"Unabhängigkeit und Objektivität des ORF waren zu keinem Zeitpunkt gefährdet", betont ORF-General Weißmann nach der Chat-Affäre und dem Rücktritt von Chefredakteur Matthias Schrom.

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Wien – ORF-Generaldirektor Roland Weißmann hat Freitag auf die Resolution der TV-Informationsmannschaft nach der Chat-Affäre und dem Rücktritt von Chefredakteur Matthias Schrom reagiert. In einer Rundmail, die dem STANDARD vorliegt, versichert Weißmann ihnen: "Wir können und werden nicht zulassen, dass diese Unabhängigkeit infrage gestellt wird." Auf konkrete Forderungen der Redaktion geht er in dem Schreiben nicht ein.

"Ohne jegliche externe Beeinflussung"

Die Redakteurinnen und Redakteure fordern in ihrer Resolution, Weißmann möge nun alle drei Chefredakteursjobs im Newsroom für TV, Radio und Online neu ausschreiben, transparent und extern begleitet.

Weißmann antwortet ihnen allgemein mit: "Bei den anstehenden personellen Entscheidungen in der ORF-Information werde ich selbstverständlich darauf achten, dass ausschließlich nach sachlichen Kriterien und ohne jegliche externe Beeinflussung vorgegangen wird."

Schärfere Verhaltensregeln

Der ORF-Generaldirektor kündigt in dem Schreiben an die Redaktion an, er werde "eine Ethikkommission bestehend aus unabhängigen Expertinnen und Experten einrichten und damit beauftragen, in Zusammenarbeit mit dem ORF-Ethikrat einen Code of Conduct zu erarbeiten, der die bestehenden Verhaltensregeln des ORF zusammenfasst und gegebenenfalls Ergänzungen und Nachschärfungen vorsieht. Der Schwerpunkt soll dabei auf dem Umgang mit politischen Entscheidungsträgern und -trägerinnen im journalistischen Kontext liegen."

"Gefährdet den Ruf des ORF"

Die ORF-Führung nehme die Chat-Affäre und die Diskussionen sehr ernst, da sie "das Grundverständnis des öffentlich-rechtlichen Auftrags und seiner gebotenen Unabhängigkeit betrifft. Wir können und werden nicht zulassen, dass diese Unabhängigkeit infrage gestellt wird. Derartige Ereignisse gefährden den Ruf des ORF und werden seinen engagierten und professionell agierenden Journalistinnen und Journalisten und all seinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern nicht gerecht."

"Jeder Anschein versuchter politischer Einflussnahme – ganz zu schweigen von deren Verwirklichung – entspricht nicht diesem Grundverständnis und hat Konsequenzen, wie wir sie auch in diesem Fall rasch gezogen haben", schreibt Weißmann.

Austausch mit Stakeholdern geboten

Der Austausch mit politischen Stakeholdern durch die Führungskräfte des Hauses sei im Sinne unternehmensstrategischer Notwendigkeiten geboten und wichtig. Die derzeit laufenden Gespräche etwa über eine Digitalnovelle und die Neuregelung der Finanzierung des ORF (hier geht es um ein Ende der GIS-Ausnahme für Streaming-Nutzung) "sind natürlich auch politischer Natur", heißt es in der Mail des ORF-Generals: "Diese Gespräche werden ausschließlich von der Geschäftsführung und den beauftragten Führungskräften abgestimmt geführt und haben zu keinem Zeitpunkt Auswirkungen auf die redaktionelle Tätigkeit und die Berichterstattung."

Davon sei "Kontaktpflege von Journalistinnen und Journalisten zu Politikerinnen und Politikern zu unterscheiden: Auch hier handelt es sich um einen grundsätzlich notwendigen Austausch im Rahmen der journalistischen Arbeit." Es müsse aber "nicht betont werden, dass dieser allerdings immer nur unter Wahrung der Unabhängigkeit und des Objektivitätsgebots zu geschehen hat". Denn, so Weißmann: "Diese Prinzipien sind gefährdet, wenn der Anschein erweckt wird, dass die Berichterstattung des ORF im Austausch für tatsächliche oder vermutete Vorteile seitens politischer Entscheidungsträger beeinflussbar ist."

"Untergraben das Vertrauen"

Der ORF-General schreibt: "Verstöße gegen diese zentralen Prinzipien schaden dem ORF dort, wo er sich besonders auszeichnet: Sie untergraben das Vertrauen, das uns die Bevölkerung entgegenbringt. Alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Hauses tragen hier eine besondere Verantwortung: Ganz gleich, ob redaktionelle Tätigkeit, öffentliche Auftritte oder scheinbar private Social-Media-Aktivitäten – die Sorgfaltspflicht gilt für uns alle, und es liegt an uns, dem Vertrauen des Publikums gerecht zu werden."

"Unabhängigkeit und Objektivität des ORF waren zu keinem Zeitpunkt gefährdet"

Unabhängigkeit und Objektivität des ORF seien seine zentralen Stärken "und waren zu keinem Zeitpunkt gefährdet", betont der ORF-Chef: "Unsere Redaktionen sind strukturell nachhaltig abgesichert und mit einem starken Selbstverständnis ausgestattet. Dafür sorgen das ORF-Gesetz, die Programmrichtlinien und nicht zuletzt das neue Redaktionsstatut, das mittlerweile über Österreich hinaus auch international als vorbildlich wahrgenommen wird und gerade für derartige Anlassfälle ein Instrumentarium vorsieht, das jeglichem Versuch von Einflussnahme – auch vonseiten journalistischer Führungskräfte – entgegenwirkt."

Die Ereignisse dieser Woche – der Rücktritt Schroms – bestätigten, "dass wir uns prinzipiell auf diese Instrumente verlassen können". Dennoch gelte es nun, Lehren zu ziehen – hier verweist Weißmann auf die geplante "Ethikkommission". (fid, 11.11.2022)