Prunkvoller Rahmen für eine der innovativsten wissenschaftlichen Einrichtungen des Landes: Am Internationalen Institut für angewandte Systemanalyse (IIASA) im Schloss Laxenburg wird seit fast einem halben Jahrhundert Spitzenforschung betrieben.
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Die Entscheidung, die vor etwas mehr als einem halben Jahrhundert fiel, war rückblickend einer der großen Glücksfälle für die Wissenschaft in Österreich. Nachdem sich Ende der 1960er-Jahre Vertreter der USA und der Sowjetunion über den Kalten Krieg hinweg auf wissenschaftliche Zusammenarbeit geeinigt hatten, ging es darum, einen Ort für dieses neue Institut zu finden.

Mehrere europäische Länder legten sich ins Zeug, dieser politisch verbindenden Forschungseinrichtung eine Heimstatt zu bieten: Großbritannien, Italien und vor allem Frankreich machten gute Angebote. "Dass sich letztlich Österreich durchsetzte, lag auch an Walter Wodak", sagt der Zeithistoriker Oliver Rathkolb, der in einem vom Wissenschaftsfonds FWF geförderten Projekt die Geschichte des IIASA vergleichend aufarbeitet.

Ein Schilling pro Jahr

Der Vater der Linguistikerin Ruth Wodak war Ende der 1960er-Jahre Botschafter in Moskau, wurde dort im Juni 1969 über die Institutspläne informiert und setzte sich dafür ein, dass sich auch Österreich bewarb. Die Regierung bot das Schloss Laxenburg, 15 Kilometer südlich von Wien, für die symbolische Miete von einem Schilling pro Jahr als Sitz für die geplante Forschungseinrichtung an, die zunächst noch unter dem eher sperrigen Arbeitstitel "Wissenschaftliches Institut zur Erforschung der Probleme der Methodologie" lief.

Die Entscheidung fiel dann erst im Sommer 1972 zugunsten Österreichs, weil sich Frankreich laut Rathkolb verbissen, aber letztlich ohne Erfolg wehrte. Die Charta wurde dann offiziell Anfang Oktober 1972 in der Royal Society in London unterzeichnet.

Was aber ist der Glücksfall dieser Entscheidung, die mehr als ein halbes Jahrhundert zurückliegt? Ganz einfach: Das Internationale Institut für angewandte Systemanalyse (kurz IIASA, in Österreich auch gern als "die" IIASA bezeichnet) wurde zu einer Erfolgsgeschichte und mauserte sich zu einem der weltweit führenden Forschungsinstitute bei der Analyse globaler Entwicklungen.

Hohes Ansehen in US-Top-Universitäten

Der einzige kleine, fast schon provinzielle Makel daran: An Top-Universitäten in den USA oder anderswo auf der Welt ist das Institut wesentlich bekannter als in Österreich. Hier gilt das Institut vielfach immer noch als Geheimtipp. Das bestätigt auch Daniel Huppmann, der seit 2015 am IIASA forscht, quasi aus eigener Anschauung.

Der Wiener hat zuvor an der TU Wien Mathematik studiert und 2014 an der TU München mit Auszeichnung promoviert. "Vom IIASA habe ich zum ersten Mal erst bei einem Forschungsaufenthalt in den USA gehört – und nicht in Wien", sagt der Forscher, der einer der vier Ko-Leiter des zweiten Assessment-Reports zum Klimawandel in Österreich ist, einer Art heimischen Gegenstücks zu den Berichten des Weltklimarats IPCC, an denen Huppmann ebenfalls schon beteiligt war.

Fachleute des Weltklimarats IPCC nehmen 2007 in Oslo den mit Al Gore geteilten Friedensnobelpreis entgegen. Mehrere Dutzend IIASA-Forschende sind führend an den IPCC-Berichten beteiligt.
Foto: IPCC

Der Spezialist für die Entwicklung von Software zum Modellieren komplexer Entwicklungen schätzt am IIASA vor allem die problemorientierte und interdisziplinäre Arbeitsweise, die es ermögliche, über den eigenen Tellerrand hinauszublicken. Jeweils rund ein Drittel der aktuell 358 IIASA-Forscherinnen und -Forscher kommen aus den Natur- und Ingenieurwissenschaften, ein Drittel aus den Sozialwissenschaften und ein Drittel aus der Mathematik und ähnlichen Feldern.

Durch und durch international

Rund zwei Drittel der Fachleute stammen nicht aus Österreich, etliche davon aus den aktuell 22 Mitgliedsländern, die für das Basisbudget des IIASA von zehn Millionen Euro sorgen. Dazu kommen noch einmal rund 13 Millionen Euro durch eingeworbene Drittmittel.

Einzelne IIASA-Forschende der letzten 50 Jahre herauszugreifen, ist angesichts der Fülle an Exzellenz schwierig: Nicht weniger als sechs Nobelpreisträger (inklusive Alfred-Nobel-Gedenkpreises für Wirtschaftswissenschaften) forschten in Laxenburg und legten hier zum Teil auch die Grundlage für ihre preisgekrönten Arbeiten. Dazu zählt etwa William Nordhaus, der 2018 den Nobelpreis für Wirtschaftswissenschaften für seine Arbeit zur Integration des Klimawandels in langfristige makroökonomische Analysen erhielt (siehe Infokasten am Ende).

Leitende Mitarbeit beim IPCC

An einem weiteren Nobelpreis (jenem für Frieden 2007 für den Weltklimarat IPCC) waren indirekt zahlreiche weitere IIASA-Fachleute beteiligt: Da die interdisziplinäre Erforschung des Klimawandels, seiner Folgen und seiner Abmilderung schon sehr früh ein Schwerpunkt der vergleichenden Systemanalysen in Laxenburg war, haben mittlerweile bereits mehr als 40 Fachleute des IIASA federführend an den Berichten des IPCC mitgearbeitet. Etliche der Expertinnen und Experten des IIASA sind selbstverständlich auch mit Fachvorträgen bei der 27. Weltklimakonferenz in Sharm el-Sheikh in Ägypten vertreten.

Dass am Institut wie eh und je Top-Forschung betrieben wird, zeigt sich auch daran, dass etliche der meistzitierten Wissenschafterinnen und Wissenschafter des Landes in Laxenburg arbeiten. Im Vorjahr gelang es 43 in Österreich tätigen Forschenden, in diese elitäre Kategorie aufgenommen zu werden; acht davon arbeiten am IIASA, wo auch bahnbrechende Konzepte wie jenes der "nachhaltigen Entwicklung" mitgeprägt wurden. Und seine langjährigen Forschungsschwerpunkte – Energieversorgung, Technologieentwicklung, Ernährungssicherheit, Klimawandel, Landnutzung, Biodiversität, gesellschaftliche Ungleichheit oder zur Bevölkerungsentwicklung – sind heute aktueller denn je.

Von der Wüste zur Oase

In etlichen Forschungsfeldern wie etwa in der Bevölkerungswissenschaft trug das Institut wesentlich mit dazu bei, dass Österreich von einer ehemaligen Wissenschaftswüste zu einer Oase werden konnte. So musste der Demograf Wolfgang Lutz Anfang der 1980er-Jahre noch in die USA gehen, um dort sein Demografie-Doktorat zu machen.

Wenig später setzte er seine Forschungen 1984 ganz gezielt am IIASA fort, weil dort damals die Topstars des Fachs aus den USA und der Sowjetunion arbeiteten. Heute verfügt Österreich mit dem von Lutz 2010 gegründeten Wittgenstein Center for Demography and Global Human Capital (WIC), das Standbeine in Laxenburg an der Uni Wien und an der ÖAW hat, über das weltweit vielleicht sogar beste Forschungsinstitut in diesem Bereich. (Klaus Taschwer, 10.11.2022)