Der Traiskirchener Bürgermeister Andreas Babler (SPÖ) spricht von inakzeptablen Zuständen im Erstaufnahmezentrum.

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Mühsam gestaltet sich nach wie vor die Quartiersuche für Asylwerbende – mehrheitlich Männer, viele davon aus Syrien und Afghanistan. Mittwochnachmittag lud Innenminister Gerhard Karner die Landeshauptleute daher zu einem hybriden Treffen in Wien. Es sollten Wege gesucht werden, um Flüchtlingsobdachlosigkeit zu verhindern. Vor dieser hatte zuletzt auch das UN-Flüchtlingshochkommissariat UNHCR gewarnt.

Das Spitzengespräch zwischen Innenminister Karner und den Landeshauptleuten hat am Mittwochabend noch kein greifbares Ergebnis zur Unterbringung von Flüchtlingen gebracht. Allerdings wurde ein "Teuerungsausgleich" besprochen, um private Quartiergeber zu entlasten. Wiens Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ) pochte indes darauf, dass seine Kollegen ihre Vorgaben aus der Bund/Länder-Vereinbarung erfüllen.

Aus dem Innenministerium hieß es Mittwochabend auf APA-Anfrage, man sei dankbar darüber, dass eine einhellige politische Willensbildung darüber erzielt werden konnte, alles zu tun, um kurzfristig Obdachlosigkeit zu verhindern und mittelfristig auf europäischer Ebene klare Akzente gegen "die derzeitige Aushöhlung des Asylsystems zu setzen".

Lösung in St. Georgen

Zwar herrschte am Dienstag bei der Bundesbetreuungsagentur BBU Aufatmen in Sachen St. Georgen. Die 100 dort in Zelten unterbrachten Männer, die diese aufgrund eines Bescheids des Bürgermeisters bis Mittwoch verlassen mussten, wurden doch in oberösterreichische Landesbetreuung aufgenommen: Sie erhalten ein festes Dach über den Kopf.

Dadurch habe sich die angespannte Situation in der Bundesgrundversorgung aber keineswegs gebessert, sagte ein BBU-Sprecher dem STANDARD. Tatsächlich hat die BBU nach wie vor nur 8.000 Wohnplätze zu vergeben – auch deshalb, weil die Eröffnung neuer Bundesquartiere vielfach auf ebenso erbitterten Widerstand in Gemeinden trifft wie Pläne für Länder-Wohnprojekte. Letzteres ist etwa im Kärntner Spittal an der Drau der Fall.

Kontinuierlicher Bedarf

Die BBU muss täglich zwischen hundert und 400 Menschen zusätzlich unterbringen. Die konkrete Zahl variiert, sie ergibt sich aus der Zahl neu ankommender Personen minus jener Menschen, die die Bundesgrundversorgung wieder verlassen – sei es, dass sie in die Länderbetreuung wechseln oder weil sie in andere europäische Staaten weiterreisen. Das führt zu einem kontinuierlichen Quartierzusatzbedarf, der durch die Übernahmen in die Länder, wo Asylwerbende den Ausgang ihres Verfahrens von Rechts wegen abwarten sollen, nicht ausgeglichen wird.

Immerhin, so der BBU-Sprecher, würden sich nun mehrere Bundesländer ernsthaft um mehr Plätze bemühen. Am umtriebigsten sei Vorarlberg, aber auch Tirol habe zahlreiche Übernahmen angekündigt. Auch in Oberösterreich steige die Aufnahmebereitschaft.

Traiskirchen über dem Limit

Aus Niederösterreich kam am Mittwoch hingegen ein Alarmruf. Der Bürgermeister von Traiskirchen, Andreas Babler (SPÖ), sprach von untragbaren Zuständen im dortigen Bundeserstaufnahmezentrum. "Die Situation droht trotz Verbesserungszusagen des Innenministeriums nunmehr zu eskalieren", so Babler. Es gebe riesige Warteschlangen an der Essensausgabe bei Nässe und Kälte im Freien, Menschenmengen, die in Zimmern zusammengepfercht seien, und trostlose Zustände für Kleinkinder. Der Traiskirchener Bürgermeister forderte, dass Innen- und Verteidigungsministerium sofort leerstehende Bundesressourcen zur Verfügung stellen sollen.

Volkshilfe-Direktor Erich Fenninger befürchtet, dass bestehende Flüchtlingsquartiere, die von Hilfsorganisationen im Auftrag der Länder betrieben werden, bald wieder schließen müssen, weil es enorme Kostensteigerungen gebe. Nur ein sofort wirksamer Teuerungsausgleich für Grundversorgungsquartiere könne gegensteuern. Dann könnten auch neue Quartiere entstehen, so Fenninger.

Flüchtlinge in Wiener Hotel untergebracht

In Wien gibt es unterdessen eine neue Unterkunft für ukrainische Geflüchtete: Das Hotel de France soll bis zu 350 Ukrainerinnen und Ukrainer aufnehmen. Das historische Gebäude am Wiener Schottenring wurde ursprünglich für die Weltausstellung 1873 gebaut. Später funktionierte es unter anderem auch als Kriegslazarett während des Zweiten Weltkriegs, danach war es viele Jahre ein nobles Hotel. Jetzt wird es zur Flüchtlingsunterkunft: Man möchte hauptsächlich ukrainischen Familien, Frauen und Kindern eine Herberge bieten.

Organisiert wurde das Quartier durch den Verein "Wir helfen rasch" in Kooperation mit dem Samariterbund Wien. Finanziert wird das Projekt über private Spenden und durch Förderungen des Fonds Soziales Wien. Peter Hacker, Wiener Gesundheitsstadtrat (SPÖ), zeigt sich erfreut über die Flüchtlingsunterbringung der Hauptstadt: Rund 26.000 ukrainische Geflüchtete hätten hier seit Kriegsbeginn einen Zufluchtsort gefunden. "Wien zeigt eindrucksvoll, was geht, wenn alle an einem Strang ziehen", sagt Hacker. (Irene Brickner, Alara Yilmaz, Michael Simoner, APA, 9.11.2022)