Bürgermeisterin Elke Kahr soll sich am Dienstagnachmittag zum Budgetthema äußern.

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Graz – Der Grazer Stadtrechnungshof warnt laut steirischen Medien vor einer Zahlungsunfähigkeit der Landeshauptstadt. Trifft das ein, könnte die Einsetzung eines Regierungskommissärs folgen. Eine Stellungnahme von Bürgermeisterin Elke Kahr (KPÖ) wurde am Dienstagnachmittag erwartet, hieß es aus dem Rathaus auf APA-Anfrage.

Der Neos-Kontrollausschussvorsitzende Philipp Pointner sah die Stadtregierung "auf den unverantwortlichen Spuren" des früheren Bürgermeisters Siegfried Nagl (ÖVP) wandeln: "Statt wirklich ein mutiges Sanierungskonzept vorzulegen, bleibt die Stadtregierung seit ihrem Antritt apathisch. Es braucht endlich einen ehrlichen Kassasturz." Die Neos hätten bereits im Sommer mehrfach auf die Liquiditätsprobleme und die mangelnde Mittelfristplanung hingewiesen. Man fordere ein Sondersitzung des Gemeinderats, sagte Pointner.

FPÖ fordert Budgetgipfel

Der aus der FPÖ ausgeschlossene "(Korruptions-)Freie Gemeinderatsklub" riet am Dienstag, externe Experten zur Bewältigung der Krise zu holen und die Genese der Schuldenentwicklung aufzuarbeiten. FPÖ-Stadträtin Claudia Schönbacher sprach sich für eine Sondersitzung des Gemeinderats aus. Klubobmann Alexis Pascuttini sah den Ruf der Stadt "massiv beschädigt" und kritisierte Finanzdirektor Stefan Tschikof.

Für die FPÖ – durch Parteiausschlüsse und eine Finanzaffäre geschwächt – kritisierte der einzige im Gemeinderat übrige Mandatar Hermann Wagner: "Der zuständige KPÖ-Finanzstadtrat Manfred Eber und der schwarze Ex-Finanzstadtrat Günter Riegler üben sich derzeit in gegenseitigen Schuldzuweisungen." Es brauche fünf Sofortmaßnahmen, nämlich die sofortige Einleitung einer Prüfung des Landes sowie einen Budgetgipfel unter Beteiligung des Stadt- und Landesrechnungshofs sowie von Vertretern aus Gemeinderat und Landtag.

Zudem forderte Wagner die Einsetzung eines längerfristig agierenden Budgetkonsolidierungsteams mit externen Experten und Vertretern des Stadt- und Landesrechnungshofs. Außerdem sollten alle Förderungsmaßnahmen durchforstet und sämtliche Projekte evaluiert werden.

Schwentner: Erbe von Schwarz-Blau

Vizebürgermeisterin Judith Schwentner (Grüne) – in Gemeinderatskoalition mit KPÖ und SPÖ – reagierte gegen Mittag schriftlich: "Die Stadt ist konfrontiert mit einem massiven Schuldenberg als Erbe der schwarz-blauen Koalition: Die Pro-Kopf-Verschuldung stieg unter Schwarz-Blau um zusätzliche 1.232 Euro von 3.561 Euro in 2017 auf 4.793 Euro im Jahr 2021. Dazu kommt die multiple weltweite Krisensituation: Krieg, Energiekosten, Inflation, etc. Das ist tatsächlich eine sehr große Herausforderung." Die politische und fachliche Gestaltung des Budgets liege bei der KPÖ. Bürgermeisterin, Finanzstadtrat und Finanzdirektion seien am Zug.

Auf die dringliche Vorlage einer Mittelfristplanung hätten die Grünen mehrfach hingewiesen. Man habe von den Verantwortlichen ein Maßnahmenpaket gefordert, um die finanzielle Handlungsfähigkeit für die derzeitige Situation zu sichern, wie Expertinnen und -Expertenrat, Optimierung in der Finanzdirektion sowie Konsolidierungsmaßnahmen im gesamten Haus Graz. "Wir sind davon überzeugt, dass die herausfordernde Budgetlage unter Einbeziehung von Expertinnen und Experten erfolgreich gemeistert werden kann", so Schwentner.

Aus Sicht des Landes war Dienstagmittag Beruhigung angesagt: Seitens der Gemeindeaufsicht sei die Auflösung des Gemeinderats und die Einsetzung eines Regierungskommissärs derzeit noch kein realistisches Szenario. Die beiden Gemeindereferenten, Landeshauptmann Christopher Drexler (ÖVP) und Landeshauptmannstellvertreter Anton Lang (SPÖ), zeigten sich allerdings besorgt über die Entwicklungen: Für Graz müssten dieselben Regeln wie für alle anderen Städte und Gemeinden in der Steiermark gelten, so Drexler und Lang.

Keine überarbeitete Planung

Die "Kleine Zeitung" vom Dienstag zitierte aus einem Schreiben von Stadtrechnungshofdirektor Hans-Georg Windhaber an die Rathauskoalition aus KPÖ, Grünen und SPÖ. Darin werde angesichts des wackeligen Doppelbudgets für 2022 und 2023 vor der Zahlungsunfähigkeit schon 2023 gewarnt. Laut "Kronen Zeitung" soll Windhaber bereits mehrmals darauf hingewiesen haben. Nach dem Budgetbeschluss im Juni sei es nun so, dass die mittelfristige Finanzplanung schon nächstes Jahr aus dem Ruder laufen könne. Die Liquidität der Stadt – einschließlich der Auszahlungen zur planmäßigen Tilgung von Darlehen – sei nicht sichergestellt, so die "Kleine Zeitung".

Anders als zugesagt hätten Finanzstadtrat Manfred Eber (KPÖ) und Finanzdirektor Tschikof weder im September noch mit Ende Oktober eine überarbeitete Planung vorgelegt, die der Gemeinderat beschließen müsste. Laut ORF Steiermark hätte eine für den Stadtrechnungshof nachvollziehbare neue Mittelfristplanung bis Ende Oktober vorgelegt werden sollen.

Eber: Riegler mitverantwortlich

Finanzstadtrat Eber, der in den vergangenen Monaten laufend von ÖVP, FPÖ und Neos kritisiert worden war, räumte ein, dass die Finanzsituation nicht rosig sei. Das treffe aber alle Kommunen, die wegen der massiven Teuerung unter Druck stünden. Über das Schreiben des Stadtrechnungshofs zeigte er sich erstaunt, denn am Mittwoch würden den Prüfern die neuen Budgetzahlen ohnehin vorgelegt. Man verhandle auch über Konsolidierungsmaßnahmen.

Eber sah eine Mitverantwortung der bis Herbst 2021 regierenden ÖVP, die mit Günter Riegler auch den Finanzstadtrat stellte. Das wies Riegler wiederum zurück, denn er habe schon seit Monaten davor gewarnt, dass sich das Budget der aktuellen Koalition unmöglich ausgehen könne. Die Zeiten seien schwierig, so Riegler laut "Kleine", aber das Krisenmanagement sei "schlichtweg schlecht". (APA, red, 8.11.2022)