"Ich stehe zu meinen Fehlern und gebe dafür niemandem die Schuld außer mir selbst": Schroms Abschiedsmail an die ORF-Redakteurinnen und ORF-Redakteure.

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Wien – "Die letzten viereinhalb Jahre waren mehr als ein peinlicher Chat", schreibt Matthias Schrom in einer Rundmail an die ORF-Newsredaktion. Mit dem teils emotionalen Schreiben verabschiedete sich Schrom am Mittwoch aus der TV-Chefredaktion nach Bekanntwerden seiner "unschönen" Chats mit dem damaligen FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache vom Februar 2019. ORF-Chef Roland Weißmann hat am Mittwoch sein Rücktrittsangebot angenommen.

"Mehr Filter und Interventionsabwehrkämpfer als manchen bewusst"

Schrom räumt in der Mail mehrfach "Stärken und Schwächen" ein, aber: "Ich behaupte, dass ich mehr Filter und Interventionsabwehrkämpfer war, als manchen bewusst sein könnte – und zwar so, dass nicht jede Gesprächsbasis zur Politik zerstört wird in einem Unternehmen, dessen Aufsichtsgremien politisch beschickt werden und das letztlich von den Entscheidungen der Politik abhängig ist."

Nachfolgerin unabhängig "wie nie zuvor" jemand in der Chefredaktion

Schroms Funktion als Chefredakteurin hat Schroms Stellvertreterin Eva Karabeg interimistisch übernommen. Schrom "versichert" den Redakteurinnen und Redakteuren: "Noch nie zuvor ist jemand von der Politik derart Unabhängiger in so eine Funktion gelangt." Er bittet um Unterstützung und einen "Vertrauensvorschuss" für Karabeg, die er als "zu 100 Prozent integer" beschreibt. Sie "verdient sich, diese Redaktion zu leiten". Schrom: "Bitte unterstützt sie – nicht für mich, sondern für den ORF."

"Ich stehe zu meinen Fehlern und gebe dafür niemandem die Schuld außer mir selbst, deshalb ziehe ich auch die aus meiner Sicht nötigen Konsequenzen", schreibt Schrom: "Ich habe für mich entschieden, euch und dem ORF das Dilemma zu ersparen, zwischen der offenbar vorhandenen Anerkennung meiner Arbeit und dem besagten Chat abstimmen zu müssen. Es tut mir wirklich weh, aber es ist im Sinne des ORF, und deshalb habe ich dem Generaldirektor vorgeschlagen, mich von meinen Aufgaben als Chefredakteur zu entbinden. Ich hoffe, damit zu einer Kalmierung beitragen zu können."

Er wolle "nicht in eine Reihe mit Beschuldigten oder Kriminellen gestellt werden", schreibt er: "Ich habe auch weder für Verwandte noch mich selbst um Jobs gebettelt."

Jüngeren Menschen etwas zutrauen

Schrom schreibt, er hätte "große Lust gehabt, auch in den kommenden Jahren als Chefredakteur weiterzuarbeiten. Die Ereignisse der letzten Tage zeigen mir aber, dass das leider nicht so möglich wäre, wie es nötig ist, wenn man eine Reformagenda voranbringen und eine Redaktion leiten will. Ich wünsche euch von Herzen alles Gute für die kommenden Herausforderungen."

Der zurückgetretene Chefredakteur verweist auf Neuerungen in seiner Amtszeit wie die "ZiB 2" am Sonntag, die "Aktuell"-Sendungen, Social-Media-Aktivitäten der "ZiB". "Besonders stolz" sei er "darauf, dass es gelungen ist zu beweisen, das auch jüngere Kolleg:innen eine ganze Menge draufhaben, und man Menschen was zutrauen muss."

In Schroms Amtszeit wurde etwa Tobias Pötzelsberger Anchorman der "ZiB 1". Pötzelsberger, Simone Stribl, Patrick Swanson und Matthias Westhoff prägten die Berichterstattung am Ibiza-Wochenende 2019. Stribl und Pötzelsberger führten "Sommergespräche", Pötzelsberger 2022 gemeinsam mit der ORF-Radio-Journalistin Julia Schmuck. (fid, 10.11.2022)