Die Berliner Polizei stellte wegen unterlassener Hilfeleistung Strafanzeige gegen zwei Aktivisten.

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Berlin – Nach dem Tod einer von einem Betonmischer überrollten Radfahrerin in Berlin hat deren Zwillingsschwester einen Appell an die Klimaaktivisten gerichtet. In einem Gespräch mit dem "Spiegel" rief sie die Gruppe Letzte Generation dazu auf, ihre Protestmethoden zu überdenken.

"Gibt vielleicht anderen Weg"

"Ich glaube, ich würde ihnen einfach gerne das, was ich erlebt habe, erzählen, und ihnen dann gerne die Chance geben, sich einmal in diese Hölle hineinzuversetzen", sagte Anja Umann dem Nachrichtenmagazin laut Vorabmeldung vom Dienstag. Die Aktivisten müssten sich fragen, "ob es nicht vielleicht doch einen anderen Weg gibt, für das Überleben unseres Planeten zu kämpfen, ohne dass andere Menschen möglicherweise zu Schaden kommen".

"Meine Schwester und ich teilen die Ziele der Bewegung zu 100 Prozent", sagte Umann. Es verletze sie aber sehr, "wie ignorant einige Klimaaktivisten den Tod von Menschen in Kauf nehmen, die sich unter Umständen selbst für Umweltschutz und andere Menschen einsetzen".

Heftige Diskussion

Auf Forderungen nach härteren Strafen für Straßenblockaden und Präventivhaft für einige Klimaaktivisten sowie auf Vergleiche mit der RAF reagierte Umann ebenfalls mit Unverständnis. "Ich habe den Eindruck, da reagiert Drastik auf Drastik – da kommt etwas Extremes auf, von dem ich nicht sicher bin, ob ich das so unterstütze", sagte sie.

Umanns Schwester war am Montag in Berlin von einem Betonmischer überrollt worden. Am Donnerstagabend erlag sie ihren schweren Verletzungen. Ein Spezialfahrzeug der Feuerwehr war wegen einer Protestaktion von Aktivisten der Letzten Generation im Stau gestanden und deshalb verspätet zum Unglücksort gekommen. Laut der Notärztin waren die Verletzungen des Opfers aber so schwer, dass auch das Spezialfahrzeug nicht mehr geholfen hätte.

Die Berliner Polizei stellte dennoch gegen zwei Protestierende Strafanzeige, unter anderem wegen unterlassener Hilfeleistung. Politikerinnen und Politiker verschiedenster Parteien äußerten im Anschluss Kritik an den Methoden der Protestler. (APA, red, 9.11.2022)