Brigitte Hobmeier spielt in der Sky-Serie "Souls" die Mutter eines Sohnes, der behauptet, sich an sein früheres Leben erinnern zu können.

Foto: Sky Deutschland/Geißendörfer Pictures/Nik Konietzny

Ein junger Mann (Aaron Kissiov) behauptet, er kann sich an sein früheres Leben als Flugkapitän erinnern. Und an den Absturz, bei dem er stirbt. "Täglich grüßt das Murmeltier" spielt es bei Allie (Julia Koschitz), die jeden Tag dieselbe Tour durchspielen muss: ihren Mann (Laurence Rupp), den Flugkapitän, davon abzuhalten, in die Maschine zu steigen, mit der er abstürzen wird. Und dann ist da noch die junge Linn (Lili Epply), die sich einem sadistischen Sektenguru anschließt und Seelenabgründe erkundet.

"Souls" erzählt drei tiefgründige, intensive Geschichten, die in Grenzbereiche des Diesseits vorzudringen versuchen. Lisa van Brakel, Erol Yesilkaya, Senad Halilbalic und Alex Eslam, der auch Regie führte, verweben die Storys zu einer düsteren Mystery-Serie. Die acht Folgen sind auf Sky abrufbar.

Mittendrin und noch am bodenständigsten von allen: Brigitte Hobmeier. DER STANDARD erreichte die bayrische Schauspielerin am Telefon.

STANDARD: Sie spielen die Mutter eines Sohnes, der behauptet, sich an sein früheres Leben erinnern zu können. Wie haben Sie sich dieser Rolle angenähert?

Hobmeier: Es ist ja nicht so, dass der Sohn sagt: "Ich erinnere mich an mein früheres Leben", und sie: "Okay, passt." Meine Figur, die Hannah, geht einen Weg, und es braucht viele Wege, diese Geschichte herauszufinden, und Gott sei Dank haben wir die Zeit, mit ihr zu gehen. Ihr Part ist vielleicht nicht der laute Knall in dieser Serie, ist aber für die Geschichte sehr wichtig, damit die Story nicht komplett abhebt.

STANDARD: "Souls" ist eine sehr verschränkte Angelegenheit, wird in drei Strängen erzählt. Wie ist es Ihnen gelungen, nicht abzuheben?

Hobmeier: Die Mischung aus Mystery und psychologisch gestrickter Beziehungsgeschichte bedeutete für uns eine große Freiheit. Der Dreh war eine hochkonzentrierte Phase des Arbeitens. Dieses Sch***-Corona hat uns ja eh alle total isoliert. Wir wurden am Abend nach dem Dreh einfach wieder in unsere Zimmer gekarrt. So blieb jeder in seinem Kopf, für die Rolle vielleicht gar nicht so schlecht.

STANDARD: Man ist gewohnt von Ihnen, dass Sie eine Rolle maximal intensiv spielen, so auch in "Souls". Wie sehr steigen Sie in eine Figur hinein?

Hobmeier: So tief ich kann. Das heißt, ich erarbeite mir meine Beziehungen, meine Intentionen, die Vorgeschichte, die Verkörperung, den Kern meiner Figur mit all seinen Schutzhüllen. Das macht mir Spaß. In "Souls" gibt es zum Beispiel eine sehr emotionale Szene, die gedreht wurde, nachdem ich mehrere Stunden in meinem Wohnwagen gesessen hatte und warten musste, bis es so weit war. Ich wusste, dass davor ein Drehtag schon mal abgebrochen wurde, weil wir zu lange gebraucht hatten. Also war ich wild entschlossen zu drehen und sagte mir: Diese Szene lasse ich mir nicht abbrechen! Ich wusste, ich gehe da hin und gebe alles, ich will keine Sekunde Scham oder Angst aufkommen lassen. Und es war toll! Im Endeffekt wurde das Ganze in eine große Collage geschnitten.

STANDARD: Schlimm für Sie?

Hobmeier: Das ist das Recht des Regisseurs. Mir bleibt die Szene trotzdem unglaublich stark in Erinnerung.

STANDARD: Stichwort Seele: Haben wir eine, und, wenn ja, kann sie wandern?

Hobmeier: Ich habe mit der Frage viel gezaudert und gehadert, weil ich eine sehr katholische Erziehung als Kind erlebt habe und dieser ganze katholische, patriarchalische Mythos, der da auf meine Schultern drückt und von dem ich mich versucht habe zu befreien, trotzdem in mein System eingebrannt ist. Insofern will ich mit diesem ganzen mystischen, esoterischen Geplänkel wirklich nichts zu tun haben. Diese Fake-News-Situationen gehen mir so dermaßen am Arsch, dass ich mich sehr grundsätzlich an den Positionen von Naturwissenschaften und Mathematik orientiere und alles andere ausblenden möchte. Umgekehrt beobachte ich in mir eine gewisse Sehnsucht nach dem Größeren, abseits der dunklen Fakten, mit denen man sich im Alltag beschäftigen muss und die durch das Weiterfragen aufgehellt werden: Was gibt es denn noch? Was wäre denn noch? Was wäre, wenn meine Oma da oben irgendwo hockt und hin und wieder mal runterschaut? Und natürlich ist der Gedanke tröstlich, natürlich rührt das mein Herz. Insofern hat mich die Serie tief gerührt und mich in meiner großen Rationalität erschüttern lassen.

STANDARD: Und wie schaut's mit Vorahnungen aus? Wenn man Allie, die Figur der Julia Koschitz, hernimmt, die vordergründig weiß, dass das Flugzeug abstürzen wird? Kennen Sie so etwas?

Hobmeier: Bei Allie ist es dieses "Täglich grüßt das Murmeltier"-Phänomen, das sich in der Erzählung im Nachhinein auflöst, ohne dass ich mehr verraten möchte. Aber ich denke, Vorahnungen haben wir bestimmt alle. Dieses Wochenende hat mir jemand erzählt, er war in Venedig, eine Taube flog vor ein Haus, und der Freund dachte, das ist ein Zeichen und ist rein. Drinnen hing ein Bild von seinem Großvater, das dieser im Zweiten Weltkrieg an einen Italiener verkauft hatte, weil er kein Geld mehr hatte. Das ist eine Situation, wo meine Sehnsucht nach Höherem versus mein Zynismus sich ein Höllenkonzert liefern. Ist ja jetzt auch nicht sonderlich besonders, dass in Venedig eine Taube vor einem Haus landet.

STANDARD: "Souls" entwickelt eine eigene Erzählstruktur und ist eindeutig ein europäisches Produkt. Spielt das eine Rolle, oder wäre Ihnen die Netflix-Serie genauso lieb?

Hobmeier: Also jetzt ganz ehrlich, mir geht es hauptsächlich um die Geschichte, wer dann die Geldgeber sind – da sind mir alle gleich recht.

STANDARD: Mystery-Serien stehen hoch im Kurs. Gefällt Ihnen das Genre?

Hobmeier: Ja, weil es ein Genre ist, das ganz viele unterschiedliche Dinge mit einfließen lässt. Nehmen wir "Stranger Things", das ist riesengroße Mystery, aber auch Horror, Krimi, Comedy, fast schon Sitcom. Die Möglichkeiten, die sich mir da als Spielerin eröffnen, das Wechseln und Springen zwischen den Genres, das fasziniert mich, da läuft mir gleich die Spucke im Mund zusammen, so einen Appetit kriege ich da.

STANDARD: Wie beobachten Sie generell den gegenwärtigen Serienboom in Deutschland? Gefällt Ihnen, was so produziert wird?

Hobmeier: Durchaus. Für mich ist natürlich die Frage wichtig: Was sind wir denn hier in Deutschland in der Lage zu produzieren? Ich finde es immer so lustig, wenn wir uns diese Anglizismen aneignen und sagen, unsere Drehbuchautoren gehen in den "Writers' Room", wie wir uns das von den Amis abgeschaut haben. Die Drehbuchautoren sind dort ein halbes Jahr im Writers' Room. Bei uns ist man stolz, wenn es vier Tage sind, nach denen eine sechsteilige Serie möglichst minutiös und mit allen Höhen und Tiefen ausformuliert sein sollte. Ich kenne Drehbuchautorinnen, die sagen, es ist schon manchmal ein Fluch, dass wir uns so stark an den Amis abarbeiten. Wir würden ja gern, aber uns fehlen die Zeit, das Geld und vielleicht auch der lange Atem. Zu sagen: Ja, das braucht Konzentration, und das macht man nicht auf einer Arschbacke an einem Nachmittag. Ich glaube, dass wir im deutschsprachigen Raum ganz viel können. Und ja, ich denke, wir sind auf einem guten Weg, und ich mag's, dass so viel produziert wird und dass so viel Hochwertiges gemacht wird.

STANDARD: Zum Beispiel Ihre nächste Serie "Schnee", eine reine Frauenproduktion. Macht das einen Unterschied?

Hobmeier: Ich muss ehrlich sagen, ich habe das erst nach zwei Monaten gehört und mitbekommen. Es ist mir lange Zeit überhaupt nicht aufgefallen und im Grunde genommen voll wurscht. Freilich haben wir auch Auseinandersetzungen, aber das ist ja keine Streiterei wie im Kindergarten: Du hast mir meine Schaufel weggenommen oder irgend so ein Firlefanz. Sondern da stehen Amazonen, jede einzelne von ihnen hat ihre Kraft und ihren Willen und schmeißt sich in das Projekt hinein, mit allem, was dazugehört. Bei "Schnee" waren wir einfach ein großartiges Team.

STANDARD: Das sagen im Nachhinein alle. Sind denn Dreharbeiten immer die reine Wonne?

Hobmeier: Nein, es kann hart sein. Bei "Schnee" war es das Umfeld. Wir drehten auf 3.000 Meter Höhe, und in diesen zwei Wochen ging mir der Schnee permanent bis zum Bauchnabel. Ich habe mir alles abgefroren, und es war wirklich physisch oft weit über der Grenze des Erträglichen. Aber ich glaube grundsätzlich, wenn man im Nachhinein Interviews gibt, ist es immer ein bisschen nach dem Motto "What happened in Las Vegas stays in Las Vegas".

STANDARD: Nicht mehr so leicht in Las Vegas bleiben Übergriffe. Haben Sie jemals in Ihrer Laufbahn welche erlebt oder beobachtet?

Hobmeier: Ja, habe ich. Ich kam selbst in die Situation und wieder gut raus, habe aber auch Dinge gesehen. Es ist ein schwieriger Raum. Erst vor kurzem habe ich mit einer Freundin darüber gesprochen, die ich vor Jahren kennenlernte – in einer Situation, bei der ich mich fragte, ob das noch okay ist. Heute sind wir ganz eng befreundet, und ich habe sie gefragt, wie das für sie gewesen wäre, hätte ich ihr mein Unbehagen mitgeteilt, hätte gesagt: "Du, hör mal, diese Person" und "Du, das ist ein Schmarrn". "Hättest du das von mir als übergriffig empfunden?" Und sie sagte, sie wisse es auch nicht. Heute, da wir so eng befreundet sind, würde sie sagen, sie hätte es als Rat genommen. Aber damals? Keine Ahnung.

STANDARD: Wie würden Sie sich verhalten, wenn damals heute wäre?

Hobmeier: Wir haben ausgemacht, sollte so etwas jemals passieren, sagen wir es. (Doris Priesching, 12.11.2022)