Jedes Jahr fallen in der EU große Mengen Kaffeesatz an. Forschende suchen nach Wegen, ihn effizient weiterzuverwerten.

Foto: AFP / Tolga Akmen

Kaffee ist hierzulande das beliebteste Heißgetränk. Jedes Jahr trinkt ein Mensch in Österreich rund 162 Liter davon. Jeden Tag im Schnitt zwei bis drei Tassen, am liebsten zu Hause oder bei der Arbeit. Europaweit kommt da einiges zusammen: Rund 253 Millionen Kilogramm Kaffee wurden in der EU innerhalb eines Jahres konsumiert.

Neben dem Trinkgenuss bleibt dabei ein feuchter und klebriger Rest übrig: der Kaffeesatz. Alleine in der EU entstehen davon laut Schätzungen rund eine Million Tonnen jährlich – nicht nur in den Haushalten, Büros und Cafés, sondern auch bei der industriellen Kaffeeherstellung. Bisher landete viel Kaffeesatz im Müll. In manchen Fällen wird er für die Energieerzeugung thermisch verwertet, also verbrannt. Es gibt aber längst Ideen, Kaffeesatz besser zu nutzen.

Nährboden für Pilze

Eigentlich ist das "kalter Kaffee", und für viele gilt Kaffeesatz schon lange als Allzweckmittel. Manche verwenden ihn kosmetisch als Peeling, als Zusatz im Tierfutter, als Pflanzendünger oder als Putzmittel.

Einige Firmen nutzen Kaffeesatz als Nährboden, um Austernpilze zu züchten. So etwa das Grazer Startup Pilzkiste oder die Wiener Pilzmanufaktur Hut und Stiel. Die belgische Firma Permafungi züchtet mit Kaffeesatz nicht nur Pilze. Aus den Kaffeesatzresten stellt sie ein biologisch abbaubares Baumaterial her, das zur Isolierung, Verpackung oder für Lampenschirme genutzt werden kann. In Berlin produziert das Unternehmen Kaffeeform Mehrwegbecher aus Kaffeesatz.

Eine Mitarbeiterin von Permafungi bei der Ernte. In den Hängesäcken befindet sich der Nährboden aus Kaffeesatz und Heu, auf dem die Pilze wachsen.
Foto: AFP / John Thys

Der Kaffeesatz, der bei der industriellen Herstellung von löslichem Kaffee anfällt, ließe sich theoretisch auch als Energiequelle nutzen. Forschende zeigten in einem am Schweizer Paul-Scherrer-Institut entwickelten Verfahren, wie sich aus Kaffeerückständen hochwertiges Methan herstellen lässt. Dieses ließe sich etwa zur Stromerzeugung nutzen oder ins Erdgasnetz speisen.

Forschungsprojekt untersucht Bestandteile

Die Forschung interessiert sich heute verstärkt für die Wertstoffe, die in Kaffeesatz enthalten sind und die sich wirtschaftlich nutzen lassen könnten. Forschende am Fraunhofer-Institut für Umwelt-, Sicherheits- und Energietechnik in Oberhausen nahmen den Reststoff deshalb genauer unter die Lupe – und sind dabei auf neue Anwendungsmöglichkeiten gestoßen. Mit dem Projekt "InKa" – kurz für "Intermediate aus industriellem Kaffeesatz" – erforschen und entwickeln sie unterschiedliche Verwertungsmöglichkeiten für Kaffeesatz, der bei der industriellen Herstellung von löslichem Kaffee anfällt.

Ihre Idee ist, den Kaffeesatz mit chemischen Verfahren zunächst zu Zwischenprodukten zu verarbeiten. Dabei entstehen Stoffe wie Glycerin, Vielfachzucker, Aromastoffe und Antioxidantien. Zudem enthält der Kaffeesatz rund 20 bis 25 Prozent Kaffeeöl. Das Öl ist zwar nicht essbar, birgt aber zweifach ungesättigte Fettsäuren, die unter anderem in Speiseölen enthalten sind. Die Forschenden bereiten diese Fettsäuren chemisch auf. Dabei entstehen Stoffe, die sich etwa für die Herstellung von Biokunststoffen eignen.

Der Kaffeesatz, dem das Öl entzogen wurde, lässt sich wiederum weiter nutzen. Er enthält Cellulose – einen Stoff, der auch in Papier enthalten ist. Laut den Forschenden ist deshalb denkbar, dass sich mit dem entölten Kaffeesatz Papier und Karton herstellen lassen.

Transport und Lagerung bleiben Hürde

Einige Herausforderungen bleiben aber noch. Die Forschenden beschäftigen sich vor allem mit der Frage, wie das chemische Verfahren im Labor auf die industrielle Fertigung übertragen werden kann. Auch Transport und Lagerung von Kaffeesatz bleiben eine Hürde. Denn feuchter Kaffeesatz schimmelt schnell. Für die entwickelten Verfahren eignet er sich dann nicht mehr, da sich die Inhaltsstoffe durch den Schimmel verändern oder toxische Stoffe entstehen könnten. Deshalb lässt sich der Kaffeesatz aus Privathaushalten und Gastronomie noch nicht rechtzeitig für die Weiterverwertung sammeln.

Im ersten Schritt richten sich die vom Fraunhofer-Institut entwickelten Verfahren daher an industrielle Hersteller von löslichem Kaffee. Für sie ist es tendenziell einfacher, den Kaffeesatz zu trocknen und für die Weiterverarbeitung zu lagern oder zu transportieren. Aktuell suchen die Forschenden nach Firmen, um das Verfahren im großen Maßstab zu testen. Bis zur Marktreife dauert es laut den Projektbeteiligten daher noch. Trotzdem haben die Forschenden gezeigt, dass Kaffeesatz ein wertvoller Rohstoff sein kann – und nicht unbedingt im Müll landen muss. (Florian Koch, 14.11.22)