Christoph Chorherr und Spender seines gemeinnützigen Vereins S2Arch müssen sich vor dem Strafgericht verantworten. Alle Angeklagten werden sich nicht schuldig bekennen.

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Christoph Chorherr verirrte sich zunächst einmal. Als der frühere Grünen-Politiker, jetzige Angestellte und Hauptangeklagte in der nach ihm benannten Korruptionscausa am Dienstag unter Blitzlichtgewitter zum Großen Schwurgerichtssaal im Straflandesgericht Wien kam, wollte er selbigen beim rechten Haupteingang betreten – bevor ihn eine Anwältin umdirigierte: Die Angeklagten betreten den größten Saal des "Landl" vom Seiteneingang aus, bei Richtertisch und Anklagebank.

Neben Chorherr, dem die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) Amtsmissbrauch und Bestechlichkeit vorwirft, sind etliche namhafte Immobilienunternehmer und Investoren angeklagt: René Benko von der Signa etwa, Michael Tojner (Wertinvest), Conwert-Gründer Günter Kerbler oder Erwin Soravia. Auch Investmentbanker Wilhelm Hemetsberger ist angeklagt – sie alle sollen Beihilfe zum Amtsmissbrauch geleistet und Chorherr bestochen haben: durch Spenden an den von ihm gegründeten Verein S2Arch, der in Südafrika Schulen und Kindergärten betreibt.

Im Gegenzug sollen sie sich Vorteile bei Widmungsverfahren bei Immobilienprojekten versprochen haben. Chorherr soll die Zahlungen an den Verein, dessen Obmann er bis 2018 war, verlangt oder angenommen haben. Zudem sind etliche Firmen gemäß Verbandsverantwortlichkeitsgesetz angeklagt.

Spende gegen Widmung?

Pünktlich um neun rief Richter Michael Tolstiuk die Verhandlung auf – und nach Aufnahme der Generalien der Angeklagten begannen die Eröffnungsvorträge der WKStA und der Anwälte. Die kündigten allesamt an, dass sich ihre Mandanten nicht schuldig bekennen würden.

Der Staatsanwalt sagte sinngemäß, das Motto sei gewesen "Spende an Chorherrs Verein, und du bekommst die Widmung, die du willst". Beweise habe man durch die Auswertung der Kommunikation von Tojner bekommen, durch die sich die "ganze Netzwerkerei" erwiesen habe. Solange es Amtsträger gebe, die sich "wie Chorherr schmieren lassen", sei nichts besser geworden in Sachen Korruption, wandte sich der WKStA-Vertreter an die Schöffen.

Interesse der Stadt

Chorherrs Verteidiger Richard Soyer wies all das zurück. Seinem Mandanten sei es immer um die Interessen der Stadt gegangen, dessen Umgangston mit Projektwerbern begründete er damit, dass er "mit Bürgern auf Augenhöhe sprechen wollte". Für Afrika habe sich der Ex-Politiker seit 2003 engagiert, die Anklage enthalte nur "Spekulationen". Chorherr habe sich nicht "gewogen" verhalten, also nicht zugunsten der Spender. Allerdings räumte er ein, dass der als Vereinsobmann hätte zurücktreten müssen, als die Grünen 2011 in die Stadtregierung kamen. "Dieser Fehler pickt", deswegen habe man auch Diversion beantragt (erfolglos), als die Ermittlungen zu Ende waren. Mit einer Diversion wäre Chorherr auch jetzt noch einverstanden, so Soyer.

Auch die Anwälte der übrigen Angeklagten zerrissen die Anklage in der Luft, zwischen Spenden und Immobilienprojekten gebe es keinen Konnex. Tojners Anwalt Karl Liebenwein etwa ließ die Entstehung des Projekts am Heumarkt Revue passieren, nannte die Vorwürfe "abstrus", nicht zuletzt sei Chorherr nur eines von hundert Gemeinderatsmitgliedern gewesen und habe daher gar keine Möglichkeit zur Beeinflussung der Beschlüsse gehabt. Tojners Spenden an das Projekt Ithuba in Südafrika hätten mit alldem nichts zu tun gehabt.

Alte Freunde

Hemetsbergers Anwalt, Michael Rami, erklärte, dass dieses Südafrika-Projekt das "Lebensprojekt" seines Mandanten sei, für das der seit langem und bis heute spende und nach dem er sogar seine Investmentfirma (Ithuba Capital) benannt habe. Auf eine jahrzehntelange Freundschaft zwischen Chorherr und seinem Mandanten wies Kerblers Anwalt, Johann Pauer, hin. In der Anklage finde sich nicht ein Beweis für den Vorwurf gegen Kerbler. Der habe immer schon an den Verein seines Freundes gespendet, 2014, weil ihm Chorherr erzählt hätte, dass man sonst die Lehrkräfte in Südafrika nicht mehr zahlen könne. Zum Abschluss zeigte Pauer ein Foto von einem Gartenfest – das die sehr jungen Männer Kerbler und Chorherr und ihre Familien vor Jahrzehnten zeigt.

Sehr auf den Punkt brachte Norbert Wess die Sicht der angeklagten Spender, in dem Fall für Soravia. Als "Homo oeconomicus" (Anklage) müsse man offenbar nachweisen, dass man Gutes tut. Die Schöffen mögen "entscheiden, ob der Homo oeconomicus nichts Gutes mehr tun darf". Und Benkos Anwalt Stefan Prochaska, der ebenfalls einen Freispruch forderte, kritisierte, dass die WKStA Benko nicht einmal befragt habe. (Renate Graber, Fabian Schmid, 8.11.2022)