215 Migranten mussten an Bord der Geo Barents bleiben, nachdem vor allem Frauen und Minderjährige das Schiff verlassen durften.

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Rom – Das deutsche Rettungsschiff Rise Above mit 89 Menschen an Bord ist im Hafen der süditalienischen Stadt Reggio Calabria eingetroffen. Alle Flüchtlinge an Bord des von der deutschen Hilfsorganisation Mission Lifeline betriebenen Schiffes dürfen an Land gehen, teilten die italienischen Behörden mit. An Bord befinden sich 55 Erwachsene und 34 Minderjährige.

Das Schiff war seit mehreren Tagen unweit von Sizilien unterwegs. Da sich an der Rettungsaktion auch Einheiten der italienischen Küstenwache beteiligt hatten, dürfen alle Menschen an Bord der Rise Above an Land gehen. Die italienische Regierung hatte am Freitag eine Verordnung erlassen, wonach nur Frauen, Kinder und besonders Schutzbedürftige die Rettungsschiffe von NGOs verlassen dürfen.

SOS Humanity drohen 50.000 Euro Strafe

Die neue italienische Regierung wies Kritik von humanitären Helfern an ihrer Entscheidung, nur einen Teil der Migranten an Land zu lassen, zurück. Die Regierung handle "mit Menschlichkeit", halte aber zugleich klar an ihren Prinzipien fest, sagte Innenminister Matteo Piantedosi am Montag.

Inzwischen bleibt die Lage im Hafen Catania gespannt. Der Crew des deutschen Schiffs Humanity 1 wurde bisher verboten, die letzten 35 von knapp 180 Geretteten an Land zu bringen. Da sich das Schiff weigerte, den Hafen zu verlassen, droht der deutschen NGO SOS Humanity eine Strafe von 50.000 Euro. Viele werten das als Schikane der rechten Regierung, um Mittelmeermigranten fernzuhalten.

Hautkrankheiten und psychologischer Stress

Die Lage an Bord werde immer schwieriger – ebenso wie auf dem Schiff Geo Barents der Organisation Ärzte ohne Grenzen, das ebenfalls in Catania angetaut ist und von dem am Montag bereits drei Migranten ins Meer gesprungen waren, um an Land zu schwimmen. Zunächst durften laut Behördenangaben 357 Personen das Schiff verlassen, vor allem Frauen und Minderjährige. An Bord blieben 215. Was mit ihnen geschehen soll, ist zunächst unklar.

Viele der an Bord Ausharrenden leiden laut Ärzte ohne Grenzen an infektiösen Hautkrankheiten und unter psychischem Stress. Die Möglichkeiten zur Behandlung der Erkrankten auf dem Schiff seien begrenzt.

Boot vor tunesischer Küste gesunken

Indes ist am Dienstag ein Boot mit etwa 15 Migranten an Bord, die versuchten, das Mittelmeer nach Italien zu überqueren, vor der tunesischen Küste gesunken. Dies berichteten italienische Medien. Neun Menschen wurden gerettet, während die Suche nach den sechs Vermissten noch im Gange sei.

Das spanische Rettungsschiff Aita Mari hat inzwischen angesichts des Verbots für NGO-Schiffe, in italienischen Häfen einzulaufen, seine Rettungsaktion im zentralen Mittelmeer vorübergehend abgesagt, kündigte die baskische Nichtregierungsorganisation Salvamento Maritimo Humanitario an. Dieser Beschluss wurde von Verkehrsminister und Vizepremier Matteo Salvini begrüßt. "Italien wird sich nicht zum Komplizen des Menschenhandels machen", kommentierte er.

Die italienische Bischofskonferenz kritisierte den Beschluss der Regierung, nur Frauen und Kinder an Land zu lassen. "Wir dürfen auf keinen Fall zulassen, dass unsere Brüder und Schwestern, die vor Hunger und Krieg fliehen, wieder einmal als Abfall, als Restfracht und nicht als Menschen behandelt werden", sagte der Vizepräsident der Bischofskonferenz, Francesco Savino, am Dienstag. (APA, 8.11.2022)