Er habe sich nicht vom Falken, der für eine straffere Geldpolitik steht, zu einer Taube, die eine laxere Gangart bevorzugt, gewandelt, sagte Holzmann.

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Die Inflation im Euroraum wird vorerst weiter steigen – und damit auch die Zinssätze der Europäischen Zentralbank (EZB). Allerdings wollte Robert Holzmann, Chef der Oesterreichischen Nationalbank (OeNB), am Freitag vor Journalisten keine Pflöcke einschlagen, wie in welche Höhen der Leitzinssatz noch angehoben wird. Für die nächste Zinsentscheidung im Dezember stellte er eine Erhöhung von derzeit zwei Prozent um 0,5 oder 0,75 Prozentpunkte in Aussicht. "Wir sind noch nicht am Ende der Fahnenstange bei den Zinsen", ergänzte Holzmann, das Ausmaß des Zinsschritts werde von den Daten abhängen.

"Ich weiß noch nicht, wie ich stimmen werde", sagte das EZB-Ratsmitglied. Seine größte Sorge sei, dass die EZB die Zinsen im Kampf gegen die hohe Inflation entweder zu viel oder zu wenig stark erhöht. Derzeit seien die Leitzinssätze noch unter dem sogenannten neutralen Bereich, in dem sie die Wirtschaft weder befeuern noch drosseln. "Wir sind derzeit noch expansiv und stehen noch nicht auf der Bremse", erklärte Holzmann. Bei einer Anhebung um 0,75 Prozentpunkte im Dezember seien sie "vielleicht schon leicht restrikiv".

Kerninflation steigt noch an

Bei der Inflation im Euroraum erwartet der OeNB-Gouverneur im Gegensatz zu den USA zunächst weitere Anstiege. Denn die Kerninflation, auf die Notenbanker besonders achten, sei noch im Ansteigen. Bei dieser werden Bereiche mit besonders starken Preisschwankungen wie Energie und Nahrung außen vor gelassen. Von einer Trendwende könne man erst sprechen, wenn die Kerninflation ihr Top erreicht und die allgemeine Teuerung unter diesem Niveau liegt. Im Oktober lag die Kerninflation im Euroraum nach vorläufigen Zahlen bei fünf Prozent, während der Preisauftrieb für alle Güter und Dienstleistungen den Rekordwert von 10,7 Prozent erreichte.

Allerdings gebe es auch Gründe zur Hoffnung. Etwa die sinkenden Realeinkommen, die die Nachfrage bremsen, rückläufige Energiepreise oder auch ein zuletzt sinkendes Preisniveau in China, wodurch Importe billiger werden könnten. Holzmann ist dennoch skeptischer als die Inflationsprognosen der EZB, die innerhalb von zwei Jahren eine Rückkehr auf den Zielwert von zwei Prozent vorhersagen. Diese würden von einem stärkeren Rückgang der Teuerung ausgehen, "als ich es persönlich glaube", fügte er hinzu. Was Holzmann nicht erwähnte: Die Inflationsprognosen der EZB hatten sich in jüngerer Vergangenheit mehrfach im Rückblick als zu tief erwiesen.

Abschichtung der Anleihen muss warten

Auf die Renditen der Staatsanleihen von Eurostaaten blicke die EZB zwar, entscheide aber nicht danach. "Das ist nicht unsere Aufgabe", stellte das Ratsmitglied klar. Warum die Notenbank dann noch nicht mit der Abschichtung der billionenschweren Anleihenbestände, durch deren Ankauf die EZB bis März die langfristigen Zinsen gedrückt hatte, beginnt? An den Finanzmärkten herrsche derzeit große Unsicherheit, man müsse sicherstellen, dass Zeitpunkt und Menge die Märkte nicht überfordern, sagte Holzmann. Daher gebe es zwar die Absicht, aber noch keine Entscheidung, wann und wie die Wertpapiere abgeschichtet werden sollen.

Auf dem zuvor überhitzen heimischen Immobilienmarkt sieht Holzmann eine gewisse Abkühlung. Die seit August geltenden strengeren Vergaberichtlinien für Wohnkredite hält er für "gut und richtig. Ich sehe keinen Grund, davon derzeit abzuweichen." Die Banken würden nun öfters Kreditanfragen ablehnen – das lasse sich auch daran ablesen, dass die Ausnahmekontingente von den verschärften Richtlinien nicht ausgeschöpft würden. "Der Immobilienmarkt macht im Moment wenig Sorgen", sagte Holzmann. (Alexander Hahn, 11.11.2022)