Das ist Donald Trump, wie er leibt und lebt: Gleich am Abend der Zwischenwahlen erklärte der streitbare Ex-Präsident, er sei selbstverständlich persönlich für alle Siege "seiner Kandidaten" verantwortlich. Die Verlierer aus den Reihen der ihm ergebenen Maga-Bewegung seien aber selbst schuld an ihrer Misere. Loser sind nichts für den Gewinnertypen Trump. Immerhin hat er ja selbst noch nie eine Präsidentschaftswahl verloren – sagt er.
Ein bisschen Magengrummeln dürfte Trump trotz aller Realitätsverweigerung beim Anblick der aktuellen Wahlergebnisse aber doch bekommen. Denn die "rote Welle", auf die Donald Trump auch seine Pläne für 2024 bauen wollte, ist definitiv ausgeblieben. Und das, obwohl die Ausgangslage für die Republikanische Partei ideal war. Die Beliebtheitswerte Joe Bidens sind im Keller, die weltweite wirtschaftliche Schieflage spielte der Grand Old Party in die Hände. Die Inflation und steigende Preise dominierten die letzte Phase des Wahlkampfes.
Wäre Trump nicht Trump, müsste er sich nun genau überlegen, ob er tatsächlich kommende Woche seine Kandidatur für 2024 erklären soll. Da Trump aber nicht aus seiner Haut kann, wird er es noch einmal wissen wollen – um es allen zu beweisen, um den Mythos der Hexenjagd zu perpetuieren, wenn seine Rolle beim Kapitolssturm auf Justizebene beleuchtet wird, um die Untersuchungen im Kongress zu beenden.
Die gute Nachricht: Offensichtlich haben doch etliche Wechselwähler und gemäßigte Republikaner erkannt, welch Geistes Kinder Trump und seine Zöglinge sind. In vielen Staaten wurden erklärte Wahlleugner oder extreme Kandidaten wie der Verschwörungstheoretiker Dough Mastriano an den Urnen abgestraft oder zumindest nicht in höhere Ämter gewählt.
Klassenkampf
Dies als Entwarnung zu sehen und die US-Demokratie schon als gerettet zu betrachten, wäre natürlich fahrlässig. Immerhin haben mehr als 150 Kandidaten und Kandidatinnen, die an den Mythos der gestohlenen Wahl glauben, politische Ämter in den Bundesstaaten ergattert. Und auch ins Repräsentantenhaus werden zahlreiche radikalere, lautere, extremere Kandidatinnen und Kandidaten einziehen.
Trump-Fans verabreden sich in sozialen Medien schon wieder zum Klassenkampf. Das innenpolitische Klima wird noch deutlich rauer werden. Für US-Präsident Joe Biden werden die nächsten beiden Jahre nicht einfach.
Auch deshalb nicht, weil er sich bewusst ist, dass sogar seine eigene Partei ihn nicht als geeigneten Kandidaten für 2024 sieht. An diesem "Personalproblem" haben auch die Zwischenwahlen vom Dienstag nicht viel geändert. Zwar versuchten sich einige Demokraten wie der wiedergewählte kalifornische Gouverneur Gavin Newsom in Stellung zu bringen. Ob sie den ihnen fehlenden Präsidentenbonus ausgleichen könnten, ist aber fraglich. Für Trump hingegen ist aus dem Zwischenwahlkampf ein äußerst starker parteiinterner Gegner erwachsen: Gouverneur Ron DeSantis, ein ultrarechter Hardliner, landete in Florida einen Erdrutschsieg.
Der Wahlkampfmodus wird jedenfalls nicht eingestellt, die politischen Schlammschlachten dürften nur in eine neue, intensivere Runde gehen. Für Dienstag kommender Woche wird erwartet, dass Trump bereits seine Kandidatur für 2024 ankündigt. Es wird bestimmt nicht fad in den USA. (Manuela Honsig-Erlenburg, 10.11.2022)