Fast ein Jahrzehnt lang kämpften bis zu 5.500 französische Elitesoldaten gegen den Vormarsch libyscher und algerischer Jihadisten in den Sahelraum südlich der Sahara. Anfangs gab es einen Erfolg: 2013 verhinderten die Franzosen die Ausrufung eines islamistischen Gottesstaates namens Azawad im Norden Malis. Heute wüten die Jihadisten aber weiter in der Region; vor allem in Mali und Burkina Faso sterben bei Attacken auf ländliche Dörfer täglich Menschen.

Erlebt Frankreich im Sahel ein Fiasko wie die USA in Afghanistan?
Foto: FLORENT VERGNES / AFP

Seit dem Militärputsch in der malischen Hauptstadt Bamako Mitte 2021 sind die Franzosen dort nicht mehr erwünscht. Die Operation Barkhane wurde seither sukzessive abgebaut. Am Mittwoch hat sie Emmanuel Macron bei einem Auftritt im Militärhafen Toulon "offiziell für beendet" erklärt. 3.000 französische Soldaten sollen zwar in der Region stationiert bleiben, aber nicht mehr im Rahmen einer Militärmission, sondern aufgeteilt auf bestehende Garnisonen wie etwa in Niger, Burkina Faso und Tschad.

Parallele zu den USA in Afghanistan

Das Fazit ist unumgänglich: Frankreich hat das Vordringen der Jihadisten im bisher moderat muslimischen Sahel nicht verhindert. Und die Uno-Truppe Minusma hat das für Westafrika zentrale Mali keineswegs stabilisiert – im Gegenteil. Die mit ihren Pick-ups sehr mobilen Milizionäre der Al-Kaida- und des "Islamischen Staates" (IS) breiten sich zunehmend in Gebiete aus, wo die Putschregierung in Bamako über keine Autorität verfügt. Noch sind diese Jihadisten dort nicht an der Macht wie die Taliban in der afghanischen Hauptstadt Kabul. Pariser Medien ziehen dennoch Parallelen zum demütigenden amerikanischen Truppenabzug von 2021 aus Afghanistan.

Für Frankreich ist der Rückzug aus Mali noch weniger glorreich. An die Stelle der einsteigen Kolonialmacht treten Söldner der russischen Privatarmee Wagner. Juntachef Assimi Goïta telefoniert regelmäßig mit Kremlchef Wladimir Putin; an Kundgebungen in Bamako oder der burkinabischen Hauptstadt Ouagadougou werden russische Fahnen geschwungen und "Frankreich raus"-Parolen skandiert. Auch am Mittwoch las man in den sozialen Medien Afrikas Kommentare zum Barkhane-Endes wie etwa: "Sollen sie doch auf ewig fernbleiben." Gemeint sind die Franzosen.

Wie in der Ukraine

Die französische Diplomatie erkennt erst gerade, dass die Russen in Westafrika einen ähnlichen Propagandakrieg aufziehen wie in Sachen Ukraine. Laut der Zeitung "Le Monde" schickt die Regierung in Paris nun Beamte in die französischen Botschaften Westafrikas, wo sie per Pseudonym russische Fake-News kontern sollen. Noch die absurdesten Vorwürfe – etwa, dass Frankreich den Jihadisten Waffen liefere – finden über afrikanische Twitter- und Facebook-Konten eine flächendeckende Verbreitung. Westliche Geheimdienste orten dahinter meist russische Quellen.

Doch die antifranzösischen Ressentiments sind längst nicht nur ferngesteuert. "Frankreich benimmt sich, als wüsste es weiterhin besser als die Afrikaner, was gut ist für sie", erklärt der Soziologe Francis Akindès aus Côte d’Ivoire.

Selbst Macrons Ankündigung von Mittwoch zeugt davon: Der Präsident verkündete die Rückberufung und Umverteilung französischer Soldaten in Afrika, als würde Frankreich dort auf heimischem Boden handeln: Vertreter von Niger, Burkina oder Tschad, wo das neue Dispositiv gilt, waren nicht anwesend.

Ohne Absprache?

Inwieweit die französische Entscheidung "in Absprache mit den Partnern" erfolgte, wie Macron beteuerte, bleibt damit offen. Auch das deutsche Truppenengagement im Sahel ist davon betroffen. In Bamako mehren sich die bürokratischen Hürden gegen Berlin, obwohl Deutschland in Mali keine belastete Kolonialvergangenheit wie Frankreich hat.

Sorgt der russische Einfluss für die Verschlechterung der deutschen Lage in Mali? Auf jeden Fall baut die Bundeswehr ihren Luftstützpunkt in der nigrischen Hauptstadt Niamey aus – und folgt damit den französischen Truppen. Damit wackelt das größte deutschen Auslandsengagement, nachdem die Schweden Mali schon verlassen haben und die Niederländer auf dem Absprung sind. Macrons Ankündigung dürfte die Entscheidung in Berlin noch beschleunigen. (Stefan Brändle, 9.11.2022)