Bleibt eine Legende, auch wenn er sich selbst als unzeitgemäß empfand: Oskar Werner.

Imagno / Barbara Pflaum

Ausverkauft: Oskar Werner (1922–1984) genoss als unverbrüchlicher Vertreter einer untergehenden, auf wahrhaftiger Empfindung fußenden Schauspielkunst geradezu kultische Verehrung. Die Fans sind dem mit Schönheit gesegneten Schauspieler bis in die Garderoben gefolgt. Kussmünder und Rosen flogen ihm zu, durchaus bedrängend. Lesungen in New York fanden vor überfüllten Rängen statt. Matineen im Theater an der Wien waren innerhalb von 48 Stunden ausverkauft, und 1970 gingen binnen eines Tages alle für seinen Salzburger Hamlet verfügbaren Karten über die Budel.

Text und Bühne

Anti-Brecht: Werners Kunst bestand in der totalen Hingabe an den Text, im Glauben an die Verwandlung und den mit ihr einhergehenden Zauber. An diesen haben in der zweiten Hälfte seiner Karriere nicht mehr alle am Theater geglaubt – was ihn von den Bühnen entfremdet hat. Gegen Brechts episches Theater war Oskar Werner folglich "vollkommen negativ" eingestellt, weil es alles, wofür er, der Einfühlungskünstler, stand, verleugnet hat. Auch Fassbinder bezeichnete er hochfahrend als "Brechmittel".

Burgtheater: Zwischen 1941 und 1961 spielte Oskar Werner – mit Unterbrechungen – am Burgtheater. Nebst den künstlerischen Differenzen, die sich im Widerstreit mit Regisseuren zunehmend auftaten, war es auch das vertragliche Korsett, in das sich ein egozentrischer Freigeist wie er auf Dauer nicht zwängen konnte. Nach einem unangekündigten Abzischen zu Dreharbeiten nach London flatterte ihm bereits 1949 eine erste fristlose Entlassung ins Haus. 1961 hat der Schauspieler am Ring endgültig das Handtuch geworfen. Seine Abschiedsworte: "Ich komme mir vor wie ein Rabbi unter lauter Kardinälen."

Filme: Nach eigenen Angaben hat Oskar Werner in seinem Leben mehr als 300 Filme abgelehnt, darunter auch Angebote von Stanley Kubrick, für den er den Napoleon spielen sollte. Nach Werken wie Der Engel mit der Posaune oder Entscheidung vor Morgengrauen gelang ihm mit dem Kultfilm Jules und Jim von François Truffaut 1962 der internationale Durchbruch. So taten sich auch die Türen Hollywoods auf. Beim nächsten Film Fahrenheit 451 überwarf er sich mit Truffaut aber bereits.

Text und Bühne

Gumpendorfer: Oskar Josef Bschließmayer, wie Oskar Werner bürgerlich hieß, wuchs in bescheidenen Verhältnissen einer Gumpendorfer Familie auf, die auf engem Raum in der Marchettigasse wohnte. Schon als Vorstadtkind hat Klein Oskar die Einsamkeit nicht gescheut und mit Vorliebe seine Umgebung studiert. Der Wunsch, Schauspieler zu werden, keimte früh. Einmal hat er als Elfjähriger einen blinden Mann so gut imitiert, dass ihm umstandslos beim Überqueren der Straße geholfen wurde.

Klassikerschändung: Mit Oskar Werner war insbesondere dann nicht gut Kirschen essen, wenn es am Theater um die Neuinterpretation ausgewiesener Meisterwerke ging. Nicht die minimalste Textabweichung wurde von ihm geduldet, Regieideen als "Klassikerschändung" abgekanzelt. Und das, was man heute performatives Schauspiel nennt, also das nichtidentifikatorische, war ihm schlicht fremd. Noch Jahre vor seinem Tod sagte er: "Es gibt kein Theater mehr, an dem ich spielen möchte." Die Tragik seiner Unzeitgemäßheit spürte er stark und wünschte sich, 200 Jahre zuvor geboren worden zu sein. Mozart, Haydn, Goethe, Schiller: "Mehr brauch’ ich nicht. Da fühl ich mich wohl."

Oscar: Die gleichnamige Filmtrophäe blieb Oskar Werner zwar verwehrt, für seine Rolle in der starbesetzten Verfilmung von Das Narrenschiff war er 1965 aber nominiert. Übrigens: Einen Golden Globe als Bester Nebendarsteller erhielt er im Jahr dar auf für seine Rolle in Der Spion, der aus der Kälte kam an der Seite von Richard Burton.

Stimme: Vielfach wurde Oskar Werner die schönste Stimme der Welt attestiert, wegen ihrer Mischung aus Sanftheit und Entschiedenheit, wegen ihrer kunstvollen, poetischen Modulation. Als Rezitator war er zeitlebens gefragt, Tondokumente zeugen davon. Dabei hat er mit der Wiener Sprachfärbung keineswegs hinterm Berg gehalten.

Telegramm: Lob und Erfolg konnten Oskar Werner nie ganz über Selbstzweifel hinweghelfen. Das stete Hadern mit der Entwicklung des Schauspielerberufs war auch ein Grund für seine Alkoholkrankheit. Ein aufbauendes Telegramm trug er zeitlebens bei sich – eine Nachricht von US-Schauspieler Spencer Tracy, in der ihn dieser als "besten Schauspieler überhaupt" bezeichnet hat.

Teixl: Dem Schauspieler wurde viel nachgesagt, vor allem Arroganz, Größenwahn, Unverlässlichkeit. Seine Tochter Eleonore hat ihn bereits als Vierjährige durchschaut und ihm den Kosenamen Teixl gegeben, wienerisch für Teufel. Sein Liechtensteiner Domizil nannte Werner später Teixlburg. Seine Servietten ließ er mit "Teixl – Stadtpalais, Trautsongasse, Vindobona" bedrucken. (Margarete Affenzeller, 13.11.2022)