Der Schutzeffekt durch die Corona-Impfung sei substanziell und das Risiko für Impfschäden minimal, beruhigen Expertinnen und Experten.

Foto: Reuters/Pool

Es ist eine besorgniserregende Meldung, die aktuell die Runde macht: Durch die vierte Corona-Schutzimpfung komme es öfter zu milden Schäden am Herzmuskel als vorausgesagt, steht in Medienberichten. Basis dafür ist eine Studie von Forschenden der Universität und des Unispitals Basel, die noch von keinem Fachjournal begutachtet wurde.

Für die Untersuchung hat das Forschungsteam bei 777 Personen drei Tage nach der Auffrischungsimpfung das Protein Troponin im Blut gemessen. Das Ergebnis: Die Werte seien erhöht gewesen, und das lasse auf eine Schädigung des Herzmuskels schließen, so die Forschenden. Bernhard Metzler, Präsident der Österreichischen Kardiologie-Gesellschaft, entgegnet dem: "Der gemessene erhöhte Wert ist de facto in allen Fällen bedeutungslos." Was stimmt nun also?

Erhöhter Proteinwert im Blut

Zum Hintergrund: Troponin ist ein Protein, das in Herzmuskelzellen vorkommt. Ist das Protein also im Blut messbar, weiß man, dass wohl irgendwo im Herz ein Schaden passiert sein muss – etwa durch kleine Überanstrengungen, eine Myokarditis, also eine Herzmuskelentzündung, oder einen Herzinfarkt.

Im Rahmen der Studie wurde drei Tage nach der Auffrischungsimpfung mit dem Moderna-Vakzin ebendieses Protein im Blut gemessen. Bei 20 Frauen und zwei Männern von den 777 untersuchten Personen war der Wert erhöht. Damit seien mit 2,8 Prozent deutlich mehr von Impfnebenwirkungen betroffen als die erwarteten 0,0035 Prozent, so der Studienleiter und Kardiologe Christian Müller.

Aber: Dass der Troponinwert nach Impfungen jeglicher Art erhöht sein kann, weiß man in der Medizin seit Jahrzehnten. "Jede Impfung ist eine Immunreaktion. Das ist das Prinzip von Impfungen. Und an ebendieser Immunreaktion kann auch das Herz mitbeteiligt sein", erklärt Kardiologe Metzler. Die in den Medien nun besprochene Studie untersuche zwar nur die Folgen der vierten Corona-Impfung, es gebe aber "mutmaßlich keine Unterschiede" zu allen anderen Corona-Impfungen. "Man hätte das in anderen Studien zuvor wohl genauso messen können", glaubt Metzler.

Der Troponinwert ist nämlich einer der sensitivsten Werte in der Medizin, das heißt: Schon die kleinste und für die Gesundheit oft unbedeutende Veränderung kann gemessen werden. "Der Wert schlägt schon bei der kleinsten Herzbeteiligung aus", sagt Metzler und betont: "Beteiligung, nicht Herzschaden!" Oft spürt man dann nicht einmal milde Symptome wie Druck auf der Brust, Müdigkeit oder Kurzatmigkeit. Der Wert ist selten von klinischer Bedeutung, wie Metzler mit einem Beispiel erklärt: "Eine Sportlerin hat nach einem Marathonlauf genauso ein erhöhtes Troponinlevel im Blut, weil die sportliche Betätigung die Herzmuskelzellen belastet."

Im Normalfall wird der Wert bei gesunden Menschen gar nicht gemessen, er ist viel eher ein Zufallsbefund bei Untersuchungen. Aber durch Corona ist das Protein in aller Munde: "Das Corona-Vakzin ist wahrscheinlich die am besten untersuchte Impfung aller Zeiten", sagt Metzler. Wie bei anderen Vakzinen habe man deshalb auch hier die Troponinwerte untersucht. Eine erste Studie dazu kam bereits vor einiger Zeit aus Israel: "In dieser Untersuchung war einer von 6.600 Männern und eine von 99.000 Frauen von erhöhten Werten betroffen", berichtet Metzler. Im Vergleich dazu ist die Studie aus Basel sehr klein.

Impfreaktion statt Impfschaden

Zudem müsse man zwischen einer sehr milden Troponinerhöhung, wie das in der Studie aus Basel der Fall ist, und einer klinisch relevanten Herzmuskelschädigung unterscheiden, sagt Metzler: "In nahezu allen Fällen beruhigt sich der Wert schon nach wenigen Tagen wieder, und der Schaden am Herzmuskel heilt ohne Folgen ab." Das zeigte sich auch in der Studie: Waren am dritten Tag nach der Impfung die Werte bei 22 untersuchten Personen noch erhöht, war das Troponin an Tag vier bei der Hälfte der Frauen und bei beiden Männern schon wieder im Normbereich. Zum Vergleich: Einen Herzinfarkt könnte man noch Wochen später im Blut nachweisen.

Angesichts des kurzen Zeitraums, in dem der sehr sensitive Wert minimal erhöht sei, handle es sich wohl viel eher um eine Impfreaktion als um einen Impfschaden, betont Metzler. Auch der Studienautor und Kardiologe Christian Müller betont den milden Charakter der Schädigung: "Mit anderen Methoden wie einer Kernspintomografie hätten wir keine Schäden am Herzmuskel feststellen können."

Risiko der Impfung verschwindend klein

Generell seien Herzmuskelentzündungen eine sehr seltene Nebenwirkung von Impfungen. "Eine klinisch schwere Herzmuskelentzündung sieht man bei uns in der Klinik seltener als einmal im Jahr und wenn, dann bei jungen Sportlern", berichtet Metzler. Junge Menschen sind davon eher betroffen als Ältere, was laut Metzler wohl daran liegt, dass junge Menschen sich nach Impfungen weniger körperlich schonen und schneller wieder Sport machen. Deshalb werde nach Impfungen auch grundsätzlich empfohlen, das Herz ein paar Tage zu schonen und auf anstrengenden Ausdauersport zu verzichten.

Alles in allem sollte man das Studienergebnis "nicht überbewerten, aber auch nicht ignorieren", wird der Studienautor Christian Müller in einer Aussendung der Universität Basel zitiert. Die Impfstoffe böten einen effizienten Schutz, dennoch hoffe er, dass die Impfstoffhersteller das Phänomen der Herzmuskelzellschädigung künftig noch besser berücksichtigen.

Diese Studie sei "eine Beobachtung, von der man keine klinische Bedeutung ableiten" könne, findet dagegen Metzler. Der Nutzen einer Impfung sei substanziell, das Risiko minimal. Oder anders ausgedrückt: Im Vergleich zum Risiko, das eine Infektion mit sich bringe, sei das der Impfung "verschwindend klein". (Magdalena Pötsch, 11.11.2022)