Meetings mit dem Hohepriester – ein ganz klassisches Ritual des Professionalismus.

Foto: imago images/ingimage

Was passiert eigentlich in Büros? Das mag für Menschen, die schon länger im Berufsleben stehen, nach einer geradezu banalen Frage klingen: Dort wird gearbeitet, ist ja klar. Auf dem Tiktok-Kanal ".thegoodcult", der sich mit allerlei obskuren Themen rund um Sekten und Okkultes dreht, hat man hingegen eine ganz andere Antwort: Es sei ein Irrglaube, dass in Büros tatsächlich gearbeitet oder gar etwas produziert werde, heißt es dort – stattdessen handle es sich dabei um religiöse Gebäude.

Die Religion des Professionalismus

In dieser Tempeln huldige man einer Religion namens "Professionalismus", deren Grundprinzip jenes der "Hierarchie" sei. Dinge wie "Visionen" und "Missionen" seien nicht real, sondern Teile eines Rituals.

Professionalismus sei eine polytheistische Religion, die Gottheiten seien jeweils die Unternehmen, erklärt die Dame im Video: "Manchmal nehmen diese Gottheiten menschliche Formen als etwas an, das man als C-Levels bezeichnet." Die CEOs oder CFOs seien so etwas wie Hohepriester, die jedoch selbst nicht handeln, sondern lediglich existieren. Für diesen Zweck haben sie Mittelmänner, die man als "Manager" bezeichnet. Deren Aufgabe ist es wiederum, die unteren Ränge zu kontrollieren.

Dafür gibt es wiederum eigene Rituale, die man als "One-on-One" bezeichnet. In diesen Ritualen trägt der Untergebene eine Liste an nicht erledigten Aufgaben vor, während der Manager traditionelle Formeln wie etwa "Ich wünsche mir ein flexibleres Mindset" vorträgt.

Meditieren statt arbeiten

Im Alltag hingegen müssen die Untergebenen eine Art meditative Pose einnehmen, bei der sie auf einem Sessel sitzen und auf einen Bildschirm starren. Ob es sich hier tatsächlich um Arbeit handelt, ist umstritten – im Grunde spielt es aber keine Rolle.

Die Einzigen, deren Tätigkeit in diesen Tempeln nämlich wirklich mit Arbeit zu tun hat, sind Menschen wie Assistenten und Praktikantinnen: Sie achten morgens darauf, dass Kaffee gekocht wird und genug Papier im Drucker ist, erklärt die selbsternannte Expertin. Den Großteil des Tages verbringen sie damit, Objekte innerhalb des Gebäudes von einem Ort zu einem anderen zu tragen. Manchmal gehen sie ins nahegelegene Dorf, um Besorgungen zu machen.

Alle diese Menschen erbringen den Hohepriestern des C-Levels eine Opfergabe, die man als "E-Mail" bezeichnet. Es gebe keine Anzeichen, dass sich dadurch wirklich etwas ändert, viel mehr handle es sich um einen Akt des Glaubens – der im Endeffekt aber wirke, denn schließlich bekomme man dafür Geld. (red, 10.11.2022)