Innenminister Gerhard Karner (ÖVP) präsentierte die Eckpunkte des Gesetzes.

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Wien – Nach rund einem Jahr haben Innenminister Gerhard Karner, Verteidigungsministerin Klaudia Tanner (beide ÖVP) und Gesundheitsminister Johannes Rauch (Grüne) das neue Krisensicherheitsgesetz am Dienstag präsentiert. Zusätzlich werden das Verfassungsgesetz, das Wehrgesetz und das Meldegesetz geändert. Kernpunkte des siebenseitigen Krisensicherheitsgesetzes sind die Definition von Krise, die Errichtung eines Lagezentrums, die Bestellung eines Krisenkoordinators und die Koordination zwischen allen Akteuren.

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"Gut Ding braucht Weile", sagte Karner. Die Regierung habe länger für das Gesetz gebraucht, weil sich mit dem Krieg in der Ukraine einiges geändert habe und neue Aspekte wie die umfassende Landesverteidigung eingebaut werden mussten, erklärte Tanner. Angesicht von Pandemie, Terror, hybrider Kriegsführung und Blackout-Gefahr sei die Gesellschaft mit immer mehr Krisen konfrontiert. "Krisen werden häufiger, vielfältiger und herausfordernder, und sie brauchen klare Antworten", sagte Karner.

Lagezentrum für 50 Millionen

Die Kosten für das Gesetz sind im Großen und Ganzen die Baukosten für das Lagezentrum in Höhe von rund 50 Millionen Euro. "Es ist im Wesentlichen ein Koordinationsgesetz" und greife nicht in die Kompetenzen der Ministerien ein, sagte Karner.

Das Bundeslagezentrum werde auf Dauer ein ständiges Monitoring der Entwicklung in zentralen Bereichen wie Sicherheit, Gesundheit oder Energie betreiben und im Krisenfall das Management und damit die Koordinierung der Zusammenarbeit zwischen allen Akteuren übernehmen. Um die Kommunikation mit der Bevölkerung sicherzustellen, werde dort auch ein Medienzentrum errichtet, erläuterte Karner. Das Gesetz solle aber nicht nur die Krisenbewältigung sicherstellen, sondern auch die Krisenvorsorge.

Ein zentrales Ziel ist, mit rechtlichen Klarstellungen die Zusammenarbeit der verschiedenen Akteure auf Bundesebene zu verbessern. So soll erstmals eine einheitliche Definition des Krisenfalls auf Bundesebene und der damit verbundenen Gremien und Prozesse definiert werden.

Was ist eine Krise?

Ein Regierungskoordinator für Krisenvorsorge im Bundeskanzleramt soll die bestmögliche Vorbereitung auf verschiedene Krisenszenarien sicherstellen. Aufgrund des Angriffskriegs Russlands gegen die Ukraine wird auch erstmals ein im Kanzleramt angesiedelter Koordinator der Nachrichtendienste installiert.

Die Definition von Krise lautet wie folgt: "Droht unmittelbar oder entsteht ein Ereignis, eine Entwicklung oder sonstige Umstände in Bereichen, in denen dem Bund die Gesetzgebung und Vollziehung zukommt, eine Gefahr außergewöhnlichen Ausmaßes für das Leben und die Gesundheit der Allgemeinheit, die öffentliche Ordnung und Sicherheit im Inneren, die nationale Sicherheit, die Umwelt oder das wirtschaftliche Wohl, deren Abwehr oder Bewältigung die unverzügliche Anordnung, Durchführung und Koordination von Maßnahmen im Zuständigkeitsbereich des Bundes dringend erforderlich macht, liegt eine Krise vor. Unberührt davon bleiben die Fälle der militärischen Landesverteidigung."

Das Gesetz ermächtigt die Regierung, im Einvernehmen mit dem Hauptausschuss des Nationalrates durch Verordnung das Vorliegen einer Krise festzustellen.

Tanner: Autarkie wird weiter ausgebaut

"Eine adäquate Antwort" auf die multiplen Krisen unserer Zeit "ist unabdingbar", sagte Tanner. Die Anforderungen an die Akteure würden größer, "das sicherheitspolitische Umfeld verschlechtert sich zunehmend". Mit dem Gesetz habe man nun "erstmals auf Bundesebene ein gesetzliches Regelwerk zur Krisenvorsorge und Krisenbewältigung" geschafft. "Ich bin der Meinung, dass es ein Meilenstein ist." Für das Bundesheer bedeute das Gesetz der weitere Ausbau der Autarkie, damit das Militär im Krisenfall "systemrelevante Güter" verteilen und Blaulichtorganisationen versorgen könne. "Wir werden unsere Bemühungen im Bereich Autarkie weiter verstärken und ausbauen", so Tanner.

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Das Gesetz sei der rechtliche Rahmen für die gute Zusammenarbeit, ergänzte Rauch. Und es sieht im Gesundheitsbereich einen Ausbau der Lagerhaltung für Gesundheitsprodukte vor. Das wolle man auf neue Beine stellen, um in Zukunft sicherer und resilienter zu sein, so Rauch.

Zuständigkeiten geklärt

Zudem soll das Gesetz eine effiziente Kooperation und gemeinsame Arbeit zwischen Bund, Ländern, Gemeinden und NGOs sicherstellen. So sind im Kapitel "Krisen- und Katastrophenschutz" rechtliche Klarstellungen im Hinblick auf Zuständigkeiten, Befugnisse und Informationsübermittlungen, die Erhöhung der gesamtstaatlichen Resilienz sowie die Verbesserung der Möglichkeiten des Bundesheers bei nichtmilitärischen Krisen sowie das Treffen frühzeitiger Vorsorgemaßnahmen vorgesehen.

Nach der heutigen Präsentation erfolgt nun eine sechswöchige Begutachtung. Das Inkrafttreten und der Baubeginn des Lagezentrums sind für Mitte 2023 vorgesehen. Der Bau werde rund zwei Jahre dauern, sagte Karner.

Krisenmanagement von 1986

Das derzeitige Krisenmanagement stammt aus dem Jahr 1986. Damals wurde nach der Reaktorkatastrophe von Tschernobyl ein staatliches Krisenmanagement beim Bundeskanzleramt eingerichtet. Seit Mai 2003 – nach dem Jahrhunderthochwasser – obliegen die Koordination des staatlichen Krisen- und Katastrophenschutzmanagements (SKKM) und die internationale Katastrophenhilfe dem Innenministerium.

Die Änderungen im Meldegesetz sollen sicherstellen, dass in Krisenfällen eine Verknüpfungsanfrage im Zentralen Melderegister möglich ist. Damit kann nicht nur nach einem Namen gesucht werden, sondern auch nach anderen Kriterien. (APA, 8.11.2022)