Georg Pangl hat in 35 Jahren Fußball viel erlebt, die WM-Vergabe an Katar war ein negatives Highlight.

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In seinem jüngst erschienenen Buch "Mein Theater der Träume" blickt Pangl zurück (Egoth-Verlag / 24,90 Euro).

Georg Pangl hat in 35 Jahren Fußballgeschäft viel erlebt. Der ehemalige Uefa-Manager war bei den entscheidenden Sitzungen zur Terminisierung der Winter-WM in Katar als Beobachter dabei. "Dilettantisch verpasste Chancen und Argumente, die die Intelligenz jedes geradeaus denkenden Menschen beleidigen", schreibt Pangl in seinem Buch "Mein Theater der Träume".

STANDARD: Hat der Fußball mit der WM in Katar seine Seele verkauft?

Pangl: Unter Berücksichtigung aller Voraussetzungen, die für eine faire und transparente Vergabe einer WM notwendig gewesen wären, würde ich nicht Nein sagen. Man kann eine WM im arabischen Raum veranstalten. Die intransparente Vorgangsweise ist das, was zu verurteilen ist. Man kann nicht eine WM im Sommer ausschreiben und dann mit Vorwänden und Bluffs in den Winter verschieben. Es waren in erster Linie nicht medizinische Gründe ausschlaggebend, wonach es im Sommer im Katar zu heiß ist für Fußball. Es ging einmal mehr ums Geld.

STANDARD: Der europäische Fußball ist ursprünglich geschlossen gegen eine Winter-WM gewesen. Man wollte im Mai 2022 spielen. Warum ist diese Allianz im Jahr 2015 zusammengebrochen?

Pangl: Die Uefa hat die Allianz der europäischen Vereine ausgehebelt, auch im Wissen um die finanzielle Abhängigkeit durch den Weltverband. Die European Club Association (ECA) und die European Leagues (EPFL) wollten beide im Frühjahr spielen. Ich war überzeugt, dass wir einen einheitlichen, europäischen Zugang haben. Dann verdreifachte die Fifa die Abstellungsgebühren für Spieler, die zur WM fahren. Es gab 209 Millionen Euro für die Weltmeisterschaften in Russland und Katar. Termin gegen Kohle. Für den Wintertermin lassen sich die großen Vereine gut entlohnen. Das Ende der Einigkeit war für mich überraschend.

STANDARD: Was bedeutet diese Winter-WM für kleinere Vereine und Ligen, die keine Abstellungsgebühren für Spieler erhalten und wegen der WM auf attraktive Spieltermine verzichten müssen?

Pangl: Eine Premier League, die mehr fünf Milliarden Euro umsetzt, ist auf solche Gelder nicht angewiesen. Für kleinere Ligen und Vereine ist das ein großes Problem, sie haben eine elendslange Winterpause. Ich bin für Fairness, eine größere Entschädigung wäre angebracht gewesen. Und dann stellt sich ein ehemaliger Fifa-Generalsekretär (Jérôme Valcke, Anm.) hin und sagt, die ersten Spieler kommen eh schon nach der Gruppenphase der WM heim, und dann können die Ligen ja wieder spielen. Das hat, glaube ich, nicht nur meine Intelligenz beleidigt.

STANDARD: In Ihrem Buch üben Sie mehrfach Kritik am Verteilungssystem der Uefa: immer mehr für die großen Klubs, immer weniger für die kleinen. Die European Club Association (ECA) sichert eine Hierarchie ab. Gibt es auch Kräfte, die gegen dieses System arbeiten?

Pangl: Es gibt eine Gruppe von kleineren Vereinen, die das Ziel haben, eine "Union of European Clubs" (UEC) zu gründen, als Gegenpol zur ECA. Es gibt, vor allem mit Blick auf Osteuropa, mehr als 500 Klubs, die nirgends eine Stimme haben. Bei der ECA ist man natürlich zurückhaltend, noch einen Stakeholder aufzunehmen. Das jetzige System unterstützt die Mannschaften, die oben sind. Wirst du Meister, bekommst du noch mehr Startgeld für Europacupbewerbe. Es sei den Siegern vergönnt. Die Schere geht damit aber auch in den Ligen weiter auf. Wir brauchen mehr Solidarität. Der Fußball bewegt sich mit rasanter Geschwindigkeit Richtung Abgrund.

STANDARD: Sie waren 35 Jahre im Fußballgeschäft tätig. Was waren die Knackpunkte, wo der Weg des Fairplay verlassen wurde?

Pangl: Eine Weggabelung war sicher das Champions-League-Finale 2004, das ich damals auf Schalke organisiert habe. Monaco spielte gegen FC Porto, damals ging der Stern von Jose Mourinho auf. Es war das letzte Finale der Königsklasse, wo zwei vermeintlich kleinere Vereine gegeneinander gespielt haben. 2005 wurde der Kreis geschlossen, seitdem spielen immer die gleichen Mannschaften gegeneinander um den Titel, seit damals hat sich der Fußball in eine andere Richtung verändert. 2018 bekamen die großen Vereine 80 Prozent aus den Gesamteinnahmen der Europacupbewerbe (3,5 Milliarden Euro, Anm.), die Solidaritätszahlungen an die Kleinen sinken im Verhältnis seit Jahren dramatisch. 2024 wird es 36 Klubs geben in der Champions League, das ist de facto schon eine Super League. Nur mehr vier Vereine aus 45 Verbänden können es über eine äußerst schwierige Qualifikation in die Königsklasse schaffen. Das hat mit Fairness nichts mehr zu tun.

STANDARD: Die Champions League ist eine Gelddruckmaschine. Wird irgendwann ein Plafond erreicht sein?

Pangl: Momentan sehe ich kein Ende in Sicht. In 26 Jahren seit der Einführung der Champions League (1992, Anm.) haben die größten 14 Klubs Europas zusammen sieben Milliarden Euro an Preisgeld erhalten. Ab 2024 erhalten sie für die nächsten 26 Jahre mindestens 64 Milliarden Euro. Diesen Fußball, wie wir ihn schätzen und lieben gelernt haben, wird es dann nicht mehr geben.

STANDARD: Sowohl Real Madrid als auch Juventus Turin halten an Plänen für eine Super League fest, es wird vor dem Europäischen Gerichtshof prozessiert.

Pangl: Mit dieser Klage wird das gesamte System des Fußballs hinterfragt. Es gibt zwei Optionen. Nummer eins: Die Uefa lobbyiert so gut, dass die EU den europäischen Verband bestätigt. Nummer zwei: Die EU hält sich an ihre Grundverfassung und sagt, es handelt sich um eine Ausnützung eines Monopols. Im Wissen, dass man die Struktur des Sports mit einer Regierungsbehörde Uefa zerstören würde, weil eine private Vereinigung eine eigene Liga gründet. Die Folge dessen könnte leicht sein, dass sich regionale Ligen formieren, eine Donauliga etwa oder eine iberische Liga. Dann wird der nationale Fußball in dieser Form, wie wir ihn kennen, nicht mehr bestehen. Das ist aber Kaffeesudlesen. (Florian Vetter, 10.11.2022)