Noe und Nino G. saßen mehrere Stunden in der Schubhaft in der Wiener Zinnergasse – dann kamen sie wieder frei.

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Wien – Es war ein stundenlanges Hin und Her. Am Freitag um halb elf vormittags waren Nino G. (40) und ihr siebeneinhalb Jahre alter Sohn Noe in der Wiener Regionalstelle des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl (BFA) am Hernalser Gürtel von zwei Fremdenpolizisten in Gewahrsam genommen worden. Sie wurden in die Schubhaft in der Zinnergasse in Wien-Simmering gebracht, die Abschiebung nach Georgien war für Sonntag angesetzt.

Acht Stunden später, um halb sieben abends, hob Nino G. am Handy, als DER STANDARD anrief, wieder ab. Es war ihr zurückgegeben worden, als sie und das Kind enthaftet wurden. "Es war ein Schock. Wir waren zu einer Befragung geladen worden – und auf einmal standen Polizisten vor uns", schilderte sie.

Intensive Vorsprachen

In der Zeit dazwischen hatte es intensive Vorsprachen beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) gegeben – unter anderen von Christoph Riedl, Menschenrechtsexperte der Diakonie, und dem Lehrer und Eventorganisator Daniel Landau. Sie plädierten dafür, einen Kinderabschiebungsfall, der wie eine Wiederauflage des Falls Tina wirkte, zu verhindern.

Die in Österreich gut integrierte, damals zwölfjährige Tina war mit Mutter und Schwester im Jänner 2021 zwangsweise nach Georgien gebracht worden. Der Anwalt Wilfried Embacher konnte in der Folge ihre Wiedereinreise erwirken. Auch wurde die Abschiebung des Mädchens rückwirkend vom Verwaltungsgerichtshof als rechtswidrig erkannt. Der Fall hatte intensive Diskussionen über den Stellenwert der Kinderrechte in Aufenthaltscausen zur Folge gehabt.

Hochbegabter Bub

Der Fall Nino und Noe G.s ist ähnlich gelagert. Noe G. lebt seit mehr als sechs Jahren mit seiner Mutter in Österreich. Er besucht die zweite Klasse der Volksschule am Lutherplatz in Wien-Gumpendorf. Er hat hier Freunde, geht in Schwimm- und Klavierstunden und ist seit vier Jahren Mitglied der Pfadfinder in Wien-Ottakring. Seine Noten sind gut. Er gilt als hochbegabt und erhält Frühförderung.

Noes Mutter Nino G. kam im August 2016 mit einem Touristenvisum als Asylsuchende nach Wien, Noe war damals ein Jahr alt. Sie beantragte Asyl, dieses wurde im Juni 2017 rechtskräftig abgelehnt. Sie und der Bub reisten nicht wie angeordnet aus, sondern stellten zweimal Anträge auf humanitären Aufenthalt. Mehrmals gab es Abschiebeversuche, denen sich die Frau entziehen konnte. Die Anträge wurden negativ beschieden.

"Österreich ist seine Heimat"

Am Freitag versuchte sie es für ihren Sohn zum dritten Mal. Um dazu befragt zu werden, waren die beiden ins BFA am Hernalser Gürtel gekommen, Anwalt Michael Vallender und eine Vertrauensperson der Familie waren anwesend.

Deutsch sei Noes Muttersprache, Georgisch könne er nicht, brachte Nino G. dabei vor. "Mein Sohn ist Christ. Er ist gut integriert. Österreich ist seine Heimat. Ich möchte, dass mein Sohn eine Chance hier bekommt", sagte sie laut dem Befragungsprotokoll, das dem STANDARD vorliegt.

Polizisten standen vor der Tür

Das Gespräch, so Vallender, sei "fair und in freundlichem Ton" verlaufen. Doch als die Antragstellenden und ihre Vertreter nach eineinhalb Stunden die Tür zum Weggehen öffneten, standen die Polizisten davor – und nahmen Mutter und Kind fest. Aus dem Innenministerium kam bis Redaktionsschluss keine Reaktion. (Irene Brickner, 11.11.2022)