In der Fachliteratur wird das Bild auch als "Buchenwald" geführt: Gustav Klimts "Birkenwald" von 1903 wechselte um 105 Millionen Dollar den Besitzer.

Christie’s, Courtesy Paul G. Allen Family Collection

Knapp 150 Millionen Dollar für ein einzelnes Gemälde, genauer für Georges Seurats kleine Version Les Poseuses von 1888: Dieser in der Nacht von Mittwoch auf Donnerstag bei Christie’s in New York erzielte Kaufpreis übertraf den bisherigen Weltrekord des Künstlers um gut das Vierfache und markierte den höchsten Zuschlag der Auktion.

Es war ein Abend der Superlative, nicht nur an diesem einen Zuschlag bemessen.

Im Angebot stand mit 60 Kunstwerken die erste Tranche aus der Sammlung des 2018 verstorbenen Microsoft-Mitgründers Paul Allen, deren Erlös wohltätigen Zwecken zugutekommen wird. Bereits zur Halbzeit der Sitzung notierte man nach 32 Zuschlägen den höchsten je in der Geschichte des Kunstmarktes erzielten Umsatz, der sich am Ende auf mehr als 1,5 Milliarden Dollar summierte.

Dazu trugen nicht irgendwelche Kunstwerke aus dem Schaffen diverser Künstler bei, sondern solche, die für Sammler die Kriterien einer Trophäe erfüllen. Eben Seurats Poseuses, jenes Gemälde, das eine dem Post-Impressionismus zugehörige Stilrichtung neu definieren sollte: den Pointillismus, zu deren Hauptvertretern Seurat gehörte.

Allen hatte es Ende 1999 über einen New Yorker Kunsthändler für eine unbekannte Summe erworben. Den aktuellen Schätzwert hatte Christie's inoffiziell mit etwa 100 Millionen Dollar beziffert. Das Interesse und der Zuschlag an einen anonymen Telefonbieter überstiegen die Erwartungen aber bei weitem.

Garantie für Mindestverkaufspreis

Zum Glück für Christie's, das dem Paul Allen Estate bei diesem und zahlreichen anderen Werken im Vorfeld und unabhängig vom Ergebnis einen Mindestverkaufspreis garantiert hat. Ein Risiko, das man teils mit unbekannten Dritten teilt. So auch im Falle von Gustav Klimts Gemälde Birkenwald aus dem Jahr 1903, das zum Mindestverkaufspreis von netto 91 Millionen Dollar und inklusive Aufgeld für knapp 105 Millionen Dollar in unbekannten Besitz wechselte.

In der Fachliteratur wird es auch als Buchenwald geführt (Spoiler: Auf dem Bild sind tatsächlich beide Baumarten vertreten). Als das Bild in Klimts allererster Einzelausstellung im November 1903 (als Buchenwald) zu sehen war, attestierte der Kritiker Franz Servaes nicht nur einen "Doppelreiz der natürlichen Frische und der dekorativen Wirksamkeit", sondern bezeichnete das Bild auch etwas ungeschickt als "ausgezeichneten Zimmerschmuck", der "im Nu einen Liebhaber" finden würde. Tat es, konkret kam es in die Sammlung von Ferdinand und Adele Bloch-Bauer und gehörte, zusammen mit fünf weiteren Klimts, zu jenen Gemälden, die in der NS-Zeit beschlagnahmt wurden. Der Kampf um deren Restitutionen dauerte mit Unterbrechungen Jahrzehnte und wurde erst 2006 über ein Schiedsverfahren entschieden.

Rekord mit "Adele"

Der anschließende Verkauf der Bilder bescherte dem Markt für Werke Gustav Klimts eine Zäsur. Im Juni des gleichen Jahres erwarb Ronald Lauder mit Finanzierungshilfe von Christie's für 135 Millionen Dollar das Porträt Adele Bloch-Bauer I (1907), das als Hauptwerk Klimts "goldener Periode" gilt. Ein Preis, der damals als höchster bekannt gewordenen Kaufpreis in der Geschichte des Kunstmarktes notierte und die monetäre Bewertung für Arbeiten des Künstlers zeitgerecht vor der im November 2006 anberaumten Auktion bei Christie's in die Höhe schraubte.

Das Quartett spielte schließlich insgesamt 193 Millionen Dollar ein: Etwas mehr als 40 Millionen Dollar davon entfielen auf den von Paul Allen ersteigerten Birkenwald, weitere rund 88 Millionen Dollar auf das "bunte" Adele-Porträt (1912), das sich Talkshow-Queen Oprah Winfrey sicherte. Der bis Mittwochnacht 16 Jahre lang gültige Auktionsrekord.

2017 verkaufte die Selfmade-Milliardärin das Bild für kolportierte 150 Millionen Dollar: einer jener Private Sales, die im Falle Klimts bei der Bewertung von Kunstwerken in den letzten Jahren an Bedeutung gewonnen haben. Der vorläufige Höchstwert für Klimt in dieser Kategorie? Er dürfte bei etwas mehr als 200 Millionen Dollar liegen, für die der russische Milliardär Dmitri Rybolowlew irgendwann nach 2014 die Wasserschlangen II nach Hongkong verkauft haben dürfte. In Österreich wird sowohl dieses Bild als auch die "bunte" Adele wohl nicht mehr bei Ausstellungen zu sehen sein. Die derzeitigen Versicherungswerte von je 300 Millionen Dollar übersteigen die Obergrenze der Staatshaftung. (Olga Kronsteiner, 11.11.2022)