Als Ron DeSantis zum ersten Mal Kurs auf das Gouverneursamt in Florida nahm, gab er den vorbildlichen Juniorchef der Firma "Trump Incorporated": Für einen Werbefilm zeigte er seiner Tochter, wie man aus bunten Bausteinen eine Mauer errichtet – wobei unschwer zu erraten war, dass es sich um die Mauer an der Grenze zu Mexiko handeln sollte. Seinem Sohn, damals noch im Babyalter, las er aus The Art of the Deal vor, aus Donald Trumps Businessfibel.

Beerbt Ron DeSantis Donald Trump auf der republikanischen Bühne?
Foto: AFP Giorgio Viera

Jetzt, vier Jahre später, am vergangenen Dienstag, wurde der Republikaner mit so klarem Vorsprung wiedergewählt, dass seine Fans von einem Resultat für die Geschichtsbücher sprechen: 19 Prozentpunkte Abstand, das gab es lange nicht in Florida. Und weil DeSantis, einst ohne Abstriche Trump-Loyalist, aus dem Schatten des Altpräsidenten herausgetreten ist, wird er seit den Midterms als der große Trump-Widersacher gehandelt.

Sein Stern strahlt umso heller, da Kandidaten, die Trump an der Parteibasis gegen Bewerber der traditionelleren konservativen Schule durchboxte, in aller Regel schlechter aussahen. Ron DeSantis – der Arzt am Bett der Grand Old Party? Bedeutet sein Aufstieg, dass das rechtspopulistische Fieber allmählich nachlässt? Nicht unbedingt. DeSantis, Harvard-Student, als Jurist auf dem Flottenstützpunkt Guantánamo und im Irak im Einsatz, kam mit der Tea-Party-Welle in die Politik. Auch er weiß sich einer populistischen Sprache zu bedienen.

DeSantis gegen Trump?

Nicht nur, dass er Schülern einer Highschool, die Schutzmasken trugen, zurief, sie sollten endlich aufhören, "dieses Covid-Theater" zu spielen. Anthony Fauci, den renommiertesten Virologen des Landes, porträtierte er als eine Art arroganten Tyrannen der Corona-Pandemie.

Doch während Trump das Märchen von der manipulierten Wahl, seinem angeblich gestohlenen Wahlsieg 2020, ständig wiederholt, geht DeSantis auf das Thema nicht ein. Das reicht schon, um einen markanten Unterschied zu machen. Einen Unterschied, der den 44-Jährigen nun plötzlich als neuen Hoffnungsträger dastehen lässt.

Denn gerade in den sogenannten Swing-States, wo es oft auf der Kippe steht zwischen den beiden großen Parteien der USA, zogen Kandidaten und Kandidatinnen den Kürzeren, die es nicht lassen konnten, das Votum von 2020 als "große Lüge" anzufechten. Offenkundig ist eine Mehrheit der Wählerschaft, zumindest dort, des endlosen Nachkartens überdrüssig. In Pennsylvania hatte Doug Mastriano, ein extremer Verschwörungserzähler, im Rennen um den Gouverneursposten nicht den Hauch einer Chance. Mehmet Oz, ein Fernseharzt, für den Trump eifrig die Trommel rührte, verlor gegen John Fetterman, den Bewerber der Demokraten.

Jedenfalls hat der scharfe Kontrast – hier DeSantis’ Erdrutschsieg in Florida, dort die Ernüchterung in Swing-States wie Pennsylvania, Georgia und Arizona – die Debatte befeuert: den Disput darüber, welche Richtung die Republikaner nehmen sollen.

Zunächst ist es vor allem eine Personaldebatte. Es geht weniger um Konzepte, mehr um die Frage, welche Rolle Donald Trump künftig noch spielen soll. Die kritischen Stimmen sind lauter zu hören, als es vor den Midterms der Fall war.

Ob Donald Trump schon demnächst seinen Hut in den Ring wirft und seine Kandidatur für 2024 offiziell macht? Die Midterms ließen das nicht ratsam erscheinen.
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Da wäre Patrick Toomey, ein Senator aus Pennsylvania, dessen Sitz nun an Fetterman geht. Die zentrale Erkenntnis der Wahl, sagt Toomey, sei die "toxische Wirkung" Trumps im Falle von Duellen, die seine Partei ansonsten gewonnen hätte. "Je mehr ultra-MAGA jemand war, desto mehr blieb er hinter den Erwartungen zurück." MAGA: "Make America Great Again" – Trumps Slogan.

Neue Zielgruppe

Ein echter Richtungsstreit, ein Ringen um Inhaltliches, ist das noch nicht. Eine Rückkehr zu traditionell konservativen Positionen scheint keineswegs garantiert. Nicht zu vergessen, das Phänomen Trump hat tiefe Wurzeln. Wer nach ihnen sucht, muss wohl zurückgehen ins Jahr 2008: Sarah Palin, Gouverneurin Alaskas, wird Kandidatin für die Vizepräsidentschaft. In North Carolina redet sie ganz offen – und, wie sie glaubt, jenseits der Medienöffentlichkeit – zu Spendern: Das Beste an Amerika stecke in den Kleinstädten, von denen sie so viele besuche; "in diesen wunderbaren Ecken dessen, was ich das wahre Amerika nenne; mit all den hart arbeitenden, sehr patriotischen Menschen in sehr proamerikanischen Gegenden dieser großartigen Nation. In denen jene leben, die unsere Fabriken am Laufen halten, unsere Lebensmittel produzieren, unsere Kriege für uns kämpfen."

"Je mehr ultra-MAGA jemand war, desto mehr blieb er hinter den Erwartungen zurück."

Patrick Toomey, scheidender republikanischer Senator von Pennsylvania

In den Augen George Packers, des preisgekrönten Schriftstellers, bedeutet der damals so plötzliche Aufstieg Sarah Palins einen Meilenstein, symbolisiert er doch die populistische Hinwendung der Republikaner zur weißen Arbeiterschaft. "Real America" – das wahre Amerika, so charakterisiert Packer mit Palins Etikett die Denkschule, die für den Schwenk steht. Vorausgegangen war die Dominanz dessen, was er "Free America" nennt. Die Betonung individueller Freiheit, individuellen Erfolgs. Freier Handel, niedrige Steuern, den Staat am besten kleinsparen. Dazu Optimismus, verkörpert durch Ronald Reagan, den Präsidenten der Achtzigerjahre.

Feines Gespür für Trends

Was später folgte, war ein Elitenversagen, das zur Vertrauenskrise führte. Zuerst mit dem Fiasko des Krieges im Irak, dessen physische und psychische Kosten die von Palin beschriebenen, in der Berufsarmee überproportional vertretenen Kleinstadtbewohner zu tragen hatten; dann mit der Finanzkrise, die Millionen von Mittelschichtamerikaner um Haus und Job brachten, während Banken mit Steuermilliarden gerettet wurden.

"Die Schlussfolgerung lag auf der Hand: Das System ist zugunsten von Insidern manipuliert", schreibt Packer in der Zeitschrift TheAtlantic. Zwar behielt "Free America" 2012 noch einmal die Oberhand, indem die Republikaner Mitt Romney, einen Konservativen der Reagan-Schule, ins Rennen ums Weiße Haus schickten. Doch als Donald Trump antrat, konnte ihm die Traditionsfraktion nicht mehr viel entgegensetzen, so sehr man ihn anfangs auch belächelte.

Begann der Trumpismus schon 2008 mit Sarah Palin?

Der Baulöwe hatte ein feines Gespür dafür, wie "Real America" tickte, was er – im Kontrast zu Reagan – mit einer geradezu düsteren Lagebeschreibung verband. Er wurde zum Rächer eines ganzen Milieus. 2016 stimmten 64 Prozent der Wählerinnen und Wähler ohne Hochschulabschluss für ihn, während ihm Collegeabsolventen nur zu 38 Prozent den Zuschlag gaben. Ähnlich war es 2020.

Trump abzuschreiben wäre verfrüht, wenn nicht gar töricht. Gut möglich, dass ein Ron DeSantis, sollte er es denn zur Nummer eins bringen, den Real-America-Fokus übernimmt – vielleicht mit stilistischen Korrekturen, vielleicht optimistischer, vielleicht etwas angenehmer im Ton. (ANALYSE: Frank Herrmann, 12.11.2022)