Die Vater-Sohn-Beziehung ist der Mittelpunkt der dicht erzählten Geschichte.

Foto: Sony

25 Millionen Mal hat sich der Vorgängertitel "God of War" seit seinem Erscheinen 2018 verkauft, weshalb die Erwartungen an das am Mittwoch erschienene Action-Spektakel "God of War Ragnarök" hoch sind. Die Vorzeichen für einen Erfolg stehen jedoch gut. Es gibt Traumwertungen von den Kritikern und viel Lob von den ersten Spielerinnen und Spielern, die das Videospiel für Playstation 4 und Playstation 5 bereits testen konnten.

Ein Mann namens Eric Williams war für diesen Blockbuster-Titel erstmals in der Rolle des Game Directors. Nach über 20 Jahren an der Seite seines Vorgängers Cory Barlog, mit dem er ein freundschaftliches Verhältnis pflegt, musste Williams bei diesem Titel die Letztverantwortung tragen. Im Interview mit dem STANDARD gibt er zu, dass das nicht einfach war und die letzten vier Jahre sehr intensiv für den eher zurückhaltend wirkenden US-Amerikaner waren.

STANDARD: Hat das Studio diese positive Resonanz der letzten Tage erwartet?

Williams: Wir erwarten nie etwas, das wäre töricht. Wir machen das Spiel, so gut wir können, und wenn es einmal veröffentlicht ist, dann müssen andere Menschen über dessen Qualität entscheiden.

STANDARD: Konnte Ihr Vorgänger Barlog loslassen, oder hat er regelmäßig über Ihre Schulter geschaut, was mit seinem "Baby" passiert?

Williams: Wir sind so etwas wie Brüder. Er hat mich schon oft gefragt, ob ich nicht die Rolle übernehmen möchte, aber ich habe immer wieder abgelehnt. Schließlich habe ich für diesen Teil zugesagt, und er hat mir tatsächlich drei Rahmenrichtlinien präsentiert, denen ich folgen sollte, um den roten Faden, der 2018 mit dem Vorgänger gelegt wurde, weiterzuverfolgen. Danach hat er sich zurückgezogen und mir das Ruder überlassen. Gelegentlich habe ich ihn dann konkret zu einem Punkt befragt, um eine zweite Meinung einzuholen. So hat unsere Zusammenarbeit über die Jahre immer funktioniert. Schön war es auch zu sehen, dass wenn er das Spiel immer wieder ausprobiert hat, dass er bei manchen Dingen gefragt hat, wie und warum wir das auf diese Weise umgesetzt haben. Auch in solchen Fällen haben wir uns in beide Richtungen ausgetauscht. Es gab nie einen Streit.

STANDARD: Wie wichtig war der Vorgänger für "Ragnarök"?

Williams: Natürlich sehr wichtig, weil er das Fundament gelegt hat. Ich war die dritte Person, die am Vorgänger begonnen hat zu arbeiten, und so war es mir ein großes Anliegen, alle Stränge, die wir begonnen haben, zu einem Abschluss zu bringen. Am wichtigsten war natürlich, diese Vater-Sohn-Geschichte fertig zu erzählen. Es wäre natürlich verlockend gewesen, einfach alles noch größer und lauter zu machen, aber das wollten wir nicht. Nur weil man etwas machen kann, heißt das nicht, dass man es auch tun soll. So hatten wir immer diese Beziehung als Mittelpunkt, um den sich der Rest drehen sollte.

STANDARD: Sie arbeiten seit 2004 am Franchise "God of War". Das sind beachtliche 18 Jahre. Sie, Barlog und natürlich auch viele Spieler sind älter geworden. Ist das ein Mitgrund, die Story auf diesen Story-Kern zu fokussieren?

Williams: Absolut. Wir sind nicht mehr so jung wie damals, und auch unser Blick auf die Welt hat sich verändert. Cory hat in dieser Zeit ein Kind bekommen, und auch wenn ich kein Kind habe, war ich der Mitarbeiter, der seit 2018 die Fackel von Kratos' Sohn Atreus in der Firma trägt. Auch in diesem Teil habe vor allem ich mir überlegt, wie der zwölfjährige Eric in dieser Situation reagieren würde, in denen sich Atreus wiederfindet. Wie würde er diese Welt wahrnehmen? Wie würde er Probleme lösen? Unter unseren Mitarbeitern befinden sich natürlich auch zahlreiche Elternteile. Zusammen mit den Storyverantwortlichen haben wir so sehr intensiv daran gearbeitet, diese Beziehung so glaubhaft wie möglich zu inszenieren.

Eric Williams ist seit über 20 Jahren bei Sony Santa Monica tätig. Seit 2004 arbeitet er an der "God of War"-Serie.
Foto: Sony

STANDARD: Im Spiel übernimmt man gelegentlich auch die Rolle von Atreus, was sich völlig anders, aber nicht schlechter spielt. Eine Leistung, die in vielen Videospielen nicht gelungen ist.

Williams: Wir haben wirklich, wirklich viel Zeit aufgewendet, um Atreus dieselbe Wertigkeit zu geben wie seinem Vater Kratos. Für den Kampf hat das bedeutet, dass er natürlich nicht so ein Brocken ist wie Kratos, sondern vielmehr wie ein junger Boxer agieren sollte. Seine Agilität ist sein Vorteil. Er kann seine Gegner umlaufen und bleibt immer in Bewegung. Im Kampfsport nennt man das "tiefes Wasser", wenn man den Gegner auf diese Weise müde macht. Man zieht den Gegner in dieses tiefe Wasser, bis er ertrinkt. Genau das ist die Idee hinter der Spielbarkeit von Atreus.

STANDARD: Das Spiel sieht phänomenal aus, aber hätte es ohne die Pflicht, das Spiel auch auf die Playstation 4 bringen zu müssen, auf der neuen Playstation 5 noch besser aussehen können?

Williams: Nein, das Spiel sieht auf beiden Plattformen unglaublich schön aus. Wir mussten uns nie zurückhalten. Auf der PS 5 hat man mehr Einstellungsmöglichkeiten, etwa zwischen höherer Auflösung oder höherer Bildrate. Dass es auf beiden Plattformen so aussieht, liegt auch daran, dass wir keinen Fotorealismus anstreben, sondern unsere ganz eigene Artdirection haben. Es geht hier um eine High-Fantasy-Welt, die meiner Meinung nach die beste Artdirection der ganzen Branche hat. Ich würde es gegen jedes Spiel auf dem Markt antreten lassen. Dahinter steckt auch sehr viel Arbeit. Dieser "mythische Realismus", der das Spiel so einzigartig macht, basiert auf verschiedenen Säulen. Etwa Filmen, mit denen wir aufgewachsen sind, oder die nordische Mythologie. Auch historische Details wurden in diese Inszenierung eingeflochten. Es sind so viele Kleinigkeiten, die diesen Stil so unverwechselbar machen.

STANDARD: Gab es in den letzten Jahren ein Spiel, das Sie beeinflusst hat?

Williams: Nein. Ich habe diese Regel, dass ich keine Spiele im selben Genre spiele, während wir entwickeln. Zudem hatte ich wenig Zeit, und so habe ich tatsächlich in diesen vier Jahren nur drei Spiele gespielt. "The Last of Us II", "Ghost of Tsushima" und "Hades". Außerdem wären Einflüsse während der Entwicklung ohnehin zu spät, um sie noch einzubauen. Wenn du einmal zwei Jahre an einem Spiel arbeitest, wäre jede tiefgreifende Änderung eine Katastrophe.

STANDARD: Auffallend bei diesem Spiel sind die schier unendlichen Einstellungsmöglichkeiten und Accessibility-Features. Wie wichtig sind diese in einem Videospiel im Jahr 2022?

Williams: Dazu muss ich in die Playstation-2-Ära zurückgehen, als es noch nichts davon gab. Wir haben damals einen handgeschriebenen Brief von einem Jugendlichen bekommen, der "God of War" liebte. Er meinte, er hätte wunderbar bis in das Wüstenlevel spielen können – danach war er verloren. Ein Puzzle verlangte damals, dass man dem Sirenengesang folgen sollte, der rein akustisch zu vernehmen war. Er konnte dieses Rätsel nicht lösen, weil er gehörlos war. Vier Stunden lief er durch den Abschnitt, bis sein Bruder dazu kam und ihm sagte, woher der Gesang kam. Das brach mir das Herz, weil er bis dahin so eine gute Zeit hatte und wir an solche Dinge damals einfach nicht dachten. Deshalb bin ich sehr froh, dass wir diese Features jetzt alle einbauen können, um möglichst vielen Menschen zu ermöglichen, dieses Spiel genießen zu können.

STANDARD: Dann hoffe ich, dass Sie nach diesen stressigen Jahren und den vielen Interviews in den nächsten Wochen einen Gang zurückschalten können.

Williams: Nett von Ihnen, das zu sagen. Danke. (Alexander Amon, 10.11.2022)