Die Bedingungen, an die Kiew mögliche Friedensgespräche mit Moskau knüpft, sind eigentlich nicht neu: Vor allem, so betont die ukrainische Führung immer wieder, müsse Russland die territoriale Integrität der Ukraine wiederherstellen, sprich: aus allen besetzten Gebieten abziehen, um die Voraussetzungen für echte Verhandlungen zu schaffen.

Ein ukrainischer Soldat in der Region Cherson.
Foto: EPA / Hannibal Hanschke

Dass das am Dienstag noch einmal mit entschlossenen Worten bekräftigt wurde, gilt auch als Reaktion auf einige US-amerikanische Medienberichte der vergangenen Tage. Demnach sollen Regierungsvertreter in Washington dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj nahegelegt haben, gegenüber Moskau eine gewisse Verhandlungsbereitschaft zu signalisieren.

Selbst die US-Kongresswahlen, die am Dienstag über die Bühne gingen, werden bisweilen in diesem Zusammenhang gesehen. Zwar zeigte man sich in Kiew vor der Wahl zuversichtlich, dass auch ein Sieg der Republikaner an der Unterstützung für die Ukraine nichts ändern würde. Doch einige aus deren Reihen – vor allem Kandidatinnen und Kandidaten, die dem rechten Flügel der Partei angehören – haben die Kosten der Militärhilfe für Kiew lautstark kritisiert.

Selenskyj hat die USA daher zur Geschlossenheit aufgerufen. "Ich appelliere an Sie, die unerschütterliche Einheit aufrechtzuerhalten", bis der "Frieden endlich wiederhergestellt" sei, sagte er am Dienstag in einer Videobotschaft anlässlich seiner Auszeichnung mit der US-Freiheitsmedaille.

Naheverhältnis zu Moskau

Zudem schleppen die Republikaner von Ex-Präsident Donald Trump gerade im Verhältnis zu Russland eine gehörige Altlast mit sich: Moskau soll den Präsidentschaftswahlkampf 2016 zugunsten des späteren Wahlsiegers Trump beeinflusst haben. Der Vorwurf illegaler Kontakte von Trumps Wahlkampfteam nach Russland sowie der Beeinflussung von Kommunikationsinfrastruktur und sozialer Netzwerke in den USA hatte damals zu zahlreichen Skandalen geführt.

Auch vor diesem Hintergrund lesen sich die jüngsten Äußerungen von Selenskyjs Berater Mychajlo Podoljak wie ein Appell an den Westen, an seiner Hilfe für die Ukraine festzuhalten: "Wenn wir aufhören, uns zu verteidigen, dann werden wir aufhören zu existieren", sagte Podoljak der italienischen Zeitung "La Repubblica" vom Dienstag. "Wir werden weiterkämpfen, auch wenn man uns ein Messer in den Rücken sticht."

Viel Spielraum für Verhandlungen scheint es vorerst in der Tat nicht zu geben. Bereits am Montag hatte der ukrainische Präsident Selenskyj einmal mehr seine Bedingungen genannt – darunter die Wiederherstellung der Grenzen der Ukraine, Entschädigung für die russischen Angriffe und Bestrafung von Kriegsverbrechern. Moskau wiederum hat wiederholt erklärt, nicht über die "annektierten" Gebiete verhandeln zu wollen, die es als Teil der Russischen Föderation ansieht.

Türkei ziert sich

Während am Dienstag vor allem aus der südukrainischen Region Cherson wieder heftige Kämpfe gemeldet wurden, blickte die Welt auch auf die türkische Hauptstadt Ankara. Dort versuchte der neue schwedische Premierminister Ulf Kristersson, den türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan persönlich vom Nato-Beitritt seines Landes zu überzeugen. Bereits im Vorfeld hatte sich die eben erst angetretene Regierung in Stockholm um klare Signale an Ankara bemüht und das Ende der humanitären Hilfszahlungen an die syrische Kurdenmiliz YPG und ihren politischen Arm PYD angekündigt.

Aus der Türkei kam dafür aber maximal ein wohlwollendes Nicken. Denn weiterhin unerfüllt bleibt die Forderung nach der Auslieferung von angeblichen türkischen Terroristen aus Schweden. Dabei handelt es sich vor allem um Personen, die dem Umfeld der PKK oder der Gülen-Sekte, die für den Putschversuch 2016 verantwortlich gemacht wird, angehören sollen.

Schweden habe noch "viele Schritte vor sich", bis sein Nato-Beitrittsgesuch von der Türkei akzeptiert werde, sagte Parlamentssprecher Mustafa Şentop am Dienstag. Auch in Ungarn lässt die Ratifizierung des Nato-Beitritts von Finnland und Schweden auf sich warten. (Bianca Blei, Gerald Schubert, 9.11.2022)