Die Ausgrabungsstätte befindet sich im israelischen Tel Lachish. Die Stadt war ein wichtiges Zentrum des Königreichs Juda. Zehn kanaanäische Inschriften wurden hier bisher gefunden.
Foto: Emil Aladjem

"Möge dieser Kamm die Läuse in deinem Haar und deinem Bart ausmerzen." Dieser freundliche Wunsch ist Inhalt der ältesten kanaanäischen Inschrift, die einen vollständigen Satz enthält. Der nur 3,5 mal 2,5 Zentimeter messende Kamm, der die Inschrift trägt, wurde bereits 2016 bei einer Ausgrabung gefunden. Die Schriftzeichen sind aber so fein, dass sie erst jetzt erkannt wurden. Es handelt sich um 17 Zeichen aus der ersten Phase der Entwicklung der heute verwendeten alphabetischen Schrift.

Die Ausgrabungsstätte befindet sich 44 Kilometer von Jerusalem entfernt. Tel Lachish war eine bereits in der Bronzezeit bedeutende und in der hebräischen Bibel erwähnte Siedlung, in der es bereits in den Neunzehnneunzigern intensive Grabungstätigkeiten gab. Auch ein Team der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW) gräbt dort. Erst letztes Jahr berichtete man von einer aufsehenerregenden Entdeckung. Der Fund des Kamms ereignete sich bei einer Grabung der Universität Jerusalem und der Southern-Adventist-Universität aus den USA. Die nun gefundene Inschrift ist die älteste von zehn bisher entdeckten kanaanäischen Inschriften, wie die Forschenden im "Jerusalem Journal of Archaeology" berichten.

Tatsächlich handelte es sich bei dem kleinen Kamm um ein Gerät, das nicht nur zum Frisieren gedacht war. Während eine Seite breite Zacken hatte, die sich zum Frisieren eigneten, dienten die feineren kurzen Zacken dazu, Läuse und ihre Eier zu entfernen. Der Kamm dürfte tatsächlich in Verwendung gewesen sein, wie eine fortgeschrittene Erosion der Schriftzeichen in der Mitte zeigt, wo er mit den Fingern angefasst wurde.

An den Zähnen des Kamms fanden sich noch die Chitinpanzer von Läusen. Die Lausreste fanden sich in der Lücke zwischen dem zweiten und dritten Zahn.
Foto: Dafna Gazit, Israel Antiquities Authorit

Überreste von Läusen

Darauf deutet auch eine weitere Entdeckung hin. Die Forschenden wollten wissen, ob sich auch Überreste von Läusen nachweisen ließen. Am zweiten Zahn wurden sie fündig. Es handelte sich um Kopfläuse. Aufgrund der klimatischen Bedingungen waren die Läuse nicht vollständig erhalten, doch man fand den Chitinpanzer von Laus-Nymphen, die einst frisch aus ihren Eihüllen – den sogenannten Nissen – geschlüpft waren.

Der Fund ist von großer Bedeutung für die regionale Geschichtsschreibung. "Es ist der erste kanaanäische Text, der in Israel gefunden wurde", zeigt sich Yosef Garfinkel, der Leiter des Teams, begeistert. Die kanaanäischen Städte seien in ägyptischen Dokumenten, akkadischen Keilschrifttexten und der hebräischen Bibel (Tanach) erwähnt. Der Kamm sei ein wichtiges Zeugnis des täglichen Lebens vor 3.700 Jahren. Außerdem sei es die erste Inschrift in dem Dialekt, der von der Bevölkerung des bronzezeitlichen Tel Lachish gesprochen wurde. Er kann nun mit anderen Zeugnissen der kanaanäischen Sprache verglichen werden, somit werden Wissenslücken gefüllt.

Die 17 in den Elfenbeinkamm geritzten Schriftzeichen sind schwach ausgeprägt und wurden bei der Entdeckung des Stücks 2017 übersehen.
Zeichnung: Daniel Vainstub

Hochrangiger Besitzer

Kämme wurden damals meist aus Holz oder Knochen gefertigt. Eine Untersuchung des Elfenbeins ergab, dass es von einem Elefanten stammt. Elefanten gab es in der Gegend nicht, das Material muss aus Ägypten importiert worden sein, was auf eine hohe soziale Stellung des Besitzers hindeutet. Offenbar waren auch hochrangige Persönlichkeiten von Läusen betroffen. Lauskämme dürften daher verbreitet gewesen sein und werden sogar im Talmud erwähnt: "Und er sandte ihr einen Kamm, der Läuse vernichtet."

In der Mitte ist der Kamm abgenützt, was auf eine intensive Verwendung hindeutet.
Foto: Dafna Gazit, Israel Antiquities Authority

Die heute international verwendete lateinische Schrift geht auf das Schriftsystem der Phönizier zurück, das wiederum von der kanaanäischen Schrift abstammen dürfte, zu der auch der nun entdeckte Text gehört. Sie dürfte ursprünglich von den ägyptischen Schriftzeichen inspiriert worden sein. (Reinhard Kleindl, 9.11.2022)