Seit Jahren steht auf den alljährlichen Klimakonferenzen eine Frage im Mittelpunkt: Wie viel Geld soll aus den reichen Industriestaaten im Norden in die Staaten des Globalen Südens fließen, um sie im Kampf gegen die Klimakrise zu unterstützen? Stets wurde mehr versprochen als eingelöst, was Jahr für Jahr für böses Blut sorgt.

Bei der COP 27 in Sharm El-Sheikh steht eine neue Forderung auf der Tagesordnung, die für noch mehr Konflikte sorgen wird: Die von der Erderhitzung besonders schwer betroffenen Entwicklungsländer wollen nicht nur Hilfe für die Zukunft, sondern Schadenersatz für bereits entstandene Verluste. So angemessen dieses Begehren aus moralischer Sicht wirkt, so problematisch ist es für die Zukunft der globalen Klimapolitik.

Bei der COP 27 fordern die von der Erderhitzung besonders schwer betroffenen Entwicklungsländer Schadenersatz für bereits entstandene Verluste.
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Bisher waren die Zahlungen an den Süden bei Klimaaktivisten nicht gut angeschrieben. Anfangs stand ein marktwirtschaftliches Konzept dahinter, auf dem auch der Emissionshandel in der EU beruht: Maßnahmen zur CO2-Reduktion sollen dort stattfinden, wo sie am meisten bringen und am wenigsten kosten. Das ist oft in Entwicklungsländern der Fall, wo man mit geringen Investitionen den CO2-Ausstoß verringern kann, etwa durch moderne Kochöfen, die Holzkohle ersetzen, den Schutz der Regenwälder oder den Ausbau der Solarenergie. Wenn Industriestaaten dafür zahlen, dass sie selbst etwas weniger CO2 einsparen, tragen sie zum globalen Klimaschutz bei. Doch Kritiker sehen darin einen Freikauf von den eigenen Verpflichtungen – einen ethisch anstößigen Ablasshandel.

Anpassungsmaßnahmen

Ein weiterer Grund für Zahlungen ist die Finanzierung von Anpassungsmaßnahmen für die Folgen der Klimakrise – Hochwasserschutz und Sturmwarnsysteme gegen den steigenden Meeresspiegel, Bewässerungstechnologie und die Entwicklung dürreresistenter Pflanzen gegen den Wassermangel. Auch das stößt bei Umweltgruppen auf Skepsis: Es sei ein Zeichen der Resignation, das den Kampf gegen die Erderhitzung untergrabe.

Beide Zugänge erfüllen allerdings wertvolle Zwecke: Der eine bekämpft die Erderwärmung, der andere schützt die Menschen vor den Folgen. Die Forderung nach Schadenersatz – Loss and Damage – trägt hingegen wenig oder gar nichts dazu bei, um zukünftige Emissionen zu verringern. Denn Staaten wären nicht verpflichtet, das Geld zweckgebunden einzusetzen.

Dazu kommt, dass sich Ausmaß und Ursachen von Klimaschäden nicht messen lassen. Fluten, Dürren und Wirbelstürme gab es immer schon; wie viel der CO2-Ausstoß des Nordens zu einzelnen Naturkatastrophen beiträgt, ist nicht belegbar. Es gibt daher auch keine klare Grenze für die Höhe der Forderungen.

Es ist auch unklar, ob deutlich höhere Transferzahlungen an den Globalen Süden das Leben der Menschen dort verbessern. In allzu vielen Staaten versickern Entwicklungsgelder im Sumpf der Korruption oder stärken bloß die Macht von Diktatoren.

Zu Recht wehren sich die Industriestaaten gegen die Forderung. Geben sie dem öffentlichen Druck nach und kommt es zu symbolischen Zahlungen, dann stellt das niemanden zufrieden. Die Folge wäre bloß Unmut auf allen Seiten, der weitere Klimaschritte erschwert.

Die Zahlungen an arme Länder sollen steigen, aber zielgerichtet und effizient. Die Klimakrise ist ein weltbedrohendes Problem, das sich nicht über Fragen von Schuld und Sühne lösen lässt. (Eric Frey, 8.11.2022)