Unweit der bestehenden Atommeiler soll in Temelin ein Pilotprojekt für Mini-Reaktoren entstehen.

Kerstin Scheller

Linz – Wir schreiben das Jahr 22 nach "Melk". Am 12. Dezember 2000 einigten sich im niederösterreichischen Stift Melk der damalige Bundeskanzler Wolfgang Schüssel, der tschechische Ministerpräsident Milos Zeman und EU-Kommissar Günter Verheugen in Zusammenhang mit dem atomaren Langzeitproblem Temelín auf das Melker Abkommen. Vereinbart wurden in dem völkerrechtlich verbindlichen Vertrag umfassende Sicherheitsnachrüstungen und eine Informationspflicht.

Informationsmangel

Doch die letzten zwei Jahrzehnte haben gezeigt, dass gerade der vereinbarten Informationspflicht von tschechischer Seite nur sehr bedingt nachgekommen wird – und Tschechien weiter auf einem atomaren Ausbaukurs bleibt. Jüngst wurde die Gründung der Gesellschaft South Bohemian Nuclear Park präsentiert. Konkret stehen beim tschechischen Energiekonzern ČEZ neue Mini-Reaktoren als Ersatz für alte Kohlekraftwerke hoch im Kurs. Demnach plant die Regierung in Prag sogenannte Small Modular Reactors (SMR), die unter anderem von GE Hitachi sowie vom französischen EDF-Konzern entwickelt werden, ans Netz zu hängen. Für ein Pilotprojekt wurde das AKW-Gelände in Temelín ausgewählt, was nun für massive Verunsicherung in den grenznahen Gemeinden im oberen Mühlviertel sorgt – und einmal mehr die oberösterreichische Landespolitik auf den Plan gerufen hat.

Bürger-Aufstand

Die Pläne für einen südböhmischen Atomversuchspark würden die Gefahr für Oberösterreich erhöhen, ist Energielandesrat Stefan Kaineder (Grüne) überzeugt. "Wir müssen uns daher vehement dagegenstemmen. Diese Reaktoren existieren bisher nur auf dem Papier, sie werden Prototypen sein. Oberösterreich wird sicher nicht tatenlos dabei zusehen, wenn unsere nördlichen Nachbarn ein Kernkraftexperiment vor unserer Haustüre durchführen." Zurück ins Jahr 2000, in denen mitunter bis zu 10.000 Menschen die Grenzen zu Tschechien blockierten, will Kaineder mit seinem aktuellen Protest aber nicht: "Grenzblockaden halte ich für unpassend in einem vereinten Europa."

Für Risikoforscher Raphael Zimmerl von der Universität für Bodenkultur ist jedenfalls das Argument auf tschechischer Seite, dass besagte Mini-Reaktoren wirtschaftlicher und sicherer seien, höchst fraglich: "Mehr Anlagen bedeuten mehr Risiko, und es wird mehr Atommüll pro erzeugte Energieeinheit anfallen."

Dafür, was ein SMR nun genau ist, gebe es noch gar keine wirkliche Definition, so Zimmerl. Gemeint seien meist AKWs mit einer Leistung von weniger als 300 Megawatt elektrisch (MWe) – die aktuellen Reaktoren in Dukovany haben etwa 500 MWe. (Markus Rohrhofer; 8. 11. 2022)