André Heller in der Bredouille.

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Bubenstreich hin oder her: Seit dem Bekanntwerden der Causa rund um André Heller kam in den letzten Tagen die Frage auf, ob die heimischen Behörden nicht doch in der Sache tätig werden würden. Denn einen Rahmen zu basteln, mit Motiven aus einer zerschnittenen Entwurfszeichnung von Jean-Michel Basquiat zu bekleben und als Basquiat-Original zu verkaufen ist eben kein "kindischer Streich", es ist eine Täuschung, die durch den Verkauf mutmaßlich den Straftatbestand des Betrugs erfüllen könnte.

Zwischenzeitlich liegt der Staatsanwaltschaft eine anonyme Anzeige vor, und nun wird der Anfangsverdacht geprüft, wie eine Sprecherin dem STANDARD bestätigte. Auch das Landeskriminalamt wurde mit einer Sachverhaltsdarstellung aktiv.

Der Hintergrund: Betrug ist ein Offizialdelikt, bei dem von Amtswegen ermittelt werden muss. Gemessen am Verkaufspreis von 800.000 Euro geht es sogar um den Verdacht des schweren Betruges. Teile der Öffentlichkeit mögen ihr moralisches Urteil längst gefällt haben, rechtlich gilt für André Heller die Unschuldsvermutung. Ob es zu Ermittlungen kommt, wird sich weisen.

Tätige Reue oder doch nicht?

Wie berichtet, hatte Thomas Höhne einen mutmaßlichen Betrug seines Mandanten im "Kurier" in Abrede gestellt: Weder der Vorsatz der Bereicherung noch der Vorsatz der Vermögensschädigung eines anderen seien gegeben gewesen. Eine Einschätzung, die nicht alle Juristinnen und Juristen teilen. Dazu mehren sich Zweifel, ob die zuletzt in diesem Zusammenhang genannte "tätige Reue" tatsächlich erfüllt wurde.

Dieser Strafaufhebungsgrund bei Vermögensdelikten ist an strenge Vorgaben geknüpft: Die Schadensgutmachung muss "rechtzeitig, freiwillig und vollständig" erfolgen. Im Falle André Hellers geht es also um die durch die "Falter"-Recherche ausgelöste Rückabwicklung des einstigen Rahmenverkaufs.

Rechtzeitig? Das bezieht sich auf die Schadensgutmachung, bevor die Behörde vom Verschulden erfährt. Eines Tätigwerdens, etwa in Form von Ermittlungen, bedarf es dabei jedoch nicht. Die "Falter"-Recherchen könnten jedoch eine Rolle gespielt haben.

Laut Hellers Anwalt sei die Rückabwicklung vor der Veröffentlichung vereinbart, aber erst nach Erscheinen des Berichts vollzogen und der einstige Kaufbetrag überwiesen worden. Aus seiner Sicht ist die Rechtzeitigkeit zweifelsfrei gegeben. Für andere Anwälte, etwa Ernst Ploil, ist jedoch entscheidend, ob und wann sich Heller zur Rückzahlung des Kaufpreises entschlossen und dies mit dem Käufer vereinbart hat.

Weshalb der Rückkauf?

Dazu wirft die Rückabwicklung eine prinzipielle Frage auf. Denn Heller und sein Anwalt hatten im "Kurier" darauf verwiesen, dass das Objekt "als Rahmen, auf dem sich Basquiat-Zeichnungen befinden" verkauft worden wäre. Warum also sah sich André Heller zum Rückkauf überhaupt veranlasst? Eine Vorsichtsmaßnahme seines um "seinen guten Ruf" besorgten Mandanten, lässt Höhne durchblicken. Dem widerspricht der Zwischenhändler Amir Shariat im Gespräch mit dem STANDARD: Der Rahmen sei auf der zugehörigen Rechnung eindeutig als Werk Jean-Michel Basquiats ausgewiesen gewesen. Auf Wunsch Hellers habe er also den Käufer jüngst informiert und habe dieser in der Folge die Option der Rückabwicklung gewählt, erzählt Shariat.

Der einstige Kaufpreis von 800.000 Euro spricht jedoch nicht für Hellers Behauptung. Ganz im Gegenteil: Eine solche Jean-Michel- Basquiat-André-Heller-Mesalliance hätte trotz der eingearbeiteten originalen Fragmente einen deutlich geringeren Wert, vielleicht 50.000, höchstens 70.000 Euro, schätzt Otto Hans Ressler.

Zugetextet und getestet

Der Kunstmarktexperte und Auktionator hat Hellers Vorgehen und nachträgliche Rechtfertigungen in einem STANDARD-Gastkommentar diese Woche heftig kritisiert: Hätte er nur "einem etwas zu selbstbewussten Kunstexperten dessen Grenzen aufzeigen" wollen, "hätte der ,Scherz‘ spätestens enden müssen, bevor Geld den Besitzer wechselt".

Wie berichtet, hatte Heller im "Falter"-Interview die Lüge damit begründet, den international tätigen Kurator Dieter Buchhart prüfen zu wollen. Denn nachdem der ihn und alle anderen mit seinem Basquiat-Wissen zugetextet habe, sei der Tag gekommen, "an dem ich ihn testen wollte".

Eine Rechtfertigung, die aktuell in einem eigentümlichen Licht erscheint. Denn einem neuen Falter-Bericht zufolge sind Heller und Buchhart Geschäftspartner: bei der im Mai vergangenen Jahres im US-Bundesstaat Delaware gegründeten Lunatopia LLC.

Dieses Unternehmen dürfte im Zusammenhang mit der offenbar kurz bevorstehenden Reaktivierung des Luna-Luna-Vergnügungsparks stehen, den Heller 1990 für sechs Millionen Dollar in die USA verkaufte. Auf Anfrage bestätigt der österreichische Kunsthistoriker eine kuratorische Involvierung, jedoch habe er seine Arbeit an dem Projekt am 25. März 2022 beendet. Seitdem habe er "keinerlei Verbindungen mit der Firma oder ihren Prinzipalen". (Olga Kronsteiner, 10.11.2022)