Jonathan Durham kennt sie alle – die knapp 900 Pflanzenarten, die im Grootbos Reserve in Westkap wachsen. Deren seltsame Verbreitungsmechanismen und deren Inhaltsstoffe, die Krankheiten lindern. Durham zeigt aus dem Jeep auf ein unscheinbares Kraut mit dürren Blättern. "Wild dagga", sagt er, wildes Marihuana. Macht nicht high, "ich habe es versucht", hilft aber gegen Magenbeschwerden und Übelkeit.

Jono, wie alle den 33-jährigen Naturführer nennen, arbeitet seit sechs Jahren im südafrikanischen Grootbos. Übersetzt heißt die Farm: großer Busch. Und das ist die heutige Pflanzenlehranstalt auch. Ein riesiges Gelände von 2.759 Hektar, auf dem strikter Naturschutz und sanfter Tourismus eine gleichbedeutende Rolle spielen.

Die Grootbos Reserve veranstaltet Safaris auch ausschließlich in die Flora.
Foto: Grootbos Private Nature Reserve

Während anderswo in Südafrika Urlauber nach Giraffen und Löwen Ausschau halten, konzentrieren sich Grootbos-Besucher auf den Fynbos. Der feine Busch, wie die holländischen Einwanderer die Vegetation im 17. Jahrhundert tauften, gehört zu den botanischen Wundern der Welt. Er ist eine von sechs Florenreichen – Regionen mit einer eigenständigen Vegetation – und kommt nur in einem 100 bis 200 Kilometer breiten Küstenstreifen an der Südwestspitze Afrikas vor. 8.000 Arten soll diese Pflanzenwelt umfassen, davon sind 5.000 endemisch, gedeihen also nirgendwo anders.

"Blumensafari" nennt sich die touristische Erkundung dieser Flora. Unwillkürlich denken Europäer dabei an Exkursionen durch holländische Tulpenfelder. Nichts könnte ferner von diesem Bild einer gesitteten Landschaft sein. Auf der Tour lernen Reisende verrückte Kräuter und verwachsene Bäume kennen, sie zerreiben Blätter, riechen an Blüten und hören vom Feuertod.

Auf der Tour riecht man an Blüten, zerreibt Blätter und lernt besondere Kräuter kennen.
Foto: Fynbos Cottages

Hinter zwei Kurven sehen sie ein abgebranntes Stück Land. "Wir legen zweimal im Jahr kontrollierte Brände", erklärt Jono. Viele Pflanzen brauchen Feuer, um sich fortzupflanzen. Nach Buschbränden sprießen die Samen aus einer feuerfesten Kapsel. Da der Mensch die Natur in den vergangenen Jahrzehnten stark reguliert hat, kommt es seltener zu wilden Bränden. Also hilft man in Grootbos nach.

Jono zeigt nun auf Geranien ("Die kommen ursprünglich von hier") und Protea, die wie Artischocken aussehen ("Unsere Nationalblumen"). Er hält an, um den Blütenkelch einer Pflanze sanft auseinanderzunehmen, "hier, diese lilafarbenen Streifen funktionieren wie Landebahnen für Insekten, die dadurch wissen, wo der Nektar lagert und anschließen die Pollen verbreiten".

Stellenweise sieht die Landschaft im Fynbusch wie eine grünes Korallenriff in den Bergen aus.
Foto: Fynbos Cottages

Langsam verändert sich der Boden, wird steiniger, karger. Auf 500 Metern über dem Meer erstreckt sich plötzlich eine gigantische Wiese, "wie ein Korallenriff in den Bergen", sagt Jono, als er davor anhält. Im Frühling kann man hier alle Farben wild durcheinander sehen, die Nektarvögel, die mit ihren krummen Schnäbeln an Kolibris erinnern, haben dann genug optische Reize, um sich sattzunippen.

Es gibt Gräser mit tiefroten, hängenden Blüten, rosafarbenen Blumen und weißen langen Kelchen, die in alle Richtungen abstehen. "Der Bob Marley unter den Pflanzen", sagt Jono, weil der Anblick vage einer Dreadlocksfrisur ähnelt. Außerdem gibt es noch den Albert Einstein der Pflanzen, der auf eine besonders ausgeklügelte Strategie der Verbreitung setzt: Er lockt mit Duftstoffen Ameisen an, die den Samen tief in der Erde vergraben, bis er nach einem Feuer sprießen kann. Kluge Lebewesen, diese Pflanzen.

Nächster Halt: Gemüsesafari

In Babylonstoren ist der namensgebende Turm zu Babel eine große Enttäuschung. Er ist ein nicht besonders hoher Hügel mitten in diesem schönen Weinanbaugebiet nahe Kapstadt und nur mit einer anständigen Menge Chardonnay sowie einer gehörigen Schräglage als ein in den Himmel wachsendes Gebilde wahrzunehmen. Die Holländer haben ihn einst benannt. Bekanntlich hatten sie keine Erfahrung mit Gebirgen, vielleicht vertrugen sie keine guten Tropfen.

Babylonstoren, das ist Kolonialarchitektur eingebettet in kuratierte Natur.
Foto: Babylonstoren

Ansonsten mangelt es der ehemaligen Farm jedoch nicht an Superlativen. Auf einem mehr als 200 Hektar großen Stück Land wird jegliches Obst und Gemüse angebaut, das unter der Sonne Südafrikas gedeiht. Zwetschken, Pfirsiche, Kaktusfeigen, Spargel, Oliven, Äpfel, Zucchini, alles in endlosen Reihen oder Beeten gepflanzt. Es gibt auch einen riesigen Weinkeller, drei Restaurants, ein Spa, einen Hofladen und ein angeschlossenes Luxushotel, das sowohl bei Capetownians als auch auswärtigen Touristen gefragt ist. Babylonstoren ist ein Vergnügungspark der anderen Art – eine Leistungsschau der südafrikanischen Landwirtschaft, eingebettet in Kolonialarchitektur und kuratierte Gärten.

Auf 200 Hektar wird jegliches Obst und Gemüse angebaut.
Foto: Babylonstoren

Auch Tagesbesucher können sich den Garten anschauen, der so groß wie drei Fußballfelder ist und dreimal aufregender als jedes Match. Man kann einen ganzen Tag damit verbringen, die versteckten Ecken der Anlage zu entdecken, beispielsweise das überdimensionale Vogelnest, in das man klettern kann. Übrigens, jeder Besucher darf pflücken und essen, was im Garten von Sträuchern und Zweigen baumelt.

Aber was wäre Babylonstoren ohne seine freundlichen Mitarbeiter? Wie Constance, die an diesem Morgen durch den Garten führt und dabei jedes Grünzeug mit einer tiefen Stimme ankündigt, als würde sie in einem Jazzclub Topmusiker ansagen. Hin und wieder spazieren Schildkröten über den Weg, erratisch und ungewöhnlich schnell. "Hmm, Paarungszeit", sagt Constance und schnalzt mit der Zunge.

Auf dem Gelände gibt es eine Schaufarm und einen beliebten Hofladen.
Foto: Babylonstoren

Gegründet wurde Babylonstoren vom südafrikanischen Unternehmer Koos Bekker, der in den 1990er-Jahren mit Mobilfunk und Fernsehsendern reich wurde. Seine Frau Karen Roos gilt als Mastermind hinter dem Konzept der Farm, das sich an den mittelalterlichen Garten von Prieuré d’Orsan im Loire-Tal anlehnt. Constance erzählt stolz, dass sie auf eine Recherchereise dorthin mitfuhr. Heimlich hat sie ein paar Samen aus dem Garten geschmuggelt. Nun wachsen Pflanzen aus Frankreich unter südlicher Sonne.

Die klassische Tiersafari

Drama, bitte! Das wollen die Gäste erleben, wenn sie auf Safari gehen, sagt Jacob "Japie" Potgieter. Wie die Python eine Impala-Antilope erwürgt und danach stundenlang zwei Hyänen abwehrt, die der Schlange die Beute streitig machen. Wie Löwen Jagd auf Zebras machen und deren Hufen das Kinn eines der Angreifer zerschmettern. Das ewige Spiel um Leben und Tod, von der sicheren Rückbank eines Jeeps aus beobachtet.

In der Ngala Safari Lodge kann man vom Sofa aus Elefanten beobachten.
Foto: Ngala Safari Lodge

Deshalb zieht es Menschen in die Schutzgebiete an der Westflanke des Kruger-Nationalparks. Diese Privatreservate bilden mit dem staatlich geführten Park das größte Wildschutzgebiet Südafrikas, auf 20.000 Quadratkilometern leben 150 Säugetier- und 500 Vogelarten. In den privat verwalteten Game Reserves kommen Touristen den Tieren näher als im Park, sie dürfen mit Guides die Wege verlassen, um dem Spektakel des Überlebenskampfes beizuwohnen.

Japie steuert den Toyota Land Cruiser über die Wege des Ngala Private Reserve. Ngala ist 15.000 Hektar groß, hügeliges Grasland, durch einen Fluss geteilt – im Norden wachsen Mopanebäume, im Süden Akazien. Es gibt zwei Camps für Besucher, eine verlassene Farm und Schotterpisten, die Birmingham Drive oder Elephant Road heißen. Seit sechs Jahren fährt Japie das 257 Kilometer lange Wegenetz ab.

Auf eine Akazie in großer Höhe liegt ein träger Leopard.
Foto: Ngala Safari Lodge

Morgens um halb fünf steht der 34-Jährige auf, packt Decken in den Jeep und holt die Gäste um halb sechs zur Safari ab. Immer gute Laune, immer freundliches Lächeln. "Schau da oben, ein Buschbaby!" An der Rezeption der Lodge wandern die müden Augen der Europäer unters Dach. Ein mausgroßes Tier mit Koboldaugen und Riesenohren schaut herunter. Wer beobachtet hier wen? An diesem Tag findet Japie zierliche Impalas, Kudus mit Schraubgewindehörnern, Elefanten, die krachend Äste verputzen, und sogar drei Nashörner. Bulle, Kuh, Kalb. Den älteren Exemplaren hat die Parkverwaltung die Hörner abgesägt, um sie vor Wilderern zu schützen.

Nach Ngala reisen viele Touristen jedoch vor allem, um die berühmten weißen Löwen zu sehen. Nur in dieser Region werden sie immer wieder geboren, dank eines rezessiven Gens, das im Erbmaterial weitergegeben wird. Fünf dieser Löwen seien in den vergangenen vier Jahren zur Welt gekommen, zwei leben noch. Deren Vater hat die übrigen drei – aus einem Fremdwurf – getötet und damit die eigene Macht im Revier gesichert. Shakespeare in der Savanne.

Nach Ngala reisen viele Touristen vor allem, um die berühmten weißen Löwen zu sehen.
Foto: Ngala Safari Lodge

Am späten Nachmittag finden Harold und Japie die beiden Überlebenden, nicht unbedingt schneeweiß, eher zarthell. Sie faulenzen mit vier anderen Löwen am Wegesrand. Die Bäuche wölben sich, die Raubtiere haben also gerade gefressen. Der Jeep fährt heran, Sicherheitsabstand von wenigen Metern, die Tiere heben kurz die Köpfe und lassen sie schnell wieder fallen, als würde sie jede Bewegung wahnsinnig viel Energie kosten.

Zu den tierischen Sehenswürdigkeiten der Region zählen außerdem Leoparden. Nirgendwo in Südafrika streifen sie in dermaßen hoher Dichte durch die Wildnis wie in den Schutzgebieten von Ngala und Sabi Sands, einige Kilometer entfernt. Zwei Stunden kurvt Japie am darauffolgenden Tag durch die Savanne, fährt an Elefanten und edelsteinblauen Vögeln vorbei, bis er eine der Katzen erblickt. Auf einer Akazie liegt sie in fast zehn Metern Höhe, der Körper fläzt sich auf den Ast, vier Pranken hängen träge herunter. Es ist ein Weibchen. "Hat gerade gefressen", erklärt Japie, "deshalb ist sie so ruhig." Kein Drama, einfach nur schön. (Ulf Lippitz, 11.11.2022)