Die Sony A7R V ist das neue Fotoflaggschiff von Sony.

Foto: STANDARD / Manakas

Egal ob leistungsstarke Kameras oder Point-and-Shoot-Modelle für Hobbyisten – Sonys Sortiment bietet mittlerweile eine vielfältige Auswahl. Im Fokus steht dabei schon länger die Alpha-Serie, also Hybridkameras, die trotz kompakter Gehäuse mit großem Funktionsumfang aufwarten.

Im Bereich der Vollformatsensoren bietet der japanische Hersteller neben dem Einstiegsmodell A7 IV und der für Videografen interessanten A7S III unter anderem die besonders hochauflösende A7R an. Diese gilt als eine der besten Lösungen für all jene, deren Arbeit sich primär um Fotografie dreht. Mit der A7R V erhält sie nun einen wohlverdienten Nachfolger.

Die Kundschaft will diese mit besseren Videofunktionen, einem neuen Prozessor und einem deutlich schnelleren Autofokus begeistern. Letzterer wird von einem dedizierten KI-Chip angetrieben, der Menschen, Tiere und sogar Fahrzeuge dank Deep-Learning-Algorithmen in Echtzeit erkennen und nachverfolgen können soll. DER STANDARD hatte die Möglichkeit, das neue Flaggschiff zu testen – und herauszufinden, wie sich die neuen Features im Alltag schlagen.

Eine wichtige Information vorab: Wer Beispielfotos (JPEG und Raw) im Detail betrachten will, sei auf den zugehörigen Google-Drive-Ordner verwiesen, wo einige zusätzliche Aufnahmen zu finden sind.

Vieles bekannt, Wichtiges neu

Sony-Userinnen und -User werden sich sofort zu Hause fühlen, wenn sie die A7R V in die Hand nehmen. Grund dafür: Das Gehäuse ist, zumindest in Sachen Formfaktor, fast identisch zu jenem des Vorgängers. Dennoch gibt es einige sehr interessante Neuerungen, allen voran beim Display. Dank Vier-Achsen-Design kann man dieses nicht nur hochklappen oder seitlich herausschwenken, sondern auch nach vorn drehen. Während Letzteres vor allem Vlogger interessieren dürfte, ermöglichen die vielfältigen Einstellmöglichkeiten Aufnahmen aus zahlreichen Blickwinkeln. Das ist im ersten Moment etwas gewöhnungsbedürftig, stellte sich im Testzeitraum allerdings als ziemlich angenehm heraus.

Das Display kann jetzt in mehrere Richtungen ausgeklappt werden.
Foto: STANDARD / Manakas

Von der A7 IV wurde außerdem das Konzept des doppelt nutzbaren PSAM-Rads übernommen. Dreht man die obere Hälfte, kann man zwischen manuellen, automatischen und halbautomatischen Belichtungsmodi wechseln oder selbstprogrammierte Modi einstellen. Darunter findet sich ein weiteres Rad, mit dem man in Windeseile zwischen Foto-, Video- und S&Q-Bereichen wechseln kann. Durch Letzteren hat man Schnellzugriff auf Zeitraffer- und Slow-Motion-Einstellungen. Eine kleine, aber sich positiv auf die Bedienbarkeit auswirkende Designentscheidung.

Video-Features

Die größten Neuerungen verbergen sich im Inneren der Kamera. Diese wird von Sonys neuestem Exmor-R-Prozessor angetrieben, der auch in der 7.300 Euro (UVP) teuren Alpha 1 verbaut wird. Obwohl derselbe 60-Megapixel-Sensor wie in der A7 IV zum Einsatz kommt, gibt es daher eine Reihe neuer Funktionen. Man kann Videoaufnahmen mit bis zu 8K bei 24 Bildern pro Sekunde und 10-Bit-Farbtiefe anfertigen. 4K-Video stößt bei 60 FPS an seine Grenzen – allerdings nicht ohne Einschränkungen. In beiden Fällen muss man einen 1,2-fachen Cropfaktor des Sensors in Kauf nehmen. Plant man einen Dreh, sollte man dies bei der Objektivwahl mitbedenken.

Diese Einschränkung fällt erst dann weg, wenn man mit 4K/30 filmt. Hier wird der komplette Sensor ausgelesen und dank Pixel-Binnings ein 4K-Bild abgeliefert. Im APS-C-Modus erhält man dank Oversamplings hingegen eine Auflösung von 6,2K. Der Bildausschnitt wird dabei um den Faktor 1,5 beschnitten.

Überhitzungsprobleme konnten während des Tests nicht festgestellt werden. Sony selbst gibt die maximale Aufnahmedauer bei 8K mit 30 Minuten an, in der Praxis war nach 50 Minuten zwar die 160-Gigabyte-Speicherkarte voll, die Kamera hätte aber weitermachen können. Auffällig war allerdings, dass in unter einer Stunde auch die Hälfte der Akkuladung verlorenging. Bei längeren Drehs sollte also mindestens eine Ersatzbatterie eingepackt werden. Dank 10-Bit-Farbtiefe ist auch die Nachbearbeitung von Dateien deutlich einfacher als noch beim Vorgänger, und Szenerien wirken deutlich natürlicher.

Selbst sehr kurze Belichtungszeiten können dank des Bildstabilisators problemlos aufgenommen werden.
Foto: STANDARD / Manakas

Fokus auf Fotografie

In Wirklichkeit dürfte die Sony A7R V allerdings primär auf Fotografinnen und Fotografen abzielen. Ein 60-Megapixel-Sensor eignet sich immerhin besonders gut für detaillierte Landschafts-, Sport- und Porträtaufnahmen, die auch kommerziell genutzt werden sollen. Kein Wunder also, dass die Kamera hochauflösende, detailtreue Bilder abliefert.

Serienaufnahmen sind mit bis zu zehn Bildern pro Sekunde möglich, bei Nutzung einer CFExpress-Speicherkarte kommt der Buffer erst nach 400 aufeinanderfolgenden Raw-Bildern ins Stottern. Die Funktion kann mit voller Unterstützung aller Autofokus- und Autobelichtungsmodi genutzt werden. Sie dürfte deshalb vor allem für Tier- und Sportfotografinnen interessant sein.

Auch wer nachts fotografiert, darf beruhigt sein. Bis ISO 6.400 sind Aufnahmen problemlos nutzbar. Ab ISO 12.600 ist ein leichter Violettstich erkennbar, das Bildrauschen wird stärker, und der Dynamikumfang nimmt deutlich ab. Glücklicherweise kommt an dieser Stelle der verbaute Bildstabilisator ins Spiel. Sony verspricht eine Kompensation von bis zu acht Belichtungsstufen und somit deutlich mehr als die bisherigen 5,5. Bei der Nutzung einer 70-mm-Brennweite war im Test eine Belichtungszeit von maximal einer Sekunde möglich, bevor das Bild verwackelte. In einigen Situationen dürften Fotografen tatsächlich ihr Stativ zu Hause lassen können.

Fast immer stabil

Auch bei Videoaufnahmen hilft der Bildstabilisator sichtlich aus. Aktiviert man zusätzlich den Active-Mode, wirken Aufnahmen, bei denen die filmende Person stillsteht, wirklich felsenfest. Weniger perfekt sieht es aus, wenn man zum Beispiel einer anderen Person hinterhergehen muss. Hier sieht man deutliche Verwacklungen.

ISO 3.200 (links), ISO 6.400 (Mitte) und ISO 12.800 (rechts).
Foto: STANDARD / Manakas

Während all diese Funktionen durchaus zu beeindrucken wissen, hat sich das Sony-Marketing vor allem auf eines konzentriert: den Autofokus. Dieser soll dank Deep-Learning-Algorithmen deutlich schneller und präziser sein als noch beim Vorgänger. Möglich soll das ein eigener Prozessor machen, der die dafür notwendigen Berechnungen anstellt. Dieser erlaube der A7R V zum Beispiel, menschliche Posen zu erkennen und zu wissen, wo sich welcher Körperteil befindet. Dadurch soll sichergestellt werden, dass das Subjekt selbst dann nicht aus den Augen verloren wird, wenn es eine Maske oder Mütze trägt oder dem Fotografen den Rücken zudreht. Aber nicht nur das: Dieselben Features soll es auch für Tiere, Vögel, Insekten, Autos, Züge und Flugzeuge geben (abgesehen von der Augenerkennung bei den letzteren drei natürlich).

Menschen, Tiere – Flugzeuge?

In der Praxis lieferte die A7R V hierbei gemischte Ergebnisse. Das Tracking von Menschen ist tatsächlich ausgesprochen akkurat. Selbst schnell laufende Personen, die sich während der Aufnahmen plötzlich umdrehten, verlor das Tracking nicht. Fast alle Fotos waren am Ende klar fokussiert. Welches Körperteil derzeit verfolgt wird, kann man anhand unterschiedlicher Tracking-Boxen am Sucher und Display sehen.

Weniger zuverlässig war im Test die automatische Erkennung von Vögeln und Autos. Eine Krähe erkannte die Kamera zum Beispiel erst beim vierten Versuch, das Augentracking funktionierte gar nicht. Ein geparktes Auto wurde leider auch übersehen. Erst als ein weiteres vorbeifuhr und erkannt wurde, entdeckte die A7R V auch ersteres. Lustigerweise wurde stattdessen eine Ikea-Tischlampe mit einem Gesicht verwechselt und ein Bett als Flugzeug erkannt. So gut die dahinterstehende Idee und das Konzept auch sein mögen, hier wird Sony nachbessern müssen. Da es sich um ein Software-Feature handelt, sollte das problemlos möglich sein. Immerhin ist der Autofokus jetzt schon wirklich hervorragend.

Tagsüber sind Fotos natürlich am detailreichsten.
Foto: STANDARD / Manakas

Abgerundet wird die üppige Ausstattung auf technischer Seite von einem hochauflösenden OLED-Sucher mit einer 0,90-fachen Vergrößerung, 9,44 Millionen Bildpunkten und einer Bildwiederholrate von wahlweise 60 FPS oder 120 FPS. Das klapp- und schwenkbare Touchdisplay ist 3,2 Zoll groß und löst mit mehr als zwei Millionen Pixeln auf. Für die Speicherung von Aufnahmen stehen zwei Slots zur Verfügung, die jeweils wahlweise eine CFExpress- oder klassische SD-Karte aufnehmen können. Außerdem wurde ein vollwertiger HDMI-Anschluss, ein USB-C- und Kopfhörer-Port, ein Mikro-USB- und ein Blitzanschluss verbaut.

Fazit

Mit der A7R V liefert Sony ein rundes Paket, das sich zwar primär an Fotografinnen und Fotografen richtet, aber auch mit Videofunktionen nicht geizt. 4K/60 und 8K/24 mit einer Farbtiefe von 10 Bit ermöglichen professionellen Nutzerinnen und Nutzern durchaus, das Gerät auch für kommerzielle Aufträge zu nutzen. Beim hoch angepriesenen "KI-Autofokus" scheint es sich zwar bisher noch um ein Marketing-Buzzword zu handeln, das heißt aber keinesfalls, dass sich die Kamera vor ihrer Konkurrenz verstecken muss. Der Fokus und das Tracking sind blitzschnell und verloren im Test nur selten die gewünschte Person. Außerdem sind 60 Megapixel mehr als genug, um Landschafts-, Tier- wie auch Porträtfotografinnen zufriedenzustellen.

Eine Frage stellt sich dennoch: Bei einem Preis von 4.500 Euro richtet sich das Gerät ganz klar an Berufsfotografinnen, für die der Kauf einer neuen Kamera eine Investition in die Zukunft darstellt und in den kommenden Jahren für neuen Umsatz sorgen soll. Gleichzeitig fehlen der A7R V eine Reihe von Funktionen, die in der 2.800 Euro teureren Alpha 1 zu finden sind – deren Sensor ebenso mit 50 Megapixeln auflöst. So signifikant der Preisunterschied auch wirken mag, stellt sich die Frage, ob ein kleiner Teil der professionell arbeitenden Zielgruppe nicht lieber zum teureren der zwei Geräte greifen dürfte. Ganz einfach wegen des größeren Funktionsumfangs.

Das bedeutet keinesfalls, dass die A7R V eine schlechte Kamera ist. All jene, die auf der Suche nach einem neuen Arbeitsgerät sind und deren Bedürfnisse vom neuen Gerät abgedeckt werden, können getrost zuschlagen. Sie alle erhalten einen hochmodernen Hybriden mit Fotografiefokus, der auch in den kommenden Jahren nicht alt aussehen wird. (Mickey Manakas, 12.11.2022)