Der Ex-Spitzenbeamte Thomas Wieser war im "Report" zu Gast.

Screenshot: tvthek.orf.at

Thomas Wieser war Spitzenbeamter im Finanzministerium und in Brüssel. Der einstige Sektionschef saß am Dienstagabend im Studio des ORF-Reports bei Susanne Schnabl und sprach Klartext. Was jetzt durch bekanntgewordene Chats an Korruption sichtbar werde, sei in Wahrheit noch viel weitreichender und gehe weit über das Finanzministerium hinaus, sagte Wieser. Seit Jahren gebe es "unfassbar große" Kabinette, die ein "losgelöstes Leben von der Verwaltung" führten, sich aber dieser bedienten. In großem Umfang werde Personal, das "nicht gerade exzellent qualifiziert" ist, in Beamten- und Verwaltungspositionen "hineingeschleust", erzählte Wieser, auch in "hochleitende Positionen".

Als er 1989 in die Verwaltung kam, sei es noch ein "Bächlein an Personalwünschen oder Personalinterventionen in den Ressorts" gewesen, ab 2006 sei es "zu einem Fluss" angeschwollen und "in den letzten fünf Jahren zu einer Sturzflut". Organisationsänderungen dienten oft nur dazu, "missliebige Leute zu entfernen". Die Ausbildung vieler sei "miserabel". "Unerhört" und in anderen Ländern undenkbar seien gleichzeitige Tätigkeiten in Kabinetten und Verwaltung.

Was ist zu tun? Wieser erteilt klare Aufträge an die Politik: Verkleinerung der Kabinette, Transparenz bei Ausgliederungen, Aufnahmeprüfungen und die Verschriftlichung von Anweisungen (Pro-Tipp: nicht mittels Chats). Und: Eine Regierung, die den "verlotterten Umgang mit der Verwaltung" wirklich reformieren wolle, dürfe sich nicht der "Verwaltung bedienen", sondern müsse sich "als Diener der Republik" sehen. Jetzt müsste sich nur noch eine Partei finden, die Interesse hat, diese Checklist abzuarbeiten. (Colette M. Schmidt, 10.11.2022)