Plastik war gestern, Bambus ist heute, könnte man sagen. In einer Zeit, in der Plastik verpönt ist, wird Bambus gerne als umweltfreundliche Alternative angepriesen. Zahnbürsten, Kaffeebecher, Kochlöffel, Badezimmerschränke, Beistelltische oder Bodenbeläge: Die Liste der Produkte, die aus der Pflanze hergestellt werden, ließe sich noch lange fortsetzen. Es gibt mittlerweile sogar Fahrräder aus Bambus. Doch ist das Trendmaterial wirklich so grün, wie es sein Image bewirbt?

Dafür spricht, dass Bambus, der zu den Süßgräsern gehört, schnell nachwächst. Bis zu einen Meter pro Tag sollen zum Beispiel die Halme des Moso-Bambus zeitweise in die Höhe schießen können. Und selbst die trägsten Bambusarten wachsen drei Zentimeter pro Tag. Der Bambus hat noch einen weiteren Vorteil: Er bildet ein großflächiges Wurzelsystem unter der Erde, aus dem ständig neue Pflanzen nachwachsen. Erntet man einen Halm, stirbt nicht gleich die ganze Pflanze. Bambus ist außerdem stabil, widerstandsfähig und kommt überwiegend ohne zusätzliche Bewässerung oder Dünger aus. Es wird sogar angenommen, dass Bambus mehr CO2 bindet als Bäume.

Bambus wächst rasant und kommt überwiegend ohne künstliche Bewässerung und Pestizide aus. Manche Arten werden bis zu 30 Meter hoch.
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Kein reines Naturprodukt

Auch wenn der Bambus schnell nachwächst, sind vermeintliche Bambusprodukte nicht automatisch nachhaltig. Sieht man sich an, woraus sie gemacht sind, erkennt man, dass die meisten nicht nur pflanzliche Anteile enthalten. Um den Bambus fest und widerstandsfähig zu machen, müssen nämlich Kunststoffe oder Kleber beigefügt werden.

Besonders Coffee-to-go-Becher, die als Bambusprodukt beworben werden, sorgten vor einiger Zeit für Schlagzeilen. Für den Konsumenten entstehe der Eindruck, sie würden ein reines Naturprodukt kaufen und der Umwelt etwas Gutes tun, kritisierte die Stiftung Warentest. Tatsächlich entstünden die Becher jedoch aus fein zermahlenen Bambusfasern, die mit Klebstoff in Form gebracht werden.

Auch gesundheitlich seien die angeblichen Bambusbecher nicht unbedenklich, wie die Konsumentenschützerinnen und Konsumentenschützer zeigten. Von zwölf getesteten Bechern geben sieben teils hohe Mengen an Melamin oder Formaldehyd ab, wenn heißer Tee oder Kaffee eingefüllt wird. Melamin steht im Verdacht, Nieren und Blase zu schädigen, Formaldehyd kann Krebs erzeugen. "Lassen Sie die Finger von Bambusbechern", raten deshalb die Tester.

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Angebliche Bambusbecher bestehen auch aus Kunststoffen. Bei Temperaturen über 70 Grad Celsius setzen viele davon Schadstoffe frei.
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Auch für Textilien gilt: Die Bewerbung als nachhaltiges Naturprodukt ist in den meisten Fällen irreführend. Der große Teil dieser sogenannten Bambuskleidung besteht aus Viskose, die aus Bambus hergestellt wurde. Um sie zu erzeugen, sind aufwendige chemikalische Prozesse nötig, bei denen eine Reihe schädlicher Zwischenprodukte entsteht. Es wird zudem einiges an Wasser und Energie benötigt. Von natürlich und umweltfreundlich kann also eigentlich nicht mehr die Rede sein.

Es gäbe zwar auch mechanische und enzymatische Verfahren, um Viskose aus Bambus herzustellen. Sie würden jedoch viel seltener benutzt, weil sie teurer und zeitaufwendiger sind, heißt es von der deutschen Verbraucherzentrale. Schadstoffarme Textilien, die mit geringerer Umweltbelastung hergestellt werden, seien an Siegeln wie dem Global Organic Textile Standard (GOTS) erkennbar.

Lange Transportwege

Bambus hat schließlich noch ein weiteres Problem: die langen Transportwege. Die Pflanze wird meist aus China importiert, wobei CO2-Emissionen anfallen. Noch problematischer ist jedoch laut Anna Leitner, Sprecherin für Ressourcen und Lieferketten bei Global 2000, dass in China andere Sozial- und Umweltstandards gelten als in Europa. "Unter welchen Bedingungen der Bambus gewonnen wurde, welche Umweltzerstörungen dabei passiert sind, ist für Konsumentinnen und Konsumenten nur sehr schwer nachvollziehbar." Ein Eichenregal aus Österreich sei also womöglich einem Bambusregal aus China vorzuziehen. (Lisa Breit, 15.11.2022)