Innenminister Gerhard Karner (ÖVP) will per Gesetz Menschen, die Kriegsvertriebene privat aufnehmen, finanzielle Unterstützung zukommen lassen.

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Unterkünfte für Flüchtlinge zu schaffen ist nach wie vor das dringendste Problem in der heimischen Asylpolitik. Nur Wien und das Burgenland können derzeit ihre Vorgaben sogar übererfüllen. Doch zumindest für private Quartiergeber, denen die Kosten angesichts der allgemeinen Teuerungswelle über den Kopf wachsen, soll es bald mehr finanzielle Unterstützung geben. In der Praxis betrifft das in erster Linie Menschen, die ukrainischen Kriegsvertriebene aufgenommen haben.

Laut einem Sprecher von Innenminister Gerhard Karner (ÖVP) könnte der Teuerungsausgleich "nach einer kurzen Begutachtung" noch im Dezember beschlossen werden. Es werde sich um ein Bundesgesetz handeln, das einer schwarz-grünen Koalitionsmehrheit bedarf. Der grüne Koalitionspartner sei dazu bereit.

Rückwirkend gültig

Der Teuerungsausgleich solle dann rückwirkend ab 1. November 2022 gelten und befristet sein – für vorerst sechs Monate. Das Geld dafür werde aus dem Innenministeriumsbudget für Asyl und Fremdenwesen kommen. Zur Höhe des Teuerungsausgleichs gibt es noch keine Angaben. Auszahlen müssten jedoch die Grundversorgungsstellen in den Bundesländern. Dort wird derzeit bereits jetzt vielfach über Überlastung geklagt. Um die Ausbezahlung zügig zu gestalten, müsse dort vorübergehend eben mehr Personal beschäftigt werden, sagt dazu Lukas Gahleitner vom NGO-Zusammenschluss Asylkoordination.

Den Teuerungsausgleich befürwortet er als "wichtige strukturelle Maßnahme". Diese werde zwar keine zusätzlichen organisierten Quartiere für Asylwerbende bringen, an denen es derzeit akut mangelt. "Aber sie wird dazu beitragen, dass mehr Flüchtlinge in privaten Unterkünften bleiben können."

Lob für Zivilgesellschaft

Private Unterkünfte für Flüchtlinge gibt es derzeit so viele wie nie zuvor, "eine große Leistung auch der Zivilgesellschaft", sagt Gahleitner. 53.000 Menschen – Ukraine-Vertriebene ebenso wie Asylwerdende – seien aktuell privat untergebracht. 2017, also vor dem Ukraine-Krieg, seien es 15.000 Personen gewesen. Dafür gebe es jetzt 30.000 Plätze in organisierten Unterkünften. 2017 seien es 50.000 gewesen.

Auch Erich Fenninger, der Bundesgeschäftsführer der Volkshilfe, begrüßt im STANDARD-Gespräch den geplanten Teuerungsausgleich für private Quartiergeber. "Damit kann sicher verhindert werden, dass Menschen in die Obdachlosigkeit rutschen." Er fordert auch Unterstützung für organisierte Unterkünfte, wie sie etwa Volkshilfe, Caritas und Diakonie im Auftrag der Bundesländer anbieten. Derzeit sei man mit Kostensteigerungen von 38 Prozent konfrontiert, Hilfe von Bund und Ländern sei dringend notwendig. Und schnell. Die beschlossene Tagsatzerhöhung auf 25 Euro pro Quartierplatz werde erst in vier Bundesländern umgesetzt.

Sieben-Punkte-Programm

Fenninger verweist auf das Sieben-Punkte-Programm, das die Bundesarbeitsgemeinschaft Freie Wohlfahrt (BAG), in der Caritas, Diakonie, Hilfswerk, Rotes Kreuz und Volkshilfe zusammenarbeiten, vorgelegt hat. Es reicht von Schnellverfahren für Asylsuchende mit hoher Anerkennungswahrscheinlichkeit über steuerliche Absetzbeträge für private Quartiergeberinnen und mehr finanzielle Unterstützung für Gemeinden bis hin zur Überführung der Vertriebenen aus der Ukraine ins Sozialhilfesystem. Außerdem fordern die NGOs, dass unbegleitete minderjährige Flüchtlinge nicht mehr in Erstaufnahmezentren des Bundes untergebracht werden, sondern in sicherer privater Obsorge oder in speziellen Einrichtungen der Länder.

"Das alles wäre relativ schnell und unkompliziert umzusetzen", ist sich Fenninger sicher. Aber leider habe die Politik bisher wenig Vorsorge getroffen. (Irene Brickner, Michael Simoner, 10.11.2022)