Ein Anhänger der Republikaner drängt bei der Auszählung der Stimmen in Arizona zur Eile. Bald könnte seine Neugier befriedigt sein – das von ihm erwünschte Ergebnis gilt aber als eher unwahrscheinlich.

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Washington – Noch ist nicht aller Tage Abend – aber für die Demokraten scheint sich der Horizont nach den Midterm-Wahlen in den USA weiter zu erhellen. Neue Auszählungsschritte in den Bundesstaaten Arizona und Nevada, wo bisher noch keine Entscheidung in den Senatswahlen gefallen ist, begünstigten dort die demokratischen Kandidaten. Sicher ist ihr Sieg noch nicht – aber sollten Mark Kelly (Arizona) und Catherine Cortez Masto (Nevada) tatsächlich ihre Sitze in der Parlamentskammer behalten können, würde das 50 Mandate für die Demokraten bedeuten. Dann wäre klar, dass die Partei die Kontrolle im Senat behält. Die noch offene Stichwahl in Georgia am 6. Dezember wäre dafür dann nicht mehr entscheidend.

  • Besonders deutlich gestaltet sich die Führung von Kelly bei der Auszählung in Arizona. Er liegt nach Auswertung von rund 82 Prozent aller Stimmen mehr als 5,5 Prozentpunkte vor seinem republikanischen Konkurrenten Blake Masters. Ausständig sind vor allem noch Briefwahlstimmen aus dem Wahlbezirk Pima, der dank der Universitätsstadt Tucson stark demokratisch ist, und aus dem Hauptstadtbezirk Maricopa County rund um Phoenix.

    Dort gibt es noch die meisten nicht ausgezählten Stimmen, und von dort kommt auch der Quell der noch bestehenden Unsicherheit: Denn während Kelly bisher jene Stimmen gewann, die lange vor der Wahl eingesandt oder in Drop-Boxes eingeworfen wurden, gibt es bei den am Wahltag abgegebenen Karten Vorteile für die Republikaner. Was genau noch fehlt, ist aber offen. Sollten geplante Auszählungsrunden am Freitagabend ebenfalls im Sinne der Demokraten ausgehen, ist damit zu rechnen, dass ihm auch von den großen Demoskopie-Instituten der Sieg zugesprochen wird. Weiteres Indiz dafür: In den wenigen schon ausgezählten Wahlkreisen liegt Kelly teils mehrere Prozentpunkte besser als Joe Biden 2020 – und auch für Biden reichte sein Ergebnis ja damals zum Sieg in Arizona.

  • Enger sieht zumindest aktuell das Rennen um den Senatssitz in Nevada aus. Der Republikaner Adam Laxalt liegt dort nach Auszählung von 90 Prozent aller Stimmen rund einen Prozentpunkt (oder etwa 9.000 Stimmen) vor Amtsinhaberin Catherine Cortez Masto. Allerdings sind noch etwa 70.000 Stimmen ausständig, von denen fast alle aus der Briefwahl im größten Wahlbezirk das Landes, Clark County (mit Las Vegas), stammen. Ein Rest stammt aus Washoe County (mit Reno). Um Laxalt bei der Auszählung der verbleibenden Stimmen zu besiegen, muss Cortez Masto ihn in den Briefwahlergebnissen in etwa im Verhältnis 60 zu 40 besiegen. In den bisherigen Auszählungsschritten der vergangenen Tage lag sie hier bei etwa 65 Prozent. Das würde genügen – dass der Trend hält, ist aber nicht garantiert. Ein Ergebnis soll es erst am Samstagabend (Ortszeit) geben, in Mitteleuropa wird man also Sonntagfrüh Bescheid wissen.

  • In Alaska steht mittlerweile auch rechnerisch der Sieg der Republikaner fest: Die radikale Republikanerin Kelly Tshibaka zieht gemeinsam mit ihrer gemäßigten Parteikollegin Lisa Murkowski in die zweite Runde des Ranked-Choice-Voting-Auszählungsverfahrens ein. Dabei werden die Stimmen der Drittplatzierten, der Demokratin Pat Chesbro, gestrichen und jener Republikanerin zugeordnet, die Chesbros Wählerinnen und Wähler als Zweitplatzierte auf ihre Stimmzettel geschrieben haben. Eher anzunehmen ist, dass das der bisherigen Amtsinhaberin Murkowski nützen wird, die in der ersten Wahlrunde etwa 1,5 Punkte hinter Tshibaka lag.

  • Immer noch im Vorteil scheinen die Republikaner im Rennen um das Repräsentantenhaus zu sein. 211 Sitze haben die Hochrechner der großen TV-Networks ihnen bisher zugesprochen, zwischen 194 (AP) und 204 (ABC) den Demokraten. Nötig für die Kontrolle der Kammer sind 218. Im aktuellen Auszählungsstand führen die Republikaner in 222, die Demokraten in 213 Bezirken. Allerdings: Dass das Rennen in allen Fällen auch so ausgeht, ist nicht sicher. Denn vor allem in Kalifornien, wo wegen der weitverbreiteten Briefwahl sehr langsam ausgezählt wird, fehlen noch viele Stimmen. Bei früheren Wahlen haben die Demokraten hier immer wieder aufgeholt.

    Nicht ausgeschlossen ist angesichts der knappen Position, dass das Warten auf die Ergebnisse noch länger dauert. In Alaska, wo die im Sommer schon einmal gewählte demokratischen Kandidatin Mary Peltola bei 47 Prozent liegt, wird es wohl zu einer Auszählung nach dem Ranked-Choice-Verfahren kommen – was einige Zeit in Anspruch nimmt. Und im Wahlkreis der rechtsradikalen Verschwörungstheoretikerin Lauren Boebert in Colorado liegt diese nun zwar nach Auszählung der meisten Stimmen mit einigen hundert voran. Doch reicht dieser Abstand nicht, um einer verpflichtenden Neuauszählung zu entgehen, die in Colorado bei knappen Rennen vorgeschrieben ist.

    Vor diesem Hintergrund wird in Washington schon ein Extremszenario diskutiert. Geht das Rennen 218 zu 217 aus, befindet sich die eigentlich unterlegene Partei in einer nicht ungünstigen Situation. Sie kann einem moderaten Abgeordneten aus den jeweils anderen Reihen anbieten, ihn zum Sprecher des Repräsentantenhauses zu wählen – gegen die Zusicherung, gewisse Themen auf die parlamentarische Tagesordnung zu setzen.

  • Abseits der bundesweit entscheidenden Rennen ist weiter jenes um den Gouverneursposten in Arizona offen. Dieses hat auch international für Interesse gesorgt, weil die radikale Trump-Anhängerin und frühere Fox-News-Moderatorin Kari Lake Chancen auf den Sieg hat. Lake glaubt nicht an die Rechtmäßigkeit der Wahl 2020 und hat öffentlich angekündigt, im Fall eines ähnliches Ergebnisses 2024 "alternative Wahlleute" nach Washington schicken zu wollen. In der aktuellen Auszählung liegt sie sehr knapp hinter der Demokratin Katie Hobbs. Wie dieses Rennen ausgeht, scheint völlig offen. In den (wenigen) schon vollständig ausgezählten Wahlkreisen liegt allerdings auch Hobbs knapp besser als Joe Biden 2020. Ob weitere Auszählungen diesen Trend fortsetzen, ist nicht sicher.

  • Mittlerweile entschieden ist das Rennen um eine Gesetzesinitiative der Republikaner in Montana, die in einer "Abtreibungs"-Initiative den falschen Eindruck erweckten, es sei bisher nicht verboten, lebend geborene Kinder umzubringen. Sie wollten dies, wie berichtet, nun via Referendum verbieten lassen. Ein Erfolg hätte an der Rechtslage zum Thema Abtreibung nichts geändert, allerdings Palliativmaßnahmen für nicht lebensfähig geborene Kinder verunmöglicht und Personal zu aussichtslosen Wiederbelebungsversuchen verpflichtet, die für Eltern traumatisch sein können. Die Initiative wurde abgelehnt.

  • Unklar ist noch immer, ob es im Staat Colorado künftig legal sein wird, bestimmte psychedelische Produkte und Magic Mushrooms zu besitzen. (Manuel Escher, 11.11.2022)
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DER STANDARD