Klimaschutzministerin Leonore Gewessler (Grüne) wollte ursprünglich eine als "Notbremse" geplante automatische Steuererhöhungen etwa der Mineralölsteuer.

Foto: IMAGO/Florian Gaertner

Wien – Die Grünen halten trotz Widerstands ihres Koalitionspartners ÖVP daran fest, das seit bald zwei Jahren überfällige Klimaschutzgesetz noch umzusetzen. "Dieses Brett werden wir auch noch durchbohren", sagte Klimasprecher Lukas Hammer der APA. Die ÖVP, die sich wiederholt ablehnend gezeigt hat, drängte er zur Pakttreue. Die Grünen wollen dafür auf Elemente aus ihrem ursprünglichen Entwurf verzichten. Bei der Volkspartei bleibt man dennoch skeptisch.

Konkret geht es etwa um die von Umweltministerin Leonore Gewessler (Grüne) als "Notbremse" geplanten automatischen Erhöhungen etwa der Mineralölsteuer (MöST), wenn Klimaziele verfehlt werden. Das lehnt nicht nur die ÖVP ab. Nun wollen die Grünen das weglassen und sich strikt entlang der im Koalitionsabkommen und im Entschließungsantrag zum Klimavolksbegehren beschlossenen Linie bewegen.

Altes Gesetz "wirkungslos"

Demnach soll ein Gesetz mit verbindlichen Emissionsreduktionspfaden entsprechend den Pariser Klimaschutzzielen kommen, auch um Strafzahlungen in Milliardenhöhe zu vermeiden. Festlegen will man darin, dass die Republik bis 2040 klimaneutral wird, mit Emissionshöchstwerten für jedes Jahr. Bis 2030 soll der Nettoausstoß halbiert werden, zehn Jahre später will man netto bei null ankommen.

Das alte Gesetz, das die Treibhausgasbudgets pro Jahr festlegte, ist Ende 2020 ausgelaufen. Es wurde einst unter einer rot-schwarzen Mehrheit paktiert – und war laut dem grünen Klimasprecher Hammer "wirkungslos". Mit der Neuregelung wolle man nun Verbindlichkeit schaffen, und zwar für den Bund und die Länder. Auch zukünftige Regierungen, egal in welcher Zusammensetzung, müssten dann Klimaschutzmaßnahmen entsprechend den Emissionshöchstvorgaben setzen, so Hammer. Sein Beispiel für diese Bindung: "Dass sie weiterhin daran festhalten, dass die Lobauautobahn nicht gebaut wird, weil sich das sonst nicht ausgeht."

ÖVP-Klimasprecher Johannes Schmuckenschlager will sich auf solche Verbindlichkeiten aber nicht einlassen. "Gesetze zu bauen, die bis in die Zukunft weitere Regierungen binden, das wäre auch im Demokratieverständnis falsch", sagte er zur APA. Ein "No-Go" sei für ihn auch die Aufnahme des Klimaschutzes in die Verfassung. Eine Maßnahme wie die (wegen der Gasknappheit geplante) Wiederinbetriebnahme des Kohlekraftwerks Mellach würde dann eine Verfassungsklage nach sich ziehen.

Verantwortung von Bund und Ländern

Ob das Gesetz bei solch entgegengesetzten Positionen in dieser Legislaturperiode noch eine Chance hat, beantwortet Schmuckenschlager zurückhaltend: "Da tue ich mir schwer, das ist nicht leicht." Verhandelt werde aber, "und wenn Signale der Grünen da sind, uns entgegenzukommen, dann ist das natürlich positiv". Wichtiger als Zielfestlegungen seien ihm aber Umsetzungsmechanismen, und da tue sich sehr viel: etwa bei der erneuerbaren Energie und der erneuerbaren Wärme. Das Erreichen der Klimaneutralität bis 2040 sei ein gemeinsames Ziel, unterstrich Schmuckenschlager. Das Klimaschutzgesetz habe dabei "nur nicht diese oberste Priorität".

Im Umweltministerium steht man jedenfalls weiter hinter dem Plan. "Das Klimaschutzgesetz befindet sich aktuell in regierungsinterner Abstimmung. Unser Ziel ist natürlich eine möglichst rasche Begutachtung", hieß es schriftlich zur APA: "Schließlich ist es weiterer wichtiger Baustein im Kampf gegen die Klimakrise, für den Ausstieg aus fossilen Energieträgern und gibt den Weg zur Klimaneutralität bis 2040 für Österreich vor." Dies gehe vom Reduktionspfad für die CO2-Emissionen bis zur Beteiligung für Bürgerinnen und Bürger sowie der Wissenschaft. "Ganz zentral ist auch die gemeinsame Verantwortung zwischen Bund und Ländern für die Einhaltung unserer Klimaziele. Wir brauchen Verbindlichkeit – damit wir unsere Ziele auch einhalten. Und klare Lösungen dafür, was passiert, wenn wir die Ziele verfehlen."

SPÖ will zur Zweidrittelmehrheit beisteuern

Vorsichtig positiv reagierte die SPÖ. "Beinahe zwei Jahre warten wir bereits auf das Klimaschutzgesetz, nun gibt es offenbar endlich erste kleine Schritte in Richtung Umsetzung", las Umweltsprecherin Julia Herr aus den Wortmeldungen heraus: "Die SPÖ steht für etwaige Verhandlungen – das Gesetz bedarf einer Zweidrittelmehrheit im Parlament – bereit. Es muss endlich etwas weitergehen in Sachen Klimaschutz. Grüne und ÖVP waren viel zu lang untätig. Massensteuern für alle, für den Fall, dass die Klimaziele nicht erreicht werden, kommen für die SPÖ aber sicher nicht infrage."

Die Umweltschutzorganisation WWF Österreich verlangte ein ambitioniertes Klimaschutzgesetz, das Österreich wieder auf den Pfad des Pariser Abkommens bringen solle. "Papiertiger hatten wir lange genug. Jetzt braucht es ein langfristig wirksames Gesetz mit verbindlichen Reduktionspfaden, damit die Politik endlich die notwendigen Maßnahmen beschließt. Das muss höchste Priorität bekommen", erklärte WWF-Klimasprecher Thomas Zehetner. Die anhaltende Blockade eines wirksamen Klimaschutzgesetzes sei nicht nur zukunftsvergessen, sondern auch wirtschaftsfeindlich. (APA, red, 11.11.2022)