ORF-Stiftungsratsvorsitzende Lothar Lockl.

Foto: APA/GEORG HOCHMUTH

Wien – In einem Bericht der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) enthaltene Chat-Auszüge werfen ein schlechtes Licht auf die Unabhängigkeit mancher (ehemaliger) ORF-Stiftungsräte. So tauschte sich etwa der ehemalige Stiftungsratsvorsitzende Norbert Steger mit FPÖ-Spitzenpolitikern darüber aus, wie der ORF personell und inhaltlich auf Linie gebracht werden könne, hier berichtet DER STANDARD ausführlich über diese Chats. Mehrere Parteien drängen nun auf eine Gremienreform, geplant ist diese laut Medienministerium nicht.

Lockl: "Parteinähe nicht ausschlaggebend"

Für eine ORF-Gremienreform zeigte sich der gegenwärtige ORF-Stiftungsratsvorsitzende Lothar Lockl im Gespräch mit der APA "offen". Aber die Entscheidung darüber sei Sache der Politik. Was er von den Chats seines Amtsvorgängers hält? Es sei "natürlich" auch Aufgabe von Stiftungsräten, die Interessen des ORF zum Wohle des Unternehmens gegenüber der Politik zu vertreten. Er selbst habe aber "eine andere Vorstellung" als Steger davon, wie man als Stiftungsratsvorsitzender die Unabhängigkeit des ORF sicherstellt. Er bat, das jetzige oberste Gremium des ORF an seinen Taten zu messen. "Ich bin sehr froh, dass der Stiftungsrat einer Stärkung des Redakteursstatuts zugestimmt hat", so Lockl, der auf grünem Ticket ins oberste ORF-Gremium bestellt wurde. Das habe die Unabhängigkeit und Glaubwürdigkeit jedenfalls gestärkt. Auch habe man bei wesentlichen Personalentscheidungen im Unternehmen auf Qualifikation an oberster Stelle geachtet. "Parteinähe war in keiner Weise ausschlaggebend."

Grüne, SPÖ und Neos zu Gremienreform

Grüne, SPÖ und NEOS erneuerten auf APA-Anfrage ihre Forderung nach einer ORF-Gremienreform. Eva Blimlinger, Mediensprecherin der Grünen, will den Stiftungsrat "massiv verkleinern" und Änderungen bei den Nominierungsrechten. Derzeit weist das Gremium 35 Mitglieder auf. Diese werden von Regierung (9), Parlamentsparteien (6), Bundesländern (9), ORF-Publikumsrat (6) und Zentralbetriebsrat (5) beschickt. "Politikferne sollte jedenfalls eine Partei-Politikferne sein. Eine gänzliche Politikferne kann und soll es bei einem öffentlich-rechtlichen Rundfunk eigentlich nicht geben", so Blimlinger. Denn es gehe auch um ausreichende und unabhängige Finanzierung, und diese müsse wohl gesetzlich festgelegt werden.

Auch die SPÖ fordert eine Reformdiskussion zu den ORF-Gremien. Die in den vergangenen Tagen öffentlich gewordenen Chats "zeigen Handlungsbedarf, um die Unabhängigkeit und Glaubwürdigkeit des ORF sicherzustellen", so SPÖ-Mediensprecher Jörg Leichtfried. Die Partei tritt etwa für eine geheime Wahl des ORF-Chefs und einen transparenten Bestellungsprozess ein. Außerdem solle man diskutieren, die Wahlgremien auf breitere Beine zu stellen. "Möglich wäre das etwa durch die zusätzliche Einbeziehung repräsentativer Organisationen in den Stiftungsrat, die für Gesellschaft und Kultur Bedeutung haben – wie NGOs, Kammern, Sozialorganisationen oder Vertreter*innen aus Filmwirtschaft oder der Wissenschaft", so Leichtfried, der meinte, dass es mit der SPÖ "jedenfalls keine 'Sideletter' für ORF-Postenbesetzungen" geben würde.

"Die jüngsten Chat-Enthüllungen zeigen einmal mehr, dass es allerhöchste Zeit ist, den ORF endlich zu entpolitisieren. Wir wollen einen unabhängigen ORF, der mit unabhängigem Journalismus einen Grundpfeiler der Demokratie darstellt, echten Mehrwert für die Bevölkerung liefert und nicht der Spielball einzelner parteipolitischer Akteure ist", pochte Neos-Mediensprecherin Henrike Brandstötter auf eine Gremienreform. Die Gremien sollen nach Vorstellung der NEOS zu einer Hauptversammlung entwickelt werden, die sich aus gelosten Personen aus der Bevölkerung, Vertreterinnen und Vertretern zivilgesellschaftlicher Institutionen und nur mehr einer Person pro Parlamentsklub zusammensetzt. Gemeinsam sollen diese auf Basis von Ausschreibungen und Hearings ein Präsidium wählen, das dann den Vorstand bestellt.

Dass es auch tatsächlich zu einer Gremienreform kommt, scheint unwahrscheinlich. Schließlich hielt das Medienministerium unter Susanne Raab (ÖVP) auf APA-Anfrage fest: "Eine Gremienreform ist im Regierungsprogramm nicht vorgesehen." Gearbeitet werde derzeit an einer ORF-Digitalnovelle und der Umsetzung eines Verfassungsgerichtshof-Erkenntnisses zur Finanzierung des ORF. (APA, 10.11.2022)