verdrängung geschah in der Öffentlichkeit, in der Politik, in der Schule, und sie erfolgte auch in der fachwissenschaftlichen Disziplin. Die Nazis taten das Ihre dazu, das "Deutsche" in der Steiermark hochzuhalten.

Politischer Streit

In den 2000er-Jahren flackerte kurz ein politischer Streit darüber auf, ob es denn überhaupt so etwa gebe wie eine slowenische Minderheit in der Steiermark. In den Grenzregionen spricht man ja nach wie vor – meist verstohlen – Slowenisch. Vor allem in den Reihen der ÖVP verstand man sich auf eine starke Abgrenzung.

Noch 1995 sagte ein führender ÖVP-Landespolitiker über die steirischen Slowenen: "Das ist keine Minderheit, das ist gar nix."

Aber es bewegte sich langsam etwas – auch in der ÖVP. Der heutige Landeshauptmann Christopher Drexler erklärte, als er noch junger Klubobmann im Landesparlament war, auf die Frage, ob ihn zweisprachige Ortstafeln stören würden? "Ich persönlich sehe jede mehrsprachige Ortstafel als Bereicherung." Zweisprachige Ortstafeln gibt es in der Steiermark allerdings bis heute nicht.

"Die steirischen Slowenen waren auch für die SPÖ ein sehr kontroversielles Thema", erinnerte sich der ehemalige SPÖ-Landesgeschäftsführer Anton Vukan. Er wuchs als Sohn ausgewanderter Slowenen an der Grenze auf. "Im Grenzgebiet war der Antislawismus am stärksten." Seine zweisprachigen Eltern brachten ihren Kindern deswegen Deutsch bei, damit diese, wie er sich erinnerte, "nicht als Slowenen auffielen".

Aber der historische Background war nie wegzudenken. Ein Blick auf die Namensgebungen der Steiermark, auf die Gewässer, Berge und Familiennamen lässt erkennen, wie tief die slawische Sprachkultur in der steirischen Kulturlandschaft verwurzelt ist.

Von Klasnic bis Donawitz

Auch der Forschungsbereich Plurilingualismus an der Grazer Universität hat dazu eine Unmenge an sprachlichen Spuren offengelegt und dokumentiert: Im Ausseerland, im Ennstal, am oberen Lauf der Mur, im Aflenzer Becken, im Mürzgebiet und im Süden der heutigen Steiermark treffen wir – so der Befund – gehäuft auf slawischen Namen.

Die Feistritz etwa entspricht dem slawischen "Bistrica", was so viel wie Waldbach, Gebirgsbach, Fluss mit klarem Wasser bedeutet und sich vom slawischen "bister" (schnell, reißend, hell, klar, durchsichtig) herleitet.

Der Grimming wiederum, im 14. Jahrhundert als Grima und Grimig erwähnt, geht aufs slawische "grmeti" (donnern, tosen, dröhnen) zurück und ist gleichbedeutend mit dem in der Nähe befindlichen Donnersbach. Oder etwa der Toplitzsee, er geht auf "toplica" (warme Quelle) zurück.

Die Kleinalpe wiederum hat nichts mit klein zu tun, sondern folgt aufgrund der Bodenbeschaffenheit dem slawischen "glina" (Lehm, Ton). Und Phyrn, bekannt durch den Pass nordöstlich von Liezen, lässt sich auf das slawische "brdine" (Anhöhe, Hügel) zurückführen. Admont, der Ort des bekannten Stifts, bereits im neunten Jahrhundert erwähnt, geht auf "odmot" (tiefe Stelle, Wasserstrudel) zurück.

Auch Donawitz, Gamlitz, Leibnitz oder Schladming, Seckau finden ihre Namenswurzeln im Slawischen wie auch zahlreiche Flüsse und Bäche und Namen (z. B. Klasnic, Korosec). Und schließlich: Auch die Landeshauptstadt Graz hat eine recht eindeutige historische Sprachwurzel. Graz leitet sich von "Gradec" (kleine Burg) ab.

Nichts vergeht

"Es vergeht fast nichts wirklich, vieles bleibt bestehen, entwickelt sich hybrid weiter, und die Sprache reflektiert das Anwesende. Bevölkerungsgruppen sind Teil des Alltags von neu Gekommenen, die das Übernommene integrieren und an Nachfolgende weitergeben. Die dadurch entstehende Vielfalt ist Normalität menschlichen Lebens", sagt der Grazer Soziolinguist Dieter Halwachs.

In diesem "permanenten Prozess soziokultureller Weitergabe und Hybridisierung in neue Vielfalten ist es die Ortsnamenkunde, die über historische Vorgänge der frühen Besiedlung eines Gebiets informiert, wenn sonst keine anderen schriftlichen Quellen zur Verfügung stehen". Die von Fritz Lochner von Hüttenbach an die 7.000 bearbeiteten steirischen Ortsnamen seien von Forschungsbereich Plurilingualismus am "Treffpunkt Sprachen" in den vergangenen Jahren aufbereitet worden.

Derzeit werde deren Übernahme in den steirischen Schulatlas vorbereitet. "Damit ergibt sich die Möglichkeit, die steirische Vielfalt im Unterrichtsalltag zu verankern und vielleicht einen Beitrag zu leisten, dass das slawische Erbe der Steiermark künftig auch den öffentlichen Alltag prägt; vielleicht sogar in Form mehrsprachiger öffentlicher Beschilderungen", sagt Dieter Halwachs. (Walter Müller, 8.11.2022)