Immer noch sind es meistens Frauen, die sich neben der Arbeit hauptsächlich um die Kinder kümmern.

Foto: imago images/Westend61

Ein Meeting verpasst, denn das Kind muss von der Schule abgeholt werden, oder gar ein Streit mit dem Team, weil das Projekt länger liegen bleiben muss, da das Baby ist krank: Die meisten Eltern, die auch arbeiten gehen, kennen dieses Hin und Her und die organisatorischen Herausforderung, denen ein jeder begegnet, der ein Kind versorgt, aber auch seine Karriere verfolgt.

Immer noch sind von Konflikten mit Betreuung und Arbeitszeit überdurchschnittlich Frauen betroffen – vor allem die, denen ihre berufliche Weiterentwicklung wichtig ist. Die Online-Marketingplattform OMR hat mit ihrer Gleichberechtigungsinitiative "5050" und dem Marktforschungsinstitut Appinio in Hamburg eine Studie zur Vereinbarkeit von Familie und Beruf in Deutschland veröffentlicht. Sie zeichnet vor allem ein Bild: Fast die Hälfte der befragten Frauen schrecken davor zurück, Karriere mit Kind zu machen.

Insgesamt wurden 622 berufstätigen Frauen aus den Bereichen Dienstleistungen, Gesundheitswesen, Finanzen und Versicherungen, IT, Automobil, Medien und Marketing sowie aus dem (Online-)Einzelhandel befragt. Am häufigsten zählten sie zu den Altersklassen 35 bis 45 und 25 bis 34. 77 Frauen waren zwischen 20 und 24 Jahre alt. 45 Prozent der Teilnehmerinnen hatten bereits ein oder mehrere Kinder, 55 Prozent noch keines. 30 Prozent der Befragten hielten eine Führungsposition.

Auf die Frage "Schreckst du davor bzw. hast du in der Vergangenheit davor zurückgeschreckt, Karriere mit Kind zu machen?" antworteten 44 Prozent der Frauen mit Kindern, sie wären verunsichert darüber, ambitioniert mit Nachwuchs ihrem Wunschberuf nachzugehen. Der häufigste Grund dafür war für sie die Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben, die potenzielle Überlastung, der "falsche Zeitpunkt" und die unsicheren Wiedereinstiegsoptionen.

Leitende Positionen wegen Mutterschaft diskriminiert

Außerdem gaben dazu 38 Prozent der befragten Mütter an, bereits Diskriminierung im Arbeitsumfeld aufgrund ihrer Mutterschaft erfahren zu haben. Die Hälfte davon arbeiteten in leitenden Positionen. Ein Viertel der Frauen ohne Kinder gaben an zu denken, dass sie in ihrem Unternehmen nicht problemlos Kinder bekommen könnten. 62 Prozent der befragten Mütter antworteten auf die Frage, wer die meiste Sorgearbeit im Haushalt erledige, dass sie dies tun würden. Bei 35 Prozent der Frauen war es gleich aufgeteilt, nur zwei Prozent gaben an, ihr Partner oder ihre Partnerin würde sich um den Großteil kümmern.

"Diese Studie stellt erneut unter Beweis: Eltern, vor allem Mütter, werden in der Arbeitswelt systematisch diskriminiert", erklärt dazu die Rechtsanwältin und Initiatorin von #proparents, Sandra Runge. Der gesetzliche Schutz vor Benachteiligung müsse unbedingt verbessert werden, wozu auch das neue Diskriminierungsmerkmal Elternschaft/Fürsorgeleistung in das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz geschrieben werden solle.

Auch Wissenschafter der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW) und der Universität Wien veröffentlichten dieses Jahr ihre über vier Jahre durchgeführte Untersuchung zu Familie und Beruf. Sie sahen sich dafür an, wie sich die Geburt eines Kindes auf die ökonomische Situation junger Eltern in 30 europäischen Ländern, darunter Österreich, auswirkt. Auch sie kamen zu dem Schluss: In Europa unterbrechen junge Mütter ihre Arbeit viel länger als junge Väter. Es zeigte sich jedoch auch, dass nirgendwo Frauen so lange zu Hause bleiben wie in den deutschsprachigen Ländern.

Häufig Teilzeit nach Karenz

In Österreich sind demnach 60 Prozent der Frauen zum zweiten Geburtstag ihres Kindes zurück am Arbeitsmarkt, in Nordeuropa hingegen über 80 Prozent, bei annähernd gleich hohen Ausgleichszahlungen in beiden Regionen. Außerdem würden Mütter in Österreich nach der Karenz eher Teilzeitstellen annehmen, während Skandinavierinnen nach der Babypause wieder Vollzeit arbeiten gehen.

Allerdings zeigt die Studie von OMR und Appinio auch, dass sich viele Arbeitgeber bereits für Gleichberechtigung einsetzen. 83 Prozent der Befragten gaben an, dass ihre Arbeitsstelle Gleichberechtigung fördere. Vor allem mit flexiblen Arbeitszeiten, Equal Pay, Netzwerkmöglichkeiten und Mentoring kämen sie den Mitarbeiterinnen entgegen. (mera, 11.11.2022)