Im steirischen Feldbach ist der Klimawandel bereits zu spüren. Zur Abkühlung hat die Stadt unter anderem 500 Bäume gepflanzt.
Foto: Johannes Greß

Knapp zwei Stunden nimmt sich Josef Ober an diesem ungewöhnlich warmen Herbsttag Zeit, um über ein Thema zu sprechen, über das Politikerinnen und Politiker so ungern wie selten sprechen: Klimawandelanpassung.

Anpassung trägt schon im Namen, dass in der Vergangenheit etwas schiefgelaufen ist, konkret: dass der Klimaschutz eher stiefmütterlich behandelt wurde. Ober ist da anders. Angepasst sein, vorbereitet sein, so sagt er, ist für ihn eines der zentralen Themen seiner Politik. Der Mitte 60-Jährige ist seit 2015 Bürgermeister im südoststeirischen Feldbach, zuvor saß er für die ÖVP im Landtag. Spricht man mit ihm über Klimawandelanpassung, gewinnt man den Eindruck, er wäre auch bei den Grünen gut aufgehoben.

In seinem Büro erklärt er die Sachlage. Freundlich formuliert: Statt drei bis vier lauen Sommernächten pro Jahr hat sich die Grillsaison in Feldbach auf 40 bis 50 Abende ausgedehnt. Neben Kürbissen wachsen im Raabtal mittlerweile Kiwis, Melonen, Zitronen.

Nüchterner formuliert: Die Sommer in der 13.000-Einwohner-Stadt sind mittlerweile unerträglich heiß und trocken, der Grundwasserspiegel sinkt, Extremwetterereignisse nehmen zu. Landwirtinnen und Landwirte stehen vor enormen Herausforderungen. Bleibt der Anstieg der globalen Durchschnittstemperatur – wonach es derzeit nicht aussieht – bis zum Jahrhundertende unter zwei Grad Celsius, bedeute das für seine Region ein Plus von vier Grad, warnt Ober.

Handeln im Hier und Jetzt

In Sachen Klimakrise ist derzeit viel von CO2-Reduktion, der Energiewende und weniger Verkehr auf den Straßen die Rede – Maßnahmen, um die Auswirkungen der Klimakrise in Zukunft abzumildern. Beim Thema Klimawandelanpassung geht es hingegen um das Hier und Jetzt, den Schutz vor nicht mehr vermeidbaren Folgen. Nicht mehr vermeidbar, weil Treibhausgase äußerst träge sind.

Der Deutsche Wetterdienst veranschaulicht das in einer Prognose: Ob wir in den kommenden Jahren so weitermachen wie bisher – immerhin halbambitioniert Klimaschutz machen oder eine radikale Kursänderung hinlegen –, hat bis ins Jahr 2045 kaum Auswirkungen. Die Temperatur wird weiter steigen. Maßnahmen, die wir heute tätigen, werden erst in der zweiten Hälfte des Jahrhunderts wirklich wirksam.

Heute gibt Österreich laut Wegener Center pro Jahr circa eine Milliarde für Klimawandelanpassung aus. Bis 2050 könnten die Kosten für Anpassung und Schäden auf sechs bis zwölf Milliarden Euro jährlich steigen.

Seit 2012 hat Österreich eine Klimawandelanpassungsstrategie. Sie enthält Anpassungsempfehlungen für 14 verschiedene Bereiche, darunter Landwirtschaft, Forstwirtschaft und Tourismus. Österreich ist damit einer der ersten EU-Staaten, die einen solchen Plan verabschiedeten, und einer der wenigen, der sich auch mit der regionalen und kommunalen Ebene befasst. Bisher war das eher selten.

Fokus auch auf kleine Gemeinden

"In Sachen Klimawandelanpassung lag der Fokus lange fast ausschließlich auf Städten", erklärt Wolfgang Lexer, Experte für Klimawandelanpassung und Klimaresilienz beim Umweltbundesamt. Städte sind stärker betroffen, zudem konzentrieren sich dort meist finanzielle und personelle Ressourcen. In Österreich gibt es aber überdurchschnittlich viele Klein- und Kleinstgemeinden. Etwa 90 Prozent aller österreichischen Gemeinden haben weniger als 5000 Einwohner.

Die Initiative der Klimawandelanpassungsregionen des Klima- und Energiefonds versucht, in diese Lücke vorzudringen. Gemeinden suchen um eine Teilnahme an, sie erarbeiten Zielvorgaben und Projekte. Stand Sommer dieses Jahres sind 79 Regionen und insgesamt 651 Gemeinden Teil des Programms, auch Feldbach. Die Liste der Projekte ist lang: Fassadenbegrünung, Dachbepflanzungen und Grünoasen sollen Klimaresilienz und Lebensqualität erhöhen, nennt Bürgermeister Ober einige Beispiele. In den vergangenen Jahren ließ er 500 Bäume pflanzen, weitere sollen folgen. Besonders stolz ist er auf die getroffenen Vorsorgemaßnahmen im Falle eines Stromausfalls. "Feldbach ist zu 100 Prozent Blackout-sicher", betont Ober. Je nach Jahreszeit könne Feldbach zwischen zehn und 20 Tage ohne Strom überleben.

Kleinere bauliche Maßnahmen zur Vorsorge gegen Starkregen oder Bauwerksbegrünungen können "ein pragmatischer Einstieg" für Städte sein, betont Lexer. Vor allem wenn sie einen unmittelbaren Nutzen für die Gemeinde, auch unabhängig vom Klimawandel, erzielen. Das seien sogenannte "Quick Wins": politisch relativ unumstritten, schnell umsetzbar, mit wenig Konfliktpotenzial. Entscheidend sei, dass man nach den Quick Wins nicht bloß auf Extremwetterereignisse reagiert, sondern vorausschauend und langfristig agiert und auch die kontroverseren Themen anfasst.

Soziale Dimension noch unbeachtet

Im Vorjahr etwa veröffentlichte das Klimaministerium den Evaluierungsbericht zur "Österreichischen Strategie zur Anpassung an den Klimawandel". Darin heißt es selbstkritisch, dass bei den getroffenen Maßnahmen "die soziale Dimension des Klimawandels noch nicht ausreichend Aufmerksamkeit erhält". Bisher wird Klimawandelanpassung vor allem als technische Anpassung verstanden – "die Auswirkungen des Klimawandels aber interagieren stark mit sozialen Ungleichheiten", erklärt Ilona M. Otto, Professorin für Ökonomie und gesellschaftliche Auswirkungen des Klimawandels am Wegener Center der Uni Graz.

Einkommensärmere, migrantische und andere vulnerable Gruppen sind von den Folgen der Klimakrise besonders betroffen. Sie wohnen oft in dicht bebauten und schlecht isolierten Wohnungen ohne Grünflächen, haben schlechteren Zugang zu Gesundheits- und Sozialleistungen und arbeiten öfter in körperlich anstrengenden Jobs unter freiem Himmel, wie in der Landwirtschaft oder am Bau. Gleichzeitig sind es die reicheren Bevölkerungsschichten, die durch ihren Konsum und ihr Mobilitätsverhalten die Klimakrise besonders stark vorantreiben. Bei der Klimawandelanpassung, fordert Otto, müssen diese Faktoren mitberücksichtigt werden. Soziales und Ökologisches vereinen, lautet das Zauberwort.

Einkommensärmere Haushalte sollten beispielsweise von energetischen Sanierungen zuvorderst profitieren oder Freibäder und öffentliche Verkehrsmittel kostenlos sein, der Zugang zu Gesundheitsleistungen für alle erleichtert werden und Arbeiterinnen und Arbeiter am Bau oder in der Landwirtschaft an heißen Tagen hitzefrei bekommen.

Und in Feldbach? In Sachen Technik braucht man sich hier nichts nachsagen zu lassen. Und in Sachen Soziales? Bürgermeister Ober sieht hier "keine Problematik". (Johannes Greß, 17.11.2022)